Выбрать главу

Die Leine, die das Fischboot mit dem zurückbleibenden Spier verband, rollte beim Zurücksetzen ab. Sobald sie ganz abgerollt war, wurde dadurch der Zünder des Spierentorpedos betätigt.

Eine Hundertzwanzig-Pfund-Schwarzpulverladung am Spier zerfetzte den Leib der ALBANY In der stählernen Zigarre brach Jubel aus. Erleichterung und Freude zeichneten die Gesichter der Männer.

Auch Devane fühlte, wie die Anspannung von ihm abfiel, als er den Befehl zum Auftauchen gab.

Die Handpumpen drückten das Wasser aus den Ballasttanks, und die GREY SHARK durchbrach die Wasseroberfläche.

Devane öffnete die vordere Luke und zwängte seinen Oberkörper hindurch.

Die Sonne versank gerade im Pazifik, aber der Himmel war hell erleuchtet. Was einmal ein stolzer Segler gewesen war, war jetzt nur noch ein Trümmerhaufen, der unablässig von weiteren Explosionen erschüttert wurde.

»Das ist die Fracht, die Geschützmunition«, rief der Kommandant den Männern unten zu. »Sie reißt die ALBANY in tausend Stücke!«

Die flammendrote Helligkeit des Himmels wurde plötzlich von einem leuchtend grünen Mantel überlagert, als eine Vielzahl von Signalraketen mit pfeifendem Geheul nach allen Seiten losjagte. Es wirkte wie ein, unverschämt farbenfrohes Leichentuch, das sich über das sterbende Schiff ausbreitete.

Alva Devane zog nachdenklich die Stirn in Falten und beobachtete das seltsame Schauspiel.

*

An Bord der LUCIFER.

»Das grüne Leuchten!« schrie der muskulöse Neger, der auf der Bramsaling des Großmastes kauerte. »Es ist an Backbord. Das grüne Leuchten an Backbord!«

Der tiefschwarze Seemann brüllte es aus Leibeskräften, damit es auch ja gehört wurde. Es ging um zwanzig Golddollar.

Kapitän Raven hatte seinen Männern eingeschärft, auf grünes Signalfeuer zu achten. Dort, wo das grüne Leuchten war, würde sich auch das stählerne Monster aufhalten.

Die Männer auf Deck stürzten zur Backbord-Reling und blickten in die bezeichnete Richtung. Es war nur schwer zu erkennen. Hätte die Sonne noch hoch am Himmel gestanden, wäre der grünliche Schimmer wohl gar nicht aufgefallen. Aber gegen den tiefblauen Dämmerhimmel zeichnete er sich ab.

Es war einer der wenigen Momente, in denen John Raven die äußere Erregung zeigte, die seinem innerlich aufgewühlten Zustand entsprach.

»Mr. Stanford, das Fernrohr!« zischte er ungeduldig und verformte seine Rechte zu einer fordernden Klaue.

Hastig legte der Erste Steuermann das Rohr in die Hand des Kapitäns.

Raven drückte es gegen sein einziges Auge, spähte nach Backbord und stieß erregt hervor: »Ja, beim Satan, es ist das Signal! Gut, daß wir vom vereinbarten Kurs abgewichen sind und näher an der Küste kreuzen. Sonst hätten wir es nicht bemerkt.«

Er wandte sich an Frenchy, der das Steuerrad hielt: »Bring die LUCIFER auf den neuen Kurs, Rudergänger!«

»Auf welchen?« fragte der Steuermannsmaat, dessen Gehirn weit hinter der Größe seines kugelförmigen Bauches zurückblieb.

Raven stieß das schmale Ende des Fernrohrs in die Richtung, wo der grüne Schimmer mit dem Blauschwarz des Himmels verschmolz.

»Dorthin natürlich, Mann! Halte voll auf das grüne Licht zu!«

Raven hielt sich wieder an seinen Ersten Steuermann: »Mr. Stanford, rufen Sie die Männer zusammen!« Ein grimmiges Lächeln überzog das Gesicht des Kapitäns, nur vor der entstellten linken Wange machte es Halt. »Alles soll sich bereitmachen zum Fang!«

*

»Alles an Deck! Fertigmachen zum Fang!«

Der Ruf wurde endlos wiederholt und drang bis in den hintersten Winkel des Walfängers.

Auch bis zu Jacob und Elihu Brown, die in ihren Kojen hockten. Beiden Männern ging es wieder einigermaßen. Das Fett, woraus auch immer es bestand, bewirkte wirklich Wunder.

»Sieht so aus, als ginge es los«, seufzte der bärtige Harpunier. »Hätte nicht gedacht, daß Raven so früh erfolgreich ist.«

»Ich habe es ihm und allen anderen an Bord auch nicht gewünscht«, meinte Jacob. »Nenn mich eine Unke, Eli, aber irgendwie glaube ich, Jocks Tod war nur der Anfang.«

Ein Schauer lief über Jacobs Rücken, als er an den Absturz des Seemanns vom Großmasttop dachte. Er sah ihn noch in unnatürlicher Haltung auf dem Dach der Kocherei liegen.

Jeder Knochen in Moulders Körper schien gebrochen gewesen zu sein. So fühlte es sich jedenfalls an, als Jacob und ein paar andere ihn von dem Schutzdach holten, damit er in eine Segeltuchplane eingenäht werden konnte.

Als Kapitän Raven bei der Bestattung die Bibel zitierte, klang das wie Hohn in Jacobs Ohren. Der Mann mit der Augenklappe, der sich selbst zum Gott über das Schiff und die Besatzung aufschwang, redete von der Furchtsamkeit, die jeder Mensch gegenüber dem Schöpfer empfinden sollte!

Dann glitt das Segeltuch mit der Leiche über eine breite Planke ins Meer. Jock Moulder wurde von dem Wasser verschluckt, auf dem er die meiste Zeit seines viel zu kurzen Lebens verbracht hatte.

»Komm schon, Jacob!« Ein kräftiger Schulter schlag des Harpuniers riß den jungen Zimmermann aus den Gedanken. »Wenn wir noch länger herumtrödeln, hat der dreimal verfluchte Stanford wieder 'nen Grund, seine Peitsche auf unseren Rücken tanzen zu lassen.«

Brown hatte recht, sie waren die letzten Männer im Mannschaftslogis. Alle anderen trampelten bereits über die Treppe an Deck. Rasch standen Zimmermann und Harpunier auf, um sich ihnen anzuschließen.

Oben erschollen bereits die Befehle des Kapitäns und seiner Offiziere: »Ladet die Geschütze!«

»Ausrüstung in die Fangboote!«

Noch einmal schlug Elihu Brown seine flache Hand auf Jacobs Schulter.

»Viel Glück, Junge. Und bleib am Leben!«

»Dasselbe wünsche ich dir, Eli. Ich kann schließlich an Bord bleiben.«

»Das muß nicht unbedingt ein Vorteil sein«, orakelte der bärtige Seemann und lief dann zu seinem Fangboot.

Es war ausgerechnet das Boot, das von Cyrus Stanford kommandiert wurde.

Jacob stand ruhig inmitten der Hektik. Noch gab es für ihn nichts zu tun. Als Gehilfe des Schiffszimmermanns kam er erst zum Einsatz, wenn die LUCIFER im Kampf beschädigt werden sollte.

Daß es einen Kampf geben würde, schien sicher. Das grüne Licht, auf das der Walfänger mit vollen Segeln zuhielt, füllte zusehends den Horizont aus.

*

An Bord der GREY SHARK.

Das stählerne Fischboot dümpelte antriebslos am Rand des Trümmerregens im Meer. Gerade außerhalb der Gefahrenzone, wo immer wieder brennende Splitter der von Explosionen erschütterten ALBANY zischend ins Wasser fielen.

Fasziniert und befriedigt verfolgte Lieutenant Alva Devane das infernalische Schauspiel. Er rief immer wieder seinen sich abwechselnd vor das Bullauge drängenden Männern zu, was er sah.

Gewiß, dies war nur ein kleiner Sieg für den Süden. Besser wäre es gewesen, die ALBANY wäre gar nicht erst in die Hände der Yankees gefallen, sondern hätte ihre für die Konföderierten bestimmte Fracht durchgebracht.

Aber vielleicht waren es gerade viele solcher kleinen Siege, die schließlich zum großen Sieg führten. Vielleicht war die Sache des Südens trotz aller Schwarzmalerei noch nicht verloren.

Zwar drangen die Nordstaatler immer tiefer ins Herz der Südstaaten ein.

Zwar erwies sich die Küstenblockade durch die US-Navy als höchst effizient und höhlte die Moral der Menschen im Süden immer stärker aus.

Doch solange es Männer wie ihn und seine Besatzung gab, die alles wagten für die Sache, an die sie glaubten, so lange konnte der Süden nicht untergehen!

Daran glaubte Devane fest.

Daran klammerte er sich.

Plötzlich sah er den hellen Fleck am dunklen Horizont.

Segel!

Sie wuchsen schnell.