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Helth' Augen brannten. Weder Skar noch Gowenna hatten viel von ihrer Begegnung mit den ersten beiden Eiskriegern erzählt; gerade, daß sie berichteten, wie sie auf sie gestoßen waren, und daß sie sie getötet hatten, aber das schien auch nicht nötig. Skar konnte den Haß, der in dem jungen Vede brannte, beinahe riechen.

Er versuchte sich in seine Lage zu versetzen, aber es gelang ihm - wenn überhaupt - nur sehr unvollständig. Für Helth waren die beiden Krieger dort unten die Mörder seines Vaters. Seines Vaters, seines Bruders, seiner Mutter und letztlich auch seines Schiffes. Vielleicht seine eigenen Mörder.

Skar fragte sich, ob es nicht doch besser gewesen wäre, Helth zurückzulassen. Er war nicht mit dem Vorsatz hergekommen zu kämpfen, sondern vielmehr, die Eiskrieger zu beobachten. Eine Falle verlor viel von ihrer Gefährlichkeit, wenn man ihre Beschaffenheit erkannt hatte, und manchmal kehrte sie sich auch ins Gegenteil, so daß sich der, der sie aufgestellt hatte, darin fing. Aber Helth würde die erste Gelegenheit nutzen, sich auf seine Gegner zu stürzen und das zu vollziehen, was er vielleicht für Rache hielt.

Ein leises Geräusch drang in seine Gedanken: ein Klirren, als schlüge Stahl oder Glas gegen Fels. Vorsichtig erhob er sich auf die Zehenspitzen, balancierte sein Körpergewicht aus und griff nach seiner Waffe.

Das Geräusch wiederholte sich, ein wenig lauter, aber kaum näher und noch immer dicht an der Grenze des überhaupt Hörbaren. »Del?« fragte Helth leise.

Skar schüttelte stumm den Kopf. Der Laut schien von irgendwo jenseits der Berge zu kommen, aber es war schwer, in dieser bizarren Umgebung die Herkunft eines Geräusches wirklich zu bestimmen. Er sah auf und blinzelte zu den eisgekrönten Graten über ihren Köpfen empor. Für einen Moment glaubte er, einen schwachen rötlichen Lichtschein zu sehen.

»Ich sehe nach«, flüsterte Helth. Skar fuhr herum und wollte nach seinem Arm greifen, aber Helth war schneller. Mit einer geschmeidigen Bewegung sprang er auf, fuhr geduckt herum und verschwand nahezu lautlos in der Dunkelheit.

Skar schluckte im letzten Moment einen Fluch hinunter. Er hätte diesen verdammten Narren nicht mitnehmen dürfen! Del hatte recht gehabt - Helth würde sie mit seiner Unbeherrschtheit alle in Gefahr bringen.

Er richtete sich ein wenig weiter auf, gerade weit genug, um von den beiden Wesen, die sie belauerten, nicht gesehen werden zu können, ballte in stummem Zorn die Fäuste und starrte in die Richtung, in der Helth verschwunden war. Die Dunkelheit schien sich vor ihm zusammenzuballen; wie oft, wenn man sich zu sehr zu konzentrieren versuchte, sah er weniger als zuvor.

Aber es vergingen nur ein paar kurze Augenblicke, bis der Vede zurückkam. Sein Atem ging schnell. »Es ist niemand zu sehen«, flüsterte er. »Aber ich spüre, daß hier etwas nicht stimmt. Laß uns zurück zur Höhle gehen. Das ist eine Falle. Eine verdammte Falle, Skar!« Skar gebot ihm mit einer hastigen Geste zu schweigen und konzentrierte sich ganz auf die gedämpften Laute, die der Wind mit sich trug. »Das müssen die beiden anderen sein«, flüsterte Helth. Seine Stimme bebte vor Erregung. »Du hattest recht, Skar.«

»Halt endlich den Mund!« schnappte Skar. »Und wenn du das nächste Mal auf eigene Faust losläufst, sieh dich wenigstens richtig um, du Narr.« Er richtete sich ganz auf, wobei er allerdings darauf achtete, weiter im Schatten der überhängenden Felsen zu bleiben, unterstrich seine Worte noch einmal mit einer befehlenden Geste und versuchte, die dunkle Wand vor sich mit Blicken zu durchdringen. Das Gelände bot nicht viel Deckung. Zur Rechten waren die Berge, aber vor ihnen stellte der flache Trichter, in dem die beiden Eiskrieger warteten, das einzige Versteck dar, in dem auch nur ein Hund Platz gefunden hätte.

Er sah sich um, blickte nach oben, dann zurück nach Süden, zur Küste, die jetzt unsichtbar unter dem Mantel der Nacht verborgen lag. Für einen winzigen Moment glaubte er, etwas Gewaltiges, Körperloses und Finsteres zu sehen, das über das Eis auf sie zukroch.

»Skar!« Helth' Stimme war nicht viel mehr als ein heiseres Flüstern, als er ihn beim Arm ergriff und nach unten deutete. Die beiden Eiskrieger bewegten sich; langsam, beinahe träge, aber doch mit unglaublicher Kraft. Helth zitterte. Seine Hand krampfte sich so fest um den Griff seiner Waffe, daß seine Knöchel hörbar knackten. Noch einmal und mit fast schmerzhafter Deutlichkeit kam Skar wieder zu Bewußtsein, daß Helth ein Vede war. Ein Narr und ein halbes Kind zwar, aber trotzdem ein Angehöriger einer Kaste, deren Lebensinhalt der Kampf war, die von Kindesbeinen an in allen nur denkbaren Techniken und an allen bekannten Waffen ausgebildet wurden. Er hatte es fast vergessen. »Ruhig«, mahnte er. »Warte, bis Del und Gowenna soweit sind.« Helth nickte. Die Bewegung wirkte nervös, abgehackt. Wie Skar mußte er instinktiv erkannt haben, wie gefährlich die Gegner waren, denen sie gegenüberstanden.

Skar schob sich noch ein Stück weiter vor und starrte angestrengt zu den beiden Dronte-Kriegern hinab. Das Licht reichte nicht aus, Einzelheiten zu erkennen, aber er sah doch mehr als von seinem Beobachtungsposten unter dem Felsüberhang aus. Sie unterschieden sich von den beiden, auf die Gowenna und er getroffen waren. Ihre Bewegungen waren flüssiger, noch immer ruckhaft und alles andere als menschlich, aber trotzdem schneller und auf schwer zu beschreibende Art eleganter, und die Kraft, die hinter ihnen lauerte, war beinahe sichtbar. Skar strengte sich verzweifelt an, mehr Einzelheiten zu erkennen, aber die Entfernung war zu groß und die Nacht zu dunkel. Trotzdem glaubte er, noch einen weiteren Unterschied zu sehen. Die Gesichter dieser beiden Eiskrieger waren nicht flach und konturlos wie die der ersten zwei. Menschliche Züge waren darauf zu erkennen, grob und nur angedeutet, aber unübersehbar.

Er lernt, dachte er schaudernd. Er lernt schnell. Es wird nicht mehr lange dauern, und er schickt uns Menschen entgegen, perfekte Kopien.

Aber Kopien wovon?

Skar kam nicht dazu, den Gedanken weiter zu verfolgen. Wieder ertönte vom gegenüberliegenden Rand des Kraters ein Geräusch, aber diesmal war es anders; ein Laut, den Skar nur zu gut kannte. Das dumpfe Geräusch, mit dem ein menschlicher Körper gegen Stein und Eis prallt. Ein gurgelnder, halb erstickter Schrei erklang, seltsam gedämpft und flach, wie durch einen Vorhang hindurch, und ein geduckter Schatten erschien am gegenüberliegenden Rand des Trichters, wankte, stand einen Moment reglos und in unmöglichem Winkel still und fiel schließlich wie ein Stein in die Tiefe.

»Del!«

Helth reagierte um eine Winzigkeit rascher als er. Mit einer einzigen blitzschnellen Bewegung sprang der Vede auf die Füße, raffte Schild und Schwert auf, sprang an den Kraterrand und federte mit einem gewaltigen Satz hinab. Sein Schwert blitzte in der Dunkelheit wie der Stachel eines bizarren tödlichen Metallinsektes.

Skar sprang eine halbe Sekunde nach ihm. Helth war auf dem vereisten Boden gestrauchelt, hatte den Schwung seines Sprunges aber geschickt genutzt, um mit einem raschen Schritt die Balance wiederzufinden und gleichzeitig auf die beiden Eiskrieger einzudringen. Skar hatte weniger Glück; wie Helth verlor er auf dem spiegelglatten Boden den Halt, kippte zur Seite und schlug schmerzhaft auf die Schulter. Die Zeit schien stehenzubleiben. Wie oft in Momenten der Gefahr sah er alles überdeutlich, die Welt schien um ihn herum erstarrt, die Bewegungen des Veden und der beiden eisigen Giganten wirkten langsam und träge, als müßten sie gegen einen unsichtbaren Widerstand ankämpfen. Del lag reglos am Fuße der Wand, die Glieder verrenkt, das Haar wirr im Gesicht. Seine Augen waren halb geöffnet, aber er war trotzdem ohne Bewußtsein; vielleicht sogar tot. Einer der beiden Eiskrieger hatte sich halbwegs zu Skar herumgedreht; sein Oberkörper war in einer grotesken, halb erstarrten Verbeugung vorgeneigt, die schrecklichen Eiskrallen weit geöffnet, wie ein Raubvogel, der mit gespreizten Fängen auf seine Beute herabstößt. Der zweite stand zwischen ihm und Helth, das Schwert in der einen und einen gewaltigen dreieckigen Schild in der anderen Hand. Skar sah jetzt deutlich, wie sich die Wesen verändert hatten - sie wirkten noch immer roh und ungeschlacht, aber ihre Konturen waren glatter, menschlicher. Sie hatten keine Augen, sondern nur einen gekrümmten, fingerbreiten Schlitz in der oberen Hälfte des bizarren Visiers, das sie anstelle eines Gesichtes trugen, Nase und Mund waren angedeutet, ihre Form begonnen, aber noch nicht zu Ende geführt, und die Hände hatten nur drei Finger, dafür aber zwei Daumen, als hätte ihr Schöpfer versucht, seine Kreaturen nicht nur ihren Vorbildern anzupassen, sondern sie zu verbessern.