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»Der Dorfvorsteher hat mir ein verlassenes Haus am Rande der Wüste zugeteilt; es wird mir als Behandlungsstätte dienen.«

»Und das Wasser?«

»Man wird sobald als möglich einen Kanal verlegen.«

»Eure Unterkunft?«

»Klein, aber sauber und angenehm.«

»Gestern noch Memphis, heute dieser verlorene Ort.«

»Hier habe ich keine Feinde. Dort wartet der Krieg.«

»Neb-Amun wird nicht ewig über das Kollegium der Heilkundigen herrschen.«

»Das Schicksal wird entscheiden.«

»Ihr werdet Euren Rang wiedererlangen.«

»Was schert es? Ich habe ganz vergessen, Euch nach Eurem Schnupfen zu fragen.«

»Der Frühlingswind bekommt mir nicht.«

»Eine neuerliche Ausräucherung ist unerläßlich.« Paser fügte sich darein. Er liebte es, ihr zu lauschen, wie sie den reinigenden Brei zubereitete, mit dem Heilmittel hantierte, dieses auf den Stein strich und dann den Topf mit dem durchlöcherten Boden darübersetzte. Welche Bewegung auch immer sie ausführte, er genoß sie alle.

Des Richters Kammer war von Grund auf durchwühlt worden. Selbst sein Fliegennetz war heruntergerissen, zusammengeknüllt und auf den Dielenboden geworfen, der Reisebeutel ausgeleert, Tafeln und Papyri verstreut, die Matte zertrampelt, Schurz, Obergewand und Überwurf zerschlitzt worden. Paser kniete nieder, um nach einem Hinweis zu suchen. Der Einbrecher hatte keine Spur zurückgelassen.

Der Richter reichte seine Anzeige bei dem fettleibigen Beamten ein, der sich darüber verdutzt und entrüstet gab. »Einen Verdacht?«

»Ich wage nicht, ihn auszusprechen.«

»Ich bitte Euch darum!«

»Man hat mich verfolgt.«

»Habt Ihr Euren Verfolger erkannt?«

»Nein.«

»Könnt Ihr ihn beschreiben?«

»Unmöglich.«

»Bedauerlich. Meine Untersuchung wird nicht einfach sein.«

»Das verstehe ich.«

»Wie alle anderen Vorsteher der Ordnungskräfte des Bezirks habe ich eine Nachricht für Euch erhalten. Euer Gerichts­schreiber sucht Euch überall.«

»Grund?«

»Wurde nicht genannt. Er bittet Euch, schnellstmöglich nach Memphis zurückzukehren. Wann brecht Ihr auf?«

»Nun ja … morgen.«

»Wünscht Ihr einen Geleitschutz?«

»Kem wird mir genügen.«

»Wie Ihr beliebt, aber seid vorsichtig.«

»Wer würde es wagen, sich an einem Richter zu vergreifen?«

Der Nubier hatte sich mit einem Bogen, Pfeilen, einem Schwert, einem Knüttel, einem Speer und einem mit Ochsenleder bezogenen und beschlagenen Holzschild bewaffnet, kurzum, mit der mustergültigen Ausrüstung eines vereidigten Ordnungshüters, der heikle Aufgaben auszuführen für fähig befunden war. Der Babuin begnügte sich wie immer mit seinen Reißzähnen.

»Wer hat diese neue Bewaffnung bezahlt?«

»Die Händler vom Markt. Mein Pavian hat die Mitglieder einer Räuberbande, die mehr als ein Jahr ihr Unwesen trieb, einen nach dem anderen festgenommen. Die Händler legten Wert darauf, mir zu danken.«

»Habt Ihr die Erlaubnis von Seiten der Obrigkeit der thebanischen Ordnungskräfte erhalten?«

»Meine Waffen sind aufgenommen und mit Kennzahlen versehen, ich bin im reinen.«

»Eine Verdrießlichkeit in Memphis, wir müssen heimkehren. Und der fünfte Altgediente?«

»Auf dem Markt hat niemand etwas gehört von ihm. Und Ihr?«

»Nichts.«

»Er ist tot, wie die anderen.«

»Wenn dem so ist, weshalb wurde dann mein Zimmer durchstöbert?«

»Ich weiche keinen Fingerbreit mehr von Eurer Seite.«

»Ihr steht unter meinem Befehl, erinnert Euch.«

»Meine Aufgabe besteht darin, Euch zu beschützen.«

»Wenn ich es für notwendig erachte. Wartet hier auf mich und macht Euch reisefertig.«

»Sagt mir wenigstens, wohin Ihr geht.«

»Ich werde nicht lange fortbleiben.«

Neferet wurde zur Königin eines abgeschiedenen Dorfes des Westufers von Theben. Der ständigen Anwesenheit einer Heilkundigen teilhaftig zu sein, stellte für die kleine Gemeinde ein unschätzbares Geschenk dar. Der freundliche Einfluß der jungen Frau bewirkte Wunder; Kinder und Erwachsene hörten auf ihren Rat und brauchten Krankheit nicht mehr zu fürchten. Neferet bestand auf einer peinlichen Einhaltung der allen bekannten, doch manchmal vernachlässigten Richtlinien der Krankheitsverhütung und Sauberkeit: häufiges Händewaschen, vor jedem Mahle zwingend, tägliches Schwallbad, Waschung der Füße vor Betreten eines Hauses, Reinigung des Mundes und der Zähne, regelmäßiges Scheren der Körper- und Schneiden der Haupthaare, Verwendung von Salben, Mitteln für Schönheit und gegen Körpergeruch auf der Grundlage von Karobe. Bei den Armen wie den Reichen bediente man sich einer Masse aus Sand und Fett; wenn man dieser Natron zufügte, säuberte und läuterte sie die Haut.

Auf Pasers Beharrlichkeit hin hatte Neferet eingewilligt, am Nilufer entlang zu wandeln. »Seid Ihr glücklich?«

»Ich glaube, nützlich zu sein.«

»Ich bewundere Euch.«

»Andere Heilkundige würden Eure Achtung verdienen.«

»Ich muß Theben verlassen. Man ruft mich nach Memphis zurück.«

»Wegen dieser befremdlichen Angelegenheit?«

»Mein Gerichtsschreiber hat sich nicht dazu geäußert.«

»Seid Ihr vorangekommen?«

»Der fünfte Altgediente bleibt unauffindbar. Falls er einer dauerhaften Beschäftigung am Westufer nachgegangen wäre, hätte ich es erfahren. Meine Untersuchung verläuft sich.«

Der Wind wechselte, der Frühling wurde milder, wärmer. Bald würde der Sandwind wehen; für mehrere Tage würde er die Ägypter zwingen, sich in ihren Häusern zu vergraben. Überall erblühte die Natur. »Werdet Ihr wiederkommen?«

»So bald als möglich.«

»Ich spüre, daß Ihr besorgt seid.«

»Man hat meine Kammer durchwühlt.«

»Man wollte Euch sicher einschüchtern.«

»Man hat geglaubt, ich besäße ein wichtiges Schriftstück. Jetzt weiß man, daß es nicht so ist.«

»Geht Ihr nicht zu viele Gefahren ein?«

»Wegen meiner Unfähigkeit begehe ich zu viele Fehler.«

»Seid weniger unerbittlich gegen Euch selbst; Ihr habt Euch nichts vorzuhalten.«

»Ich will das Unrecht bezwingen, das Euch widerfährt.«

»Ihr werdet mich vergessen.«

»Niemals!« Sie lächelte bewegt.

»Unsere jugendlichen Schwüre verflüchtigen sich im leichten Abendwind.«

»Nicht die meinen.«

Paser hielt inne, drehte sich zu ihr und nahm ihre Hände.

»Ich liebe Euch, Neferet. Wenn Ihr wüßtet, wie sehr ich Euch liebe …« Besorgnis verschleierte ihre Augen. »Mein Leben ist hier, Eures in Memphis. Das Schicksal hat so entschieden.«

»Meine Laufbahn ist mir einerlei. Was bedeutet alles übrige, wenn Ihr mich liebt!«

»Seid nicht kindisch.«

»Ihr seid das Glück, Neferet. Ohne Euch hat mein Dasein keinen Sinn.« Sie zog sacht ihre Hände zurück. »Ich muß nachdenken, Paser.« Er hatte das Verlangen, sie in seine Arme zu nehmen, sie so fest an sich zu drücken, daß niemand sie würde trennen können. Doch er durfte diese zarte Hoffnung nicht zerschlagen, die in ihrer Antwort leuchtete.

Der Schattenfresser wohnte Pasers Abreise bei. Dieser verließ Theben, ohne sich mit dem fünften Altgedienten unterhalten zu haben, und nahm kein belastendes Schriftstück mit. Die Durchsuchung seines Zimmers hatte sich als unergiebig erwiesen. Auch er selbst hatte keinen Erfolg gehabt. Magere Ernte: Der fünfte Altgediente hatte sich kurz in einem Marktflecken südlich der großen Stadt aufgehalten, in dem er sich als Wagenschreiner hatte niederlassen wollen. Vom verhängnisvollen Ableben seines Genossen, des Bäckers, in Angst versetzt, war er nun verschwunden.