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Zu langsam.

„Geht das vielleicht auch ein bisschen schneller? Oder muss ich mit einer Portion Blei nachhelfen? Wer von euch beiden möchte denn zuerst? Vielleicht die Dame? Es heißt doch immer, Ladies first, oder?“

Jonas drückte Vanessas Hand und erhöhte das Tempo, in dem sie die Stufen hinabstiegen.

Am Fuß der Treppe angekommen, begann ein niedriger, aber relativ breiter Gang. Seine Decke war leicht gewölbt und bestand, ebenso wie die Wände, aus dunklen Bruchsteinen. Ein schwacher Schein schien ihnen vom Ende des Ganges her entgegen und tauchte die Umgebung in dämmriges Licht. Jonas atmete die Luft durch die Nase ein. Sie war angenehm kühl, roch aber feucht und muffig.

Ein richtig alter Gewölbekeller. Kein Wunder, dass die beiden diesen Ort als Versteck für ihre kriminellen Machenschaften ausgewählt haben.

Jonas hörte ein leises Brummen, das stetig an Lautstärke zunahm, je weiter sie sich der Lichtquelle am vermeintlichen Ende des Ganges näherten.

„Was ist das für ein Geräusch?“, flüsterte Vanessa ihm in dem Augenblick zu, als er selbst anfing, darüber nachzudenken.

„Vermutlich ein Generator“, antwortete Jonas, ohne über seine Antwort nachzudenken.

„Du hältst dich wohl für ausgesprochen schlau, was?“, fragte der Revolvermann und drückte ihm den Lauf seiner Waffe in den Rücken. „Kennst du dich eigentlich mit Medizin aus?“

„Nein. Nicht besonders jedenfalls. Warum?“

„Weil ich mich gut genug damit auskenne, um dir den Rat zu geben, dass es für dich gesünder wäre, deine schlauen Erklärungen für dich zu behalten. Darum. Ist die Botschaft in deinem Großhirn angekommen? Noch ein Wort zuviel und ich knall dich ab. Verstanden?“

Jonas nickte.

„Eigentlich kann ich dich sowieso nicht gebrauchen. Ich hab schon einen von deiner Sorte hier unten und das ist bereits einer zuviel. Was die Gegenwart dieser entzückenden Lady angeht, sieht die Sache natürlich anders aus. Du bist selbstverständlich herzlich willkommen. Wie heißt du eigentlich?“

Vanessa zögerte.

„Bist du taub?“ Er griff nach ihren Haaren und riss ihren Kopf herum.

Vanessa schrie vor Schmerz auf. Jonas wirbelte herum, doch der Typ aus dem Keller richtete sofort den Revolver auf ihn. Dann wandte er sich wieder Vanessa zu.

„Jetzt hör mir gut zu, Süße. Ich werde das nur ein einziges Mal sagen. Und auch nur, weil ich dich wirklich niedlich finde. Wenn ich dich etwas frage, ganz egal was, dann erwarte ich eine Antwort von dir. Und zwar zügig. Hast du das kapiert?“

„Ja.“ Vanessas Kopf folgte seiner Handbewegung. Er war kurz davor, ihr ein dickes Büschel Haare auszureißen. „Das tut übrigens verdammt weh“, zischte sie.

„Ach, tut es das? Du wirst es kaum glauben, aber das sollte es auch. Und du kannst dir nicht im Geringsten vorstellen, wozu ich fähig bin, falls du nicht parierst, wenn ich dir etwas sage. Aber ich freue mich schon darauf, dir jemanden vorzustellen, der dir in dieser Hinsicht ein wenig Nachhilfe geben kann. Also, hast du verstanden, was ich dir gesagt habe?“

„Ja, ich hab´s verstanden.“

„Okay.“ Er ließ ihre Haare los. „Also, wie heißt du?“

„Vanessa.“

„Stimmt das?“ Er sah Jonas an und zielte gleichzeitig mit seinem Revolver zwischen Vanessas Augen.

„Ja. Es stimmt.“

„Na also, geht doch. Vanessa. Ein wirklich schöner Name. Passt gut zu dir. Ich denke, wir zwei werden noch viel Spaß miteinander haben. Und du? Hast du auch einen Namen?“ Wieder sah er Jonas an. „Nein, sag nichts. Eigentlich möchte ich ihn gar nicht wissen. Ich werde so schnell sentimental, wenn ich jemanden erschieße, dessen Namen ich kenne. Anonym klappt das irgendwie besser. Und jetzt weiter. Genug geplaudert.“

Sie erreichten das Ende des Ganges.

„Los, mach die Tür auf!“ Er stieß Jonas mit dem Lauf der Waffe in den Rücken.

Jonas tat, wie ihm geheißen. Und erkannte den Raum sofort wieder. Außerdem sah er die Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Kellers, hinter der er vor kurzem noch selbst gehockt und Kid zusammen mit der anderen Frau beobachtet hatte.

„Rein da. Nun macht schon.“

Sie traten durch die Tür und Jonas Blick wanderte durch das Kellergewölbe, wo er an den beiden Personen hängenblieb, die rechts von ihnen auf dem Fußboden kauerten. Er erkannte die junge Frau, die von Kid die Eisenstange entgegengenommen hatte und mit der sie, nach einigem Zögern, auf irgendetwas eingeschlagen hatte.

Auf irgendjemanden.

Der junge Mann, der neben dem Mädchen auf dem Boden lag, sah fürchterlich aus. Geronnenes Blut bedeckte den Großteil seines Gesichts. Ein Auge war vollständig zugeschwollen und seine Nase war im wahrsten Sinne des Wortes zu Brei geschlagen worden. Und erst die Beine. Die Hose des Mannes war im Bereich der Knie ebenfalls von Blut durchtränkt. Selbst durch den Stoff hindurch konnte Jonas die herausstehenden Knochenfragmente der zertrümmerten Kniescheiben erkennen.

Dieser Mensch musste unfassbare Schmerzen haben. Ein Wunder, dass er nicht längst das Bewusstsein verloren hatte. Aber das hatte er nicht. Das Lid seines halbgeöffneten Auges flatterte nervös, während das Auge selbst hektisch umherschaute.

Jonas Blick glitt hinüber zu Vanessa.

„Mein Gott, das ist ja fürchterlich“, flüsterte sie und starrte die Frau an, die mit dem Rücken an der Wand lehnend zu ihren Füßen saß. Sie beide mussten in etwa das gleiche Alter haben. Sie trug verblichene Hotpants und ein vor Dreck starrendes T-Shirt. Ihre Handgelenke waren zusammengebunden und die Fußknöchel steckten in eisernen Manschetten. Eine Stange zwischen beiden Knöcheln spreizte ihre Beine auseinander, so dass sie, abgesehen von dem traurigen Gesamtbild, einen ziemlich aufreizenden Anblick bot. „Hat er euch das angetan?“

„Ah, ich sehe schon, die Familienzusammenführung schreitet voran.“ Kid trat zwischen Vanessa und die andere Frau. „Möchtest du dich unseren neuen Gästen nicht vorstellen?“

Die Frau nickte. Ihr eigentlich hübsches Gesicht sah ebenfalls ziemlich mitgenommen aus. An Mund und Hals klebte getrocknetes Blut. Zwar konnte Jonas es unter den langen Haaren der Frau nicht genau sehen, aber er glaubte zu erkennen, dass ein Stück ihres Ohrläppchens fehlte.

„Sandy. Ich bin Sandy.“

„Und er?“, fragte Kid. „Ich bin mir zwar nicht sicher, ob es sich noch lohnt, aber es wäre doch nur höflich, wenn du ihnen auch deinen Freund vorstellen würdest, oder?“

Sie nickte. „Das ist Ronnie. Es geht ihm ziemlich schlecht, weil…“

„Okay, das reicht. Du musst unseren Gästen nicht mit deinen langweiligen Geschichten auf den Geist gehen. Nicht jetzt. Vielleicht haben wir später ja noch etwas Zeit für ein bisschen Smalltalk.“

Er wandte sich Vanessa zu. „So, jetzt du.“

„Hallo Sandy, ich bin Vanessa. Und das ist Jonas.“

„Na gut, jetzt ist es also doch raus. Eigentlich wollte ich seinen Namen ja gar nicht wissen, aber jetzt ist es auch egal. Seine Zeit läuft sowieso langsam ab.“ Mit seinem Revolver zielte er auf Jonas. „Geht da rüber zu der Couch. Los, macht schon.“

Jonas und Vanessa durchquerten den Raum. Mit langsamen Schritten gingen sie auf das Sofa zu, das Jonas bereits aus seinem Versteck hinter der Tür gesehen hatte.

Wenn er doch nur eine zündende Idee hätte, sie aus dieser misslichen Lage zu befreien. Eins war ihm klar: Er würde nicht mehr viel Zeit haben. Es bestand wohl nicht die Spur eines Zweifels daran, dass dieser Verrückte ihn über kurz oder lang eiskalt aus dem Weg räumen würde. Nüchtern betrachtet hatte er einfach keinen Grund, ihn am Leben zu lassen. Kid - Jonas fragte sich, ob es wohl sein richtiger Name war - war ausschließlich an Vanessa und dieser Sandy interessiert. Und wie zum Teufel hatte er sie und ihren Freund bloß in dieses Verließ geschafft? Selbst mit der Hilfe seines Bruders, war es bestimmt alles andere als einfach gewesen, die beiden zu überwältigen und hierher zu bringen.