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Und tatsächlich wurde er fündig. Was für ein großartiger Tag!

„Adam, wo bleibst du denn schon wieder? Hast du mal auf die Uhr gesehen? Wir müssen los. Du weißt, dass wir noch ein ziemliches Stück zu fahren haben.“

„Halt endlich deine verdammte Klappe und lass mich in Ruhe. Das alles mach ich doch sowieso nur für dich. Du bist doch diejenige, die mir ständig in den Ohren liegt, dass es ihr in der alten Hütte nicht gefällt, oder? Himmel, ich hatte noch nie eine, die so anstrengend war, wie du.“

Okay, ich bin auch der Meinung, dass wir dringend eine neue Bleibe brauchen, aber das muss ich ihr ja nicht unbedingt auf die Nase binden.

Also ließ Adam sich vom Drängeln der Stimme aus dem Off nicht aus der Ruhe bringen. Stattdessen bückte er sich und wuchtete die schwere Eisenplatte in die Höhe, die er Stück für Stück mit den Füßen freigelegt hatte.

Darunter offenbarte sich ihm ein tiefes, schwarzes Loch.

Adam ballte die Fäuste. Am liebsten wäre er wie Rumpelstilzchen im Kreis gehüpft, um seine Entdeckung zu feiern.

Heute back ich, morgen brau ich, und übermorgen hol ich der Königin ihr Kind!

Er liebte Märchen.

Beinahe ebenso sehr, wie Horrorgeschichten.

Es ist einfach alles so perfekt.

„Komm her, das musst du dir ansehen!“

Sie kam nicht.

Natürlich nicht.

Wieder löste er die Taschenlampe von seinem Gürtel und stellte sich an den Rand des Loches.

Wie tief es wohl ist?

Doch in dem Augenblick, in dem er die Lampe einschalten und hineinleuchten wollte, traf ihn etwas im Nacken. Vor Schreck zuckte er zusammen und ließ die Lampe fallen.

„So eine verfluchte Scheiße!“

Er starrte hinunter in die Dunkelheit.

Es bestand kein Zweifel. Die Lampe war weg. Er würde wohl oder übel eine neue besorgen müssen.

Wieder traf ihn etwas.

Er sah nach oben. Auf den knorrigen Zweigen der alten Kiefer, etwa acht Meter über ihm, hockte ein Eichhörnchen. Und in unregelmäßigen Abständen rieselten die Reste eines großen Zapfens auf Adam herab, an dem das Tier in aller Seelenruhe herumknabberte.

„Du elendes Scheißvieh! Du hast meine Lampe auf dem Gewissen.“ Er hob einen Stein vom Boden auf und warf in Richtung des Tieres.

Mit wenigen Sätzen war es in die Krone eines der benachbarten Bäume verschwunden.

Der Stein, den Adam geworfen hatte, fiel wieder herunter. Zuerst wollte er ihm ausweichen, doch er fiel ganz von alleine an ihm vorbei und verschwand in dem geheimnisvollen Loch im Boden.

Das Geräusch, mit dem der Stein irgendwo in der Tiefe aufschlug, brachte Adam auf eine Idee.

Er suchte einen weiteren Kiesel und ließ ihn in die Grube hinabfallen. Dann zählte er die Sekunden bis zum Aufschlag des Steins. Zwar hatte er nicht die geringste Ahnung, wie er die Sekunden – sofern er denn überhaupt mit richtigen Zeitabständen gezählt hatte – in eine nähere Erkenntnis bezüglich der Tiefe des Loches umsetzen sollte. Aber an einer präzisen Tiefenmessung war er auch gar nicht interessiert. Ihm genügte das gute Gefühl, dass das Loch tief genug war.

„Tief genug? Wofür denn?“

Er zuckte zusammen, als er ihre Stimme in seinem Rücken hörte. Für einen kurzen Augenblick hatte er sie tatsächlich vergessen.

„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht immer so verdammt neugierig sein sollst? Du wirst es schon noch erfahren, wenn es so weit ist.“ Während er das sagte, kreuzte er die Finger hinter seinem Rücken. Wenn man schon log, dann sollte man sich wenigstens an die übrigen Spielregeln halten. „Und schleich dich gefälligst nicht immer so an. Du weißt ganz genau, wie sehr ich das hasse.“

Ein lautes Donnergrollen riss ihn aus seinen Gedanken.

Ob es ihm passte, oder nicht. Sie hatte recht. Er sollte sich besser beeilen.

Hastig klappte er die Eisenplatte zurück über das Loch und verdeckte sie wieder mit Zweigen, Erde und Laub.

Was für eine Entdeckung. Was für ein Tag.

Dann machte er sich mit eiligen Schritten auf den Weg zu seinem Wagen.

Er schlug sich durch das dichte Buschwerk entlang des Zauns und als er das Tor erreichte und aus dem Dickicht hinaustrat, traf ihn beinahe der Schlag.

Neben seinem Wagen parkte ein weiteres Fahrzeug.

Verdammte Scheiße, was will der denn hier?

Es war ein Streifenwagen.

„Alles klar bei Ihnen?“, fragte der Polizist, während er sich umständlich aus dem Wagen schälte. Er hatte einen üppigen Bierbauch und ein gewaltiger Schnäuzer zierte sein krebsrotes Gesicht. Abgesehen von seiner Polizeiuniform erinnerte er Adam eher an einen französischen Küchenchef, als an einen Gesetzeshüter. „Ich habe ihren Wagen hier stehen sehen und wollte nur nachsehen, ob alles in Ordnung ist.“

Adam trat durch das Tor und zog es sorgfältig hinter sich zu.

„Wissen Sie, dieses alte Gebäude zieht immer wieder eine ganze Reihe Gesindel an. Es scheint wie ein Magnet auf dieses Pack zu wirken. Deshalb schaue ich hin und wieder mal nach dem Rechten.“

„Das finde ich gut“, erwiderte Adam. „Dieses Schloss ist ein wirklich tolles Gebäude. Es ist gut, wenn die Hüter von Recht und Ordnung es im Blick behalten.“

„Was treibt Sie denn hierher? Wollen Sie investieren?“

„Wie bitte?“

„War nur so eine Vermutung. Da Sie es sich angeschaut haben, dachte ich für einen Augenblick, Sie hätten vielleicht Interesse, es zu kaufen.“

„Steht es denn zum Verkauf?“ Natürlich stand es das. Adam hatte ja das Schild gesehen. Aber das musste er diesem Dorftrottel ja nicht unbedingt auf die Nase binden.

„Haben Sie denn Interesse?“

„Möglicherweise.“

„Oh. Wirklich?“

„Wäre das so außergewöhnlich?“

„Nein. Ich meine… Doch. Irgendwie schon.“

Adam sah ihn fragend an.

„Wissen Sie, dieses Schloss steht schon ewig leer und die Stadt versucht seit Jahrzehnten, es zu verkaufen.“

„Wo liegt denn das Problem?“

„Das Problem? Kennen Sie denn die alten Geschichten nicht?“

Adam schüttelte den Kopf. Und er musste diesem Polizisten nicht einmal etwas vorspielen. Er hatte wirklich keine Ahnung, wovon der Kerl sprach. „Nein, was denn für Geschichten?“

„Es gibt eine ganze Reihe gruseliger Begebenheiten, die man sich von diesem Ort erzählt.“

„Was denn zum Beispiel?“ Adams Interesse war geweckt.

Komm, erzähl´s mir. Ich liebe Horrorgeschichten.

„Früher gehörte es einem reichen Typ. Als sein Laden pleite ging, brachte er zuerst seine Familie und anschließend sich selbst um. Das Schloss stand danach sehr lange Zeit leer und schnell begannen die ersten Geschichten die Runde zu machen. Die Menschen hier in der Gegend begannen zu tuscheln. Sie erzählten sich, im Schloss gingen die Geister der getöteten Familie um. Und manch einer behauptete, den toten Unternehmer nachts an einem Seil hinter dem Fenster des Turmzimmers gesehen zu haben. Er hat sich da oben an einem Deckenbalken aufgehängt. Sogar das Knarren der alten Holzbalken wollen sie gehört haben.“

„Klingt ja spannend. Und weiter?“

„Das Gebäude fiel in den Besitz der Stadt und irgendwann beschloss man, es zu einem Kinderheim umzufunktionieren. Schon kurz nach der Eröffnung hörte man immer wieder davon, dass dort Kinder und Jugendliche, vor allem Mädchen und junge Frauen, regelmäßig gefoltert und missbraucht wurden. Immer wieder soll es Vergewaltigungen gegeben haben. Es sollen regelrechte Orgien abgehalten worden sein. Neben dem Personal sollen sogar Leute von außerhalb dabei mitgemacht haben. Irgendwelche stinkreichen Typen, die das Heim mit ihren Spenden finanziert haben. Man sagt, viele der Kinder hätten die grässlichen Torturen nicht überlebt, aber ihre Leichen seien heimlich weggeschafft worden. Es wurde behauptet, diese Kinder seien entlaufen, aber kein einziges von ihnen ist wohl jemals wieder aufgetaucht.“