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»Ich werde sie tragen«, erklärte Del.

Skar runzelte die Stirn. Er wußte, wie unglaublich stark Del war, aber sie hatten Strapazen hinter - und vielleicht noch vor - sich, die jeder Beschreibung spotteten. »Bist du sicher, daß du es schaffst?« fragte er. »Die Männer werden dir nicht helfen können. Und ich auch nicht«, fügte er nach einer merklichen Pause hinzu.

Del nickte. »Ich weiß«, sagte er gleichmütig. »Aber es geht schon. Sie ist nicht viel schwerer als Vela.«

»Das ist nicht nötig, Del. Ich kann gehen.«

Skar drehte sich überrascht um. Del hatte leise gesprochen, und nach dem leeren Blick ihrer Augen hatte er nicht geglaubt, daß Gowenna wirklich etwas von ihrer Umgebung wahrnahm. Aber sie war wach, und der Schmerz in ihrem Blick war nicht von der Art, wie man ihm im Schlaf oder im Koma begegnet. Zögernd ließ er sich vor ihr in die Hocke nieder, sah ihr einen Moment durchdringend in die Augen und wiegte den Kopf.

»Du bist also wach«, stellte er fest. »Hast du Schmerzen?«

Sie nickte. »Ja. Aber es ist... nicht schlimm.« Ihre Stimme klang brüchig. »Ich werde gehen können. Del wird seine Kraft noch dringend brauchen. Und du auch, Skar.«

Skar wollte sie fragen, wozu, aber er wußte, daß sie ihm nicht antworten würde. Ihre Stimme klang schleppend; es mußte ihr Mühe bereiten, überhaupt zu reden, und er kannte Gowenna gut genug, um zu wissen, daß sie diese offensichtliche Schwäche ausnutzen würde, um nicht auf seine Fragen antworten zu müssen.

»Sie hat recht, Skar«, bestätigte Del leise. »Was mir viel mehr Sorgen bereitet, ist dieser Verrückte dort draußen. Er wird uns auflauern, das ist dir doch klar.«

Skar sah unwillkürlich auf Helth' Lager hinab. Del hatte auch die Sachen des Veden zusammengesucht und zu einem Bündel verschnürt. Die Kleider lagen ein Stück abseits und waren mit Öl getränkt; Del würde sie verbrennen, ehe er die Höhle verließ. Schild, Schwert und Bogen lagen griffbereit daneben. Sie würden mitnehmen, was sie nicht zerstören konnten. - Natürlich. Sie durften es sich nicht leisten, irgend etwas zurückzulassen, was Helth von Nutzen sein konnte.

Irgendwie - so absurd es klang - fühlte sich Skar beinahe erleichtert. Der Vede war sicher ein gefährlicher Gegner, und weder Del noch er rechneten wirklich damit, daß er einfach aufgeben und sich irgendwo draußen in den Schnee legen würde, um zu sterben. Aber er war ein Gegner, den sie fassen konnten. Ein Mensch.

Sie brachen auf. Skar war der erste, der auf Händen und Knien durch den niedrigen Stollen ins Freie kroch; vorsichtig und immer wieder anhaltend, um zu lauschen und das Spiel von Licht und Schatten auf dem Schnee draußen zu beobachten. Er glaubte nicht wirklich daran, daß Helth ihnen unmittelbar dort draußen vor der Höhle auflauern würde; er mußte damit rechnen, daß zumindest einer von ihnen den Berg durch die rückwärtige Öffnung verließ und ihm in den Rücken fiel. Aber Helth war verrückt und somit unberechenbar.

Der Sturm empfing ihn mit triumphierendem Gebrüll, als er aus dem Berg kroch und sich aufrichtete, die rechte Hand am Schwert. Obwohl es mittlerweile heller Tag war, herrschte hier, zwischen den lotrecht aufragenden Wänden der Schlucht, noch immer unsicheres Dämmerlicht. Ihr jenseitiges Ende erschien ihm wesentlich weiter entfernt als zuvor, und für die Dauer eines Atemzuges hatte er die bedrückende Vorstellung, die Wände könnten wie die Kiefer eines gigantischen steinernen Ungeheuers zusammenklappen und ihn und alle anderen einfach zerquetschen.

Er kämpfte den Gedanken nieder und trat hastig beiseite, um den Ausgang freizugeben. Die Männer schlüpften einer nach dem anderen ins Freie; Del, der das Kunststück fertigbrachte, Gowenna zu stützen, ohne sie dabei wie einen leblosen Sack über den felsigen Boden zerren zu müssen, als letzter. Skar half ihm, aufzustehen und Gowenna auf die Füße zu stellen. Ihr Blick ging durch ihn hindurch ins Leere, so wie zuvor, und als Skar die Hand über ihr Gesicht hob und vor ihren Augen hin und her bewegte, reagierte sie erst nach Sekunden und sehr langsam. Del hatte recht, überlegte Skar bedrückt. Es konnte nicht der Hieb allein sein, der für ihren Zustand verantwortlich war.

Obwohl sie sich beeilten, verging noch fast eine halbe Stunde, ehe die Schlucht wirklich hinter ihnen lag. Wie am Tage zuvor gingen sie im Gänsemarsch, aber dichter aufgeschlossen, ein Mann im Windschatten des vorderen. Es nutzte nicht viel, weder gegen die Kälte noch gegen den Wind, aber vielleicht half den Männern wenigstens die Nähe der anderen.

Zwei Stunden marschierten sie nach Westen, ehe Skar eine Möglichkeit fand, die Felsenkette zu überschreiten. Er hatte absichtlich darauf verzichtet, die Männer die Höhle durch den rückwärtigen Ausgang verlassen zu lassen. Die Eisstufen waren vor seinen Augen zerfallen; es wäre zu gefährlich gewesen, sie an der lotrechten Felswand abzuseilen. Aber je weiter sie nach Westen vordrangen, desto mehr Zweifel überkamen ihn, ob es wirklich richtig gewesen war, auf eine andere Möglichkeit zu warten. Gestern abend, im letzten Licht des Tages, hatten die Felsen grau und zerrissen ausgesehen, die Dämmerung hatte ihre Konturen verwischt und ihn wenig mehr als Schatten erkennen lassen. Jetzt sah er, daß sie noch wilder und unübersteigbarer waren, als er befürchtet hatte. Die Felsen stiegen die letzten zwanzig, fünfundzwanzig Fuß nahezu senkrecht in die Höhe, und das Eis überzog jeden Vorsprung, jede Kante und jeden Riß, in denen ihre Hände und Füße hätten Halt finden können, mit einem milchigen, spiegelglatten Panzer. Sie mußten sich annähernd fünf Meilen am Fuße der Felskette nach Westen weiterquälen, ehe sie endlich eine Möglichkeit fanden, sie zu übersteigen.

Es war Del, der die V-förmige Spalte in der grauen Wand entdeckte. Er sagte kein Wort, sondern deutete nur mit einer stummen Kopfbewegung nach vorne. Obwohl er Gowenna die ganze Zeit gestützt hatte, ohne ein einziges Mal stehen zu bleiben oder auch nur ihr Gewicht zu verlagern, hatte er beinahe mühelos mit Skar Schritt gehalten, und der Ausdruck der Erschöpfung auf seinen Zügen war dem einer grimmigen Entschlossenheit gewichen. Skar ließ sich davon nicht täuschen : Er kannte Del gut genug, um zu wissen, daß auch er jetzt an den Grenzen seiner Kräfte angelangt war.

»Laß die Männer für einen Moment rasten«, sagte er. Del sah überrascht auf, und Skar fügte hastig hinzu: »Nur einen Moment, nicht länger. Es ist besser, wenn wir allein vorausgehen. Es wäre nicht sehr sinnvoll, dort hinaufzuklettern, nur um vor einem Abgrund zu stehen, nicht?«

»Warte einen Moment.« Del sah sich suchend um, erblickte eine halbwegs windgeschützte Stelle zwischen den Felsen und wollte Gowenna dorthin führen, aber Skar hielt ihn mit einer raschen Bewegung zurück.

»Nein«, sagte er. »Sie kommt mit.«

Del schien für einen Moment sprachlos vor Verblüffung zu sein. Sein Blick bohrte sich in den Skars, huschte dann die steil ansteigende, vereiste Schneefläche vor der Bresche hinauf und richtete sich wieder auf Skar. »Bist du verrückt geworden? Sie -«

»Ich habe meine Gründe.« Skar schnitt ihm wütend das Wort ab und faßte nach Gowennas Oberarm. Sie strauchelte unter dem groben Zugriff, mit dem er sie zu sich heranzog und herumdrehte, protestierte aber mit keinem Laut. Del preßte verärgert die Lippen zusammen. »Wie du meinst«, entgegnete er zornig. »Von mir aus kannst du sie hinauftragen, wenn es dir Spaß macht.« Er fuhr herum, ließ Skar ohne ein weiteres Wort stehen und eilte voraus, hielt jedoch nach ein paar Schritten wieder inne und blickte ihn mit einer Mischung aus Ärger und Ungeduld über die Schulter an.