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Skar schloß geblendet die Augen. Eine grelle, gelbweiße Flamme breitete sich in Sekundenschnelle auf dem Wasser aus, leckte gierig nach den Eiswänden und dem schwarzen Rumpf des Dronte. Das Eis erstrahlte plötzlich in flackerndem weißem Licht. Ein dumpfes Stöhnen wehte zu Skar hinauf.

Aber das Feuer erlosch so schnell, wie es aufgeflammt war. Die Flammen wurden kleiner, verzehrten ihre Kraft in einem letzten, machtvollen Flackern und ertranken.

Skar zündete einen weiteren Lappen an und zielte diesmal sorgfältiger. Das Geschoß zeichnete eine funkensprühende Linie in die Nacht, traf das Heck des Dronte und zerplatzte. Ein Schwall brennenden Öls ergoß sich über die schwarzen Planken. Fast im gleichen Augenblick detonierte Brads erstes Brandgeschoß am Hauptsegel und ließ es in Flammen aufgehen.

Skar warf mit fast mechanischer Präzision weiter. Das Deck des Mordseglers verwandelte sich in wenigen Augenblicken in ein flammendes, weißglühendes Inferno. Kleine, grelle Feuerzungen glühten auf, liefen im Zickzack wie feurige Schlangen über Deck und Aufbauten des Dronte und überzogen ihn mit einem Netzwerk aus Glut und waberndem Licht. Das Toppsegel fing mit einem einzigen berstenden Schlag Feuer. Der schmale Kanal war plötzlich von weißer, schmerzhaft greller Glut erfüllt. Ein Feuerpilz wälzte sich brüllend empor, als irgendwo tief im Leib des Dronte ein Teil seiner Ladung auf die ungeheure Hitze antwortete und explodierte.

Skar wich zurück, als die ungeheure Hitzewelle aus dem Schacht brach. Vor seinen Füßen begann das Eis zu dampfen und zu schmelzen. Eine ungeheure Lichtflut brach aus dem Kanal und tauchte die Ebene in gleißende, schattenlose Helligkeit. Skar stöhnte unter dem Gluthauch auf, tastete blind nach einem neuen Brandgeschoß und warf es in die Tiefe. Ein weiterer dumpfer Knall mischte sich in das Prasseln und Brüllen der Flammen, aber er wußte nicht, ob er wirklich getroffen hatte oder ob das Inferno bereits zu selbständigem Leben erwacht war. Die gesamte Insel schien zu zittern.

Er atmete tief durch, schützte das Gesicht mit den Händen vor der Hitze und kroch wieder zum Rand vor. Das Eis unter seinen Händen und Knien wurde matschig und weich.

Der Kanal hatte sich in einen Schmelztiegel verwandelt. Die spiegelnden Wände reflektierten das grelle Licht der Flammen und steigerten es ins Unerträgliche. Der Dronte war zu einem länglichen Schatten geworden, der sich unter dem Glutvorhang wie unter Schmerzen zu winden schien. Das flackernde Licht gaukelte Skar Bewegung vor, und das Brüllen der Flammen erschien ihm plötzlich wie der Todesschrei eines gigantischen hilflosen Tieres. Die Segel des Dronte waren verbrannt. Seine Masten lohten wie Scheiterhaufen inmitten der Glut; die Explosion von vorhin hatte sein Heck zerrissen und das hintere Drittel des Schiffes in ein Wirrwarr aus Trümmern und Glut verwandelt. Die Wirkung ihrer improvisierten Brandgeschosse allein hätte nicht ausgereicht, eine solche Verheerung anzurichten. Das Feuer mußte die Munition seiner Katapulte erreicht und in Brand gesetzt haben. Sein Rumpf glühte. Zwischen den berstenden Platten brach ein höllisches, blendendweißes Licht hervor.

Der Dronte starb. Er starb an der Glut, mit der er bisher seine Opfer versengt hatte, ging, wie in einer bösen Rache des Schicksals, an seinem eigenen Schrecken zugrunde; eine Vernichtung, rascher und gründlicher, als sie jeder Angreifer hätte hervorrufen können. Noch während Skar hinsah, platzten die Flanken des Dronte wie unter einem gigantischen Axthieb endgültig auf. Ein Schwall flüssigen Feuers ergoß sich wie Blut aus einer schrecklichen Wunde ins Meer und führte den tobenden Flammen neue Nahrung zu. Der Kanal brannte jetzt in voller Länge. Die Flammen leckten achtzig, hundert Fuß an seinen Wänden empor, schlugen brüllend über dem Dronte zusammen und vereinigten sich zu einem Baldachin aus Licht und sengender Glut, unter dem es immer wieder aufblitzte, als der Dronte in einer Serie rasch aufeinanderfolgender Explosionen auseinanderbrach.

Skar fuhr erschrocken zusammen, als er sah, wie sich auf der gegenüberliegenden Seite der Kanalwand ein breiter gezackter Riß bildete, spinnenfingrige Ausläufer nach allen Seiten schickte und schließlich die ganze Wand mit einem einzigen dröhnenden Schlag spaltete. Sein Warnschrei wurde vom Brüllen der Flammen verschluckt. Der Riß zuckte wie eine gierige, vielfingrige Hand nach Brad, zertrümmerte das Eis unter seinen Füßen und riß ihn in einer Lawine von Splittern und schmelzendem Eis in die Tiefe.

Skar stand wie betäubt da und starrte ins Leere. Unter ihm zerriß eine weitere Explosion den Flammenvorhang und gewährte ihm für Sekunden einen Blick auf den auseinanderbrechenden Leib des Dronte. Die ursprüngliche Form des Schiffes war kaum noch zu erkennen. Das Wasser kochte. Zischende Dampfschwaden stiegen auf, verbrühten das wenige, das die Flammen noch nicht verzehrt hatten, ehe sie von neu emporschießenden Feuerarmen verschluckt und auseinandergerissen wurden.

Aber Skar nahm von alldem kaum etwas wahr.

Es war vorbei.

Sie hatten gewonnen. Der Kampf war zu Ende, ehe er richtig begonnen hatte. Der Dronte war tot, von seinen eigenen Waffen vernichtet. Aber der Gedanke erfüllte ihn nicht mit Triumph oder Stolz. Er war Satai, er hatte mehr Männer sterben sehen, als er zu zählen vermochte, aber dies war kein ehrlicher Kampf gewesen. Es war Mord, schlimmer noch, ein erbarmungsloses Abschlachten, in dem ihr Gegner nicht die Spur einer Chance gehabt hatte. Selbst die Angriffe des Dronte waren auf ihre Art fairer gewesen. Seine Opfer hatten zumindest die Wahl, sich zum Kampf zu stellen oder davonzulaufen.

Und auf eine quälende, unlogische Art fühlte er sich verantwortlich für Brads Tod. Das Eis zitterte. Erneut durchlief ein tiefes, schmerzvolles Stöhnen den Boden, und Skar begriff plötzlich, daß er sich ebenfalls in Gefahr befand. Er trat hastig ein paar Schritte zurück, warf einen letzten Blick auf die glosende Feuerlinie hinter sich und ging mit hängenden Schultern zu dem Seil hinüber, das ihn zurück auf das Deck der SHAROKAAN bringen würde.

6.

Es wurde Morgen, bevor er an Bord des Schiffes zurückkehren konnte. Die Nacht war erfüllt gewesen vom Toben der Flammen und dem Bersten und Mahlen auseinanderbrechenden Eises, und mehr als einmal hatte die Klippe so heftig gebebt, daß Skar um seine Sicherheit fürchten mußte. Immer wieder waren Wrackteile und brennendes Öl auf den See hinausgetrieben, so daß es Rayan nicht wagen konnte, sein Schiff in die Nähe des Kanals zu steuern. Erst als gegen Morgen die Ebbe wieder einsetzte und das brennende Öl ins offene Meer hinaussaugte, erloschen die Flammen nach und nach. Das Eis bebte noch immer, aber die ungestüme Kraft des Feuers war gebrochen.

Die gesamte Mannschaft erwartete ihn, als er auf das Deck der SHAROKAAN heruntersprang; allen voran Del und Rayan, der von einem verschlossen wirkenden Veden - Brads Bruder, wie Skar schmerzhaft zu Bewußtsein kam - flankiert wurde.

Rayans triumphierendes Lächeln erlosch, als er den Ausdruck in Skars Augen sah. Er setzte dazu an, etwas zu sagen, trat dann aber statt dessen stumm an Skar vorbei und legte den Kopf in den Nacken. Sein Blick glitt angstvoll am Seil empor und saugte sich an der Stelle fest, an der Brad hätte auftauchen müssen. Die Konturen der Eismauer waren während der Nacht weicher geworden. Die Glut hatte alle Vorsprünge und Unebenheiten geglättet und abgeschliffen.

»Wo... wo ist Brad?« fragte er mit mühsam beherrschter Stimme. Skar wich seinem Blick aus. Rayan wußte, was geschehen war. Aber seine Augen flehten Skar an, ihm zu sagen, daß er sich irrte, zu sagen, daß er noch dort oben war, von irgend etwas aufgehalten, daß er kommen würde.

»Tot«, murmelte Skar.

Von allen Reaktionen, die Skar erwartete hatte, traf keine ein. In Rayans Gesicht zuckte ein Nerv. Seine Augen weiteten sich für einen Moment, dann wandte er sich mit einem Ruck um und trat an die Reling. Seine Hände spannten sich so fest um das spröde Holz, als wolle er es zerbrechen.