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»Wartet hier, Herr«, sagte der Matrose, der ihn heraufgeführt hatte. Helth selbst war unten auf dem Schiff zurückgeblieben, um die Entladearbeiten weiter zu beaufsichtigen. Skar war froh, daß der Vede ihm wenigstens auf diese Weise half. Gowennas Worte waren ihm schmerzhaft zu Bewußtsein gekommen, als er die bis unter die Decke vollgestopften Laderäume sah. Sie hatte vollkommen recht - er war so lange Kommandant der SHAROKAAN und dieser Männer, wie Helth es zuließ. Der Vede hatte es nicht einmal nötig, sich ihm offen zu widersetzen. Es hätte vollends gereicht, wenn er ihm seine Hilfe versagt hätte. Skar war kein Seemann, und die wenigen Tage auf dem Schiff hatten ihm schmerzhaft vor Augen geführt, wie wenig er von der Seefahrt und der Führung eines Schiffes verstand. Ohne eine helfende Hand an seiner Seite war er verloren.

Er nickte wortlos und blieb unter dem Eingang stehen, während der Freisegler weiterging, um den Navigator zu suchen.

Das Innere der Höhle war vom tanzenden Licht brennender Fackeln erhellt. Es war merklich wärmer als draußen auf dem Strand, und dort, wo Fackeln und Kohlebecken aufgestellt waren, begann das Eis bereits zu schmelzen und sich in kleinen, schimmernden Rinnsalen zu sammeln. Der Boden der Eishöhle fiel zur Mitte leicht ab, und Skar sah, daß sich an der tiefsten Stelle bereits ein kleiner See aus Schmelzwasser angesammelt hatte. Sein Wasser begann wieder zu gefrieren und zu blattdünnen Schwestern der mächtigen weißen Schollen draußen auf dem See zu erstarren, aber es floß rascher nach, als es gefrieren konnte, und die dünne weiße Haut riß immer wieder auf. Wenn das Eis weiter im gleichen Maße schmolz, dann würden sie bald bis zu den Knöcheln im Wasser stehen. Aber sie brauchten die Wärme, wenn sie auch nur die erste Nacht überstehen wollten.

Skar verschob auch die Lösung dieses Problems - wie so vieler anderer - auf später. Er trat vom Eingang zurück, um einer weiteren Gruppe Matrosen, die schwerbeladen und zitternd vor Kälte hinter ihm durch den Eingang drängten, Platz zu machen, lehnte sich mit verschränkten Armen gegen das Eis und sah sich neugierig um. Er war zum ersten Mal hier oben, und die Höhle war größer, als er erwartet hatte - ein mächtiger gewölbter Dom, dessen Decke von gigantischen Stalagmiten aus Eis wie von bizarren Stützpfeilern getragen wurde. Trotzdem herrschte eine bedrückende Enge. An die dreißig Männer drängten sich auf dem schimmernden Eis, errichteten provisorische Lagerstellen oder waren damit beschäftigt, in dem Durcheinander von Fässern, Kisten und Bündeln wenigstens den Anschein von Ordnung zu schaffen. Und fast die gleiche Anzahl von Männern war noch draußen auf dem Schiff. Es würde sehr eng werden, wenn sie die gesamte Mannschaft hierher evakuieren mußten. Obwohl die Höhle groß war, drängten sich die Männer auf einem relativ kleinen Teil des Innenraumes zusammen; wie eine Herde verängstigter Tiere, die sich schutzsuchend aneinanderschmiegte.

Er entdeckte Dels hochgewachsene, in schwarzes Horn gepanzerte Gestalt im Hintergrund der Höhle, löste sich mit einem Stirnrunzeln von seinem Platz und ging auf ihn zu, so rasch es das Gedränge zuließ. »Was tust du hier oben?« begann er übergangslos. »Ich dachte, du wärest noch unten auf dem Schiff.«

Del sah von dem Bündel auf, mit dem er beschäftigt gewesen war, schüttelte den Kopf und grinste. »Wie du siehst, bin ich es nicht mehr.«

Skar setzte zu einer wütenden Antwort an, riß sich aber im letzten Moment zusammen und schluckte seinen Ärger hinunter. Er war gereizt, und es hatte wenig Sinn, wenn er sich jetzt zu allem Überfluß auch noch mit Del stritt.

»Vela?«

Del deutete mit einer Kopfbewegung auf eine zusammengekauerte, in graues Tuch gekleidete Gestalt ein Stück hinter sich und stand auf. Sein Gesicht wurde übergangslos ernst. »Ich hatte meine Gründe, schon jetzt hier heraufzukommen, Skar«, sagte er. »Und es ist gut, daß du da bist. Ich hätte dich so oder so rufen lassen. Ich muß mit dir reden.«

Skar deutete auf die Errish. Sie schien zu schlafen. Ihre linke Hand lag in einer unbewußten beschützenden Geste auf ihrem Leib, die andere hatte sich in einen Zipfel ihres Gewandes gekrallt. Ihre Lippen bebten. Wenn sie schlief, dann war es kein guter Schlaf. »Ihretwegen?« Del nickte. »Auch. Du weißt, daß Gowenna ihr etwas ins Essen mischt.«

Skar nickte. Es war kein Geheimnis - die Ehrwürdige Mutter von Elay selbst hatte Gowenna den Beutel mit dem weißen Pulver gegeben, das sie ihr unter die Mahlzeiten mischte; eine Droge, die sie ruhig und ungefährlich halten würde, bis sie am Ziel ihrer Reise angekommen waren. »Und?«

»Du solltest es ihr verbieten«, sagte Del. »Sag ihr, daß sie damit aufhören soll.«

»Ich kann ihr nichts verbieten«, sagte Skar mit einem entschiedenen Kopfschütteln, »das weißt du. Vela ist ihre Gefangene. Wir sind nur als bessere Leibwächter hier.«

Del stieß ein ungeduldiges Knurren aus. »Unsinn«, sagte er. »Rayan hat dir das Kommando über Schiff und Mannschaft gegeben. Wenn du es ihr befiehlst, dann muß sie gehorchen.«

»Vielleicht«, sagte Skar. »Vielleicht würde sie es tun, wenn ich es befehlen würde. Aber warum?«

»Warum?« Del schürzte wütend die Lippen. »Sieh sie dir doch an, Skar. Niemand hat eine solche Behandlung verdient.«

»Sie -«

»Ich weiß, was sie getan hat«, fiel ihm Del wütend ins Wort. »Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Kein Mensch sollte so behandelt werden, wie Gowenna es mit ihr tut, ganz gleich, was er verbrochen hat. Ich habe nichts gegen Bestrafung, aber das ist Quälerei. Es ist unwürdig.«

Skar sah alarmiert auf. In Dels Stimme war plötzlich ein neuer, fremder Klang, etwas, das ihn gleichermaßen erschreckte wie überraschte. War es wirklich nur normales menschliches Mitgefühl, was er in Dels Stimme hörte? dachte er erschrocken. Oder war es mehr? Ließ der Zauber der Sumpfleute nach?

»Und ich glaube, es schadet dem Kind«, fügte Del nach sekundenlangem Schweigen hinzu.

Skar ging wortlos an dem jungen Satai vorbei, kniete neben Vela nieder und blickte ihr ins Gesicht. Sie schlief nicht, das sah er jetzt, sondern war bei Bewußtsein - oder das, was in ihrem Zustand dem des Wachseins nahe kommen mochte. Trotz der Kälte war ihre Stirn mit einem Netz feiner, glitzernder Schweißperlen bedeckt. Zögernd streckte er die Hand aus und berührte ihre Wange. Ihre Haut fühlte sich trocken und fiebrig an.

Vela zuckte unter seiner Berührung zusammen und öffnete die Augen. Aber ihr Blick war leer; die Pupillen verschleiert und matt, beinahe gebrochen, als blicke er in die Augen einer Toten. Skar erschrak. »Du hast recht«, murmelte er. »Ich werde ihr sagen, daß sie die Droge wegläßt.«

Del schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht allein«, sagte er. »Sieh sie dir doch an, Skar. Sie braucht einen Arzt. Haben wir einen Heilkundigen an Bord?«

Skar lächelte humorlos. »Ja«, sagte er. »Gowenna. Und sie selbst.« Del ließ sich neben ihm in die Hocke sinken, legte die Hand unter Velas Kinn und hob ihren Kopf an. Ihre Lippen zuckten stärker, aber sie gab keinen Laut von sich. Ein rascher, krampfartiger Schauer lief durch ihren Körper. »Sie wird das Kind verlieren, wenn wir hier nicht schnellstens wegkommen«, murmelte er.

Vielleicht wäre es das beste so, dachte Skar. Aber laut sagte er nur: »Ich weiß.«

Zwischen Dels Brauen entstand eine tiefe Falte. »Ich weiß?« wiederholte er. »Und das ist alles?«