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»Aber das ist doch geradezu hirnrissig!« warf Del ein. »Bei allen Göttern, Gowenna - wenn du all das gewußt hast, was hattest du dann vor? Warum hast du uns durch diese Hölle marschieren lassen? Um uns das da. zu zeigen?«

Gowenna blickte traurig hinunter auf die glitzernden Ruinen von Cor-ty-cor, auf die Dels ausgestreckter Arm wies. »Nein«, sagte sie. »Aber was sollten wir denn tun? Auf dem Wrack der SHAROKAAN bleiben und warten, bis einer nach dem anderen gestorben wäre?«

»Und was willst du hier tun?«

»Ich weiß es nicht. Ich... ich hatte gehofft, den Hafen zu finden, von dem die alten Lieder berichten. Cor-ty-cor liegt am Meer, und in einem Hafen gibt es Schiffe.«

»Schiffe!« keuchte Del. »Eine ganze Flotte kleiner Dronte-Kinder, wie? Und du hättest eines von ihnen an die Leine genommen, und -«

»Del, bitte.« Skar seufzte hörbar. Gowenna hatte recht - wo es einen Hafen gab, konnte es Schiffe geben, und sie waren verzweifelt genug, um nach einem Strohhalm greifen zu müssen. Draußen am See wäre ihnen der Tod gewiß gewesen.

»Außerdem sehe ich keinen Hafen«, murrte Del.

»Er ist da, und es ist nicht einmal mehr sehr weit«, antwortete Gowenna ruhig. »Er liegt unter der Erde, Del, so wie fast alles, was die Sternengeborenen erbaut haben. Wir könnten ihn in wenigen Stunden erreichen.«

Del zog eine Grimasse. »Aber das wäre zu einfach, wie?«

»Wir müssen Vela finden. Es kann sein, daß es nichts mehr gibt, wohin wir uns wenden könnten, wenn wir ein Schiff nehmen und davonsegeln würden.« Sie sprach ernst, und diesmal schien selbst Del zu spüren, daß sie von ihren Worten überzeugt war. Er erwiderte nichts mehr. »Wieviel Zeit ist noch«, fragte Skar, »bis das Kind geboren wird?«

»Ein paar Wochen - unter normalen Umständen. Aber ich fürchte, es wird eher kommen.«

»Und selbst wenn nicht, könnten wir keine paar Wochen nach ihr suchen«, murmelte Del. Er sah wieder auf die schimmernde Stadt aus Eis herab und ballte in ohnmächtigem Zorn die Fäuste. »Da unten kann sich eine Armee verstecken - und du willst einen einzelnen Menschen finden?« Er lachte böse. »Die Männer werden nicht mehr aufstehen, wenn sie sich noch einmal zum Schlafen niederlegen. Das heißt, wir müssen sie heute finden. In wenigen Stunden, Gowenna. Und du weißt, daß das unmöglich ist.«

»Ich werde wissen, wenn wir uns ihr nähern«, behauptete Gowenna. »Und Skar auch.«

Del sah überrascht auf. »Du -«

»Nicht Vela - aber dem Kind.« Gowennas Stimme hatte plötzlich etwas Beschwörendes, aber als er sie ansah, war in ihrem Gesicht nur Müdigkeit, und er begriff, daß er selbst es war, die Furcht in ihm, die ihren Worten den Klang eines unseligen bösen Omens verlieh. »Ist das wahr?« fragte Del.

Skar lächelte und widerstand im letzten Moment der Versuchung, sich umzudrehen, damit Del die Unsicherheit auf seinen Zügen nicht mehr sehen konnte. »Natürlich«, sagte er in übertrieben erheitertem Tonfall. »Hast du noch nie etwas von Vatergefühlen gehört?«

Del blieb ernst. »Doch«, sagte er. »das habe ich. Aber ich habe allmählich die Nase voll davon, auf klare Fragen nur Rätsel zur Antwort zu bekommen, Skar.« Er schwieg einen Moment, trat dann zwischen sie, als wäre er in der Arena und darum bemüht, den Blickkontakt zwischen zwei Kämpfern zu unterbrechen, und starrte Skar an. »Auf welcher Seite stehst du eigentlich?«

Skar drehte sich um. Er konnte spüren, daß die Kluft zwischen ihnen wieder da war, tiefer und unüberbrückbarer als zuvor. Sie war niemals geschlossen gewesen. Die scheinbare Gefahr hatte sie für ein paar kurze flüchtige Momente zusammengeschweißt, aber es war nichts als Gewohnheit gewesen, vielleicht nicht einmal mehr als ein Reflex. Del war und blieb der Fremde, den er seit dem ersten Tag ihrer Reise in ihm gesehen hatte. Mit einem Male ertrug er es nicht einmal mehr, ihm in die Augen zu sehen. »Ich wollte, ich wüßte es«, flüsterte er. »Auch eine Art, nicht zu antworten«, bemerkte Del böse. Aber der Zornesausbruch, mit dem Skar gerechnet hatte, blieb aus. Vielleicht hatte auch er nicht mehr die Kraft dazu.

»Wir müssen weiter«, entschied Skar. Angesichts der gewaltigen weißen Einöde unter ihm kamen ihm seine eigenen Worte beinahe wie böser Hohn vor. »Wie weit ist es bis zu diesem Hafen, Gowenna?«

»Fünf Meilen, vielleicht sechs.« Gowenna hob die Hand und wies nach Nordwesten. Skar versuchte, in der angegebenen Richtung etwas zu erkennen, aber obwohl die Luft über dem weißen Labyrinth klar wie Kristall war, vermochte er nicht weiter als zwei, allerhöchstens drei Meilen zu sehen. Alles, was dahinter lag, verschmolz mit den bizarren Formen Cor-ty-cors. Es war ein Anblick, der durchaus geeignet war, den Geist eines Menschen zu verwirren, sah man zu lange hin.

»Du erwartest doch nicht im Ernst, daß ich auch nur einen Fuß in dieses... dieses Ding setze«, fuhr Del auf. »Eine perfektere Falle ist mir noch nie begegnet. Helth kann uns da unten einen nach dem anderen erledigen, ganz wie es ihm gefällt.«

Skar schüttelte heftig den Kopf. »Glaubst du ernstlich, daß er allein und praktisch ohne Waffen in dieser Hölle überleben und einen Privatkrieg gegen uns führen kann?« fragte er. »Das ist doch lächerlich. Vermutlich ist er längst tot. Und wenn nicht, wird er in wenigen Stunden sterben.« Er deutete nach Süden. Der Himmel über dem Meer hatte sich schwefelgelb gefärbt. Das Meer war in grauem Dunst versunken, Horizont und Himmel miteinander verschmolzen. Die Luft roch durchdringend nach Schnee. »Ich fürchte, wir werden dort unten Unterschlupf suchen müssen, ob wir wollen oder nicht. Dort hinten zieht ein mächtiger Sturm auf.«

»Wie praktisch.« Del ballte die Faust und stieß die Luft durch die Nase aus. »Und genau im richtigen Moment, nicht wahr?«

»Jetzt werde bitte nicht albern«, versetzte Skar grob. »Für den Sturm können weder Gowenna noch Helth. Vielleicht hilft er uns sogar. Wir werden irgendwo Deckung finden, aber mit etwas Glück schafft er uns diesen Verrückten vom Hals.«

»Und wenn Vela nicht dort ist?« versteifte sich Del. »Sieh dir diesen Irrgarten doch an! Wer sagt dir, daß wir sie finden, wenn wir den Hafen erreichen - vorausgesetzt, er existiert überhaupt?«

»Er existiert«, behauptete Gowenna rasch. »Und wir werden sie dort treffen, Del. Sie ist so wie wir darauf angewiesen, Cor-ty-cor zu verlassen, wenn sie überleben will. Sie und das Kind.«

Skar wußte genau, daß Gowennas Worte nichts als ein verzweifelter Versuch waren, sich selbst zu belügen - und vielleicht Del zu beschwichtigen. Velas Leben spielte längst keine Rolle mehr, so wenig wie das des Kindes. Es genügte, wenn es geboren wurde und das Erbe, das es trug, denen übergab, die darauf warteten. Aber Del widersprach diesmal nicht mehr, und auch Skar schwieg.

»Hol die Männer herauf«, sagte er nach einer Weile. »Wir müssen eine passende Deckung finden, ehe der Sturm losbricht.«

Del grunzte irgend etwas, das er nicht verstand, fuhr auf dem Absatz herum und begann den Hang hinabzulaufen. Eis und Schnee behinderten ihn, noch mehr als während des Aufstieges, aber er war wütend genug, beides zu ignorieren und stürmte mit weit ausgreifenden Schritten zu den wartenden Freiseglern hinunter. Prompt kam er in dem lockeren Pulverschnee ins Rutschen, schlug lang hin und schlitterte ein gehöriges Stück talwärts, ehe er Halt fand und wieder auf die Füße kam.

Skar wartete, bis er ganz sicher war, daß sich Del außer Hörweite befand, ehe er sich wieder zu Gowenna umdrehte. »Du weißt, daß ich ihn belogen habe, nicht?« fragte er.

»Hast du das?« Gowenna wich seinem Blick aus.