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Skar stand wie gelähmt da und starrte aus ungläubigen geweiteten Augen auf das unglaubliche Bild. Das Ding in Helth bewegte sich nicht wirklich, aber es lag auch nicht wirklich still, sondern tat irgend etwas dazwischen, das sein Gehirn nicht richtig erfassen und verarbeiten konnte. Es schien zu zucken wie ein Schmetterling, der noch nicht die Kraft hatte, seinen Kokon vollends abzustreifen und die Schwingen zu entfalten, aber Skar spürte, wie seine Macht wuchs, mit jeder Sekunde, jedem Atemzug. Er konnte es noch immer nicht richtig erkennen, und er war dankbar dafür.

Das Schwert entglitt seinen Händen. Er fühlte, wie die Kraft aus ihm wich, wie sein Dunkler Bruder zurückprallte und floh, wie ein Tier vor dem Feuer flieht, tödlich verwundet durch die flüchtige Berührung der finsteren Aura, die das Ungeheuer umgab. Velas Worte fielen ihm ein: »Sie versuchten, ein Wesen zu erschaffen, das gleichermaßen zu beiden Welten gehört.« Er stöhnte, wollte die Fäuste ballen, aber selbst dazu fehlte ihm plötzlich die Kraft. Sein Dunkler Bruder und dieses Ding vor ihm waren gleich. Es war ein Teil ihrer Welt, den er in sich trug, das Erbe der Sternengeborenen, das seinen Vorfahren eingepflanzt worden war und das sie weitergegeben hatten -, das er jetzt an seinen Sohn weitergegeben hatte!! -, nicht das Erbe der Alten. Er war bereit gewesen, sein Leben zu opfern, um dieses Ding zu vernichten, den Kampf aufzugeben und sich seinem Dunklen Bruder für immer auszuliefern, der Preis dafür, einmal, ein einziges Mal, seine volle Macht zu spüren und einsetzen zu können, aber selbst dieser letzte Ausweg war ihm verwehrt, er konnte die Kraft, den Fluch, mit dem er geschlagen war, nicht gegen ein Wesen einsetzen, das selbst Quell der gleichen Kraft war. Er hatte es versucht und sich ihrer bedient, aber es war nur ein kurzes Flackern gewesen, nicht mehr als ein Irrtum, ehe das Ungeheuer in ihm erkannte, daß der andere nicht sein Feind, sondern sein Herr war.

Wieder lief diese seltsame zuckende Nicht-Bewegung über Helth' geschundenen Körper. Seine Klaue kratzte über den Fels, tastete in einer suchenden, unsicheren Bewegung hin und her. Das Ding in seinem Leib versuchte sich zu befreien, aber es war noch nicht stark genug. Skar wich mit einem halb erstickten Schrei zurück, als er sah, wie sich der zerfetzte Torso Zentimeter für Zentimeter in die Höhe stemmte. Langsam, unsicher und schwankend kam der (wie hatte Yar-gan ihn genannt? Daij-djan?) hoch, blieb einen Moment wie eine groteske kopflose Marionette auf den Knien hocken und stand, wie von unsichtbaren Fäden gezogen, auf. Seine Hände zitterten suchend dicht vor seinem Körper in der Luft.

Er ist blind! dachte Skar. Die Verwandlung war noch nicht vollständig abgeschlossen gewesen, das Ding noch auf Helth' Sinne angewiesen, um ihn zu sehen, zu hören und zu handeln. Die tastenden Hände wiesen einen Moment in seine Richtung, glitten weiter und verharrten zitternd, suchend wie die Fühler von Insekten, machten kehrt und wiesen wieder auf ihn. Helth machte einen schwerfälligen Schritt. Ein Teil seiner linken Schulter löste sich auf, darunter kam glänzendes schwarzes Horn zum Vorschein.

Der Anblick riß Skar endgültig aus seiner Erstarrung.

Mit einem verzweifelten Satz wich er vor den tastenden Händen zurück, duckte sich zur Seite und schob sich, den Rücken eng gegen die Wand gepreßt, auf das Tunnelende zu. Die dürren Klauenhände folgten seiner Bewegung, aber sie taten es langsam, unsicher, hielten immer wieder an, suchten. Helth' Körper klaffte auseinander wie ein loser Mantel, als er sich schwerfällig umdrehte, aber Skar konnte das Ding in ihm noch immer nicht richtig sehen. Er wollte es auch nicht. Alles, was er wahrnahm, war etwas Dunkles, Horniges, eingehüllt in ein Netz dünner schwarzer Fäden wie geschmolzener Teer.

Er war nicht mehr als fünf, vielleicht sechs Schritte vom Ende des Stollens entfernt, aber sie schienen zu einer Ewigkeit zu werden. Helth folgte ihm, aber er wich immer wieder von der richtigen Richtung ab, tastete hierhin und dorthin, wie ein Tier, das Witterung sucht. Skars Angriff war zu früh gekommen, vielleicht nur Augenblicke, aber zu früh.

Skars Fuß stieß plötzlich ins Leere. Er blieb stehen, preßte sich noch fester gegen die Wand und drehte den Kopf, um nach hinten sehen zu können. Die Wand fiel senkrecht hinter ihm in die Tiefe, fünfzig Fuß weit auf beinharten Fels und tödlich kaltes Wasser. Skar blieb für die Dauer von zwei, drei Herzschlägen reglos stehen, ehe er sich vorsichtig auf die Knie sinken ließ. Helth kam näher. Seine Hände fuhren in beschwörend anmutenden Gesten durch die Luft, und die Bewegung wirkte plötzlich ziellos. Skars linker Fuß glitt ins Nichts, rutschte ein Stück an der glasglatten Wand hinab und fand die oberste Stufe der schmalen Felstreppe.

Er wußte selbst nicht, woher er noch die Energie nahm, aber irgendwie schaffte er es, auch das andere Bein von seinem sicheren Halt zu lösen und sich für einen Moment nur mit der Kraft seiner Arme an den eisigen Fels zu klammern. Er wollte schon erleichtert aufatmen, als Helth im gleichen Moment zu laufen begann, in dem Skar sein Körpergewicht verlagert und Halt auf der schmalen Steinstufe gefunden hatte. Ein zischender, unmenschlicher Laut drang aus seiner Brust, vielleicht die Art, in der dieses Wesen seine Wut herausschrie. Seine Arme peitschten wie dünne scharfe Waffen herab und hackten nach Skars Gesicht. Skar duckte sich, drohte das Gleichgewicht zu verlieren und warf sich mit einem verzweifelten Ruck herum und zurück. Helth' Klaue streifte seine Schulter und riß einen handgroßen Stoffetzen aus seinem Hemd.

Skar ließ auch den letzten Rest von Vorsicht fahren und lief los. Die Stufen waren wie schmale glatte Spiegel unter seinen Füßen, und der Abgrund zerrte mit unsichtbaren Händen an ihm. Seine rechte Hand, mit der er sich an der Wand abstützte, war nach Sekunden zerschunden und blutig.

Vom Deck des Schiffes wehte ein vielstimmiger, entsetzter Schrei zu ihm hinauf. Skar blickte hastig nach hinten und sah, wie Helth gleich einer grotesken vierbeinigen Spinne hinter ihm aus dem Stollen kletterte, die oberste Stufe erreichte und mit traumwandlerischer Sicherheit hinter ihm herstürmte.

Der Anprall riß ihn von den Füßen.

Er taumelte, der Boden kippte vor ihm in die Höhe, und das Meer schien wie ein gewaltiges gieriges Maul nach ihm zu schnappen. Die vereiste Steinstufe rutschte unter seinen Stiefeln weg; die Treppe schüttelte ihn ab wie ein lästiges Insekt. Skar griff instinktiv nach hinten, bekam Helth' Arm zu fassen und riß ihn mit sich. Sie stürzten. Skar sah das schmale Felsband am Fuße der Wand wie eine steinerne Faust auf sich zurasen, versuchte sich noch im Sturz zu drehen und schloß im letzten Moment die Augen.

Das Wasser des Hafenbeckens war wie eine Glasscheibe, durch die er aus fünfzig Fuß Höhe hindurchstürzte. Ein grausamer Schlag traf seinen Körper, trieb ihm die Luft aus den Lungen und füllte seinen Mund mit Salzwasser. Er sank wie ein Stein, tief, unglaublich tief, schrammte über etwas Hartes, das unter der Wasseroberfläche verborgen gewesen war und fühlte, wie ihn die unsichtbare Faust der Strömung ergriff und wieder nach oben drückte. Er versuchte zu atmen, aber sein Kehlkopf verkrampfte sich, als Salzwasser statt Luft in seine Luftröhre drang. Die Strömung wirbelte ihn herum und hämmerte aus allen Richtungen gleichzeitig mit unsichtbaren Fäusten auf ihn ein, aber sie trug ihn auch weiter nach oben. Er brach durch die Wasseroberfläche, versuchte zu atmen und wurde wieder herabgesogen, ehe er seine Lungen mit Luft hatte füllen können.