»Ich liebe Euch mit meinem ganzen Sein, Neferet. Ich möchte Euch heiraten.«
»Ein gemeinsames Leben … sind wir dazu imstande?«
»Ich werde keine andere Frau lieben.«
»Wie könnt Ihr Euch dessen sicher sein? Liebeskummer ist schnell vergessen.«
»Wenn Ihr mich kennen würdet …«
»Ich bin mir der Ernsthaftigkeit Eures Schritts durchaus bewußt.«
»Seid Ihr von einem anderen angetan?«
»Nein.«
»Ich könnte es nicht ertragen.«
»Eifersüchtig?«
»Über alle Maßen.«
»Ihr malt Euch mich als eine vollkommene Frau aus, ohne Makel, mit allen Tugenden geziert.«
»Ihr seid kein Traum.«
»Ihr erträumt mich. Eines Tages werdet Ihr aufwachen, und Ihr werdet enttäuscht sein.«
»Ich sehe Euch leben, ich atme Euren Duft, Ihr seid mir nahe … ist das ein Trugbild?«
»Ich habe Angst. Falls Ihr Euch irrt, falls wir uns irren, wird der Schmerz grauenvoll sein.«
»Niemals werdet Ihr mich enttäuschen.«
»Ich bin keine Göttin. Wenn Euch dies zu Bewußtsein kommen wird, werdet Ihr mich nicht mehr lieben.«
»Mich entmutigen zu wollen, ist sinnlos. Von unserer ersten Begegnung an, von dem Augenblick an, da ich Euch das erste Mal sah, habe ich gewußt, daß Ihr die Sonne meines Lebens seid. Ihr strahlt, Neferet; niemand kann das Licht leugnen, das von Euch ausgeht. Mein Dasein gehört Euch, ob Ihr es nun wollt oder nicht.«
»Ihr versteigt Euch. Ihr müßt Euch an den Gedanken gewöhnen, weit entfernt von mir zu leben; Eure Laufbahn wird sich in Memphis abspielen, die meine in Theben.«
»Was schert schon meine Laufbahn?«
»Werdet Eurer Berufung nicht untreu. Würdet Ihr es dulden, wenn ich der meinen entsagte?«
»Verlangt, und ich gehorche.«
»Das liegt nicht in Eurer Wesensart.«
»Mein einziger Ehrgeiz ist, Euch jeden Tag mehr zu lieben.«
»Seid Ihr nicht unmäßig?«
»Wenn Ihr es ablehnt, meine Gemahlin zu werden, werde ich verschwinden.«
»Mich einer Erpressung zu unterziehen, ist Eurer nicht würdig.«
»Das ist nicht meine Absicht. Willigt Ihr ein, mich zu lieben, Neferet?«
Sie schlug die Augen auf und blickte ihn traurig an. »Euch etwas vorzuspielen, wäre würdelos.« Sie entfernte sich leicht und anmutig. Trotz der Hitze war Paser eisig kalt.
29. Kapitel
Sethi war nicht der Mann, der den Frieden und die Stille der Tempelgärten lange genoß. Die Priesterinnen waren voller Anmut, aber sie kümmerten sich nicht um die Kranken und blieben unerreichbar, er selbst hatte nur Fühlung mit einem barschen Krankenpfleger, der täglich seine Verbände wechselte. Weniger als einen Monat nach dem Eingriff kochte er vor Ungeduld. Als Neferet ihn wieder einmal untersuchte, konnte er nicht mehr stillhalten. »Ich bin wiederhergestellt.«
»Noch nicht ganz, aber Euer Zustand ist bemerkenswert. Keine der Nahtstellen hat nachgegeben, die Wunden sind vernarbt, es ist keine Entzündung aufgetreten.«
»Dann kann ich also gehen!«
»Unter der Bedingung, Euch zu schonen.« Einer unwiderstehlichen Anwandlung folgend, küßte er sie auf beide Wangen.
»Ich verdanke Euch das Leben, und ich bin kein undankbarer Mensch. Wenn Ihr mich ruft, eile ich herbei. Ehrenwort eines Helden!«
»Ihr werdet einen Krug heilenden Wassers mitnehmen und drei Schälchen am Tag davon trinken.«
»Bier ist nicht mehr verboten?«
»Nicht mehr als Wein, in kleinen Mengen.« Sethi streckte die Arme aus und wölbte die Brust. »Wie schön es doch ist, wieder aufzuleben! All diese Stunden des Leidens … Allein die Frauen werden sie auslöschen.«
»Erwägt Ihr denn nicht, eine zu heiraten?«
»Möge die Göttin Hathor mich vor diesem Unheil behüten! Ich, mit einer treuen Gattin und einer Schar von Plärrhälsen, die mir am Schurz hingen? Eine Geliebte, dann eine andere und eine weitere noch, das ist mein wunderbares Geschick. Keine gleicht der anderen, jede besitzt ihre Geheimnisse.«
»Ihr scheint sehr verschieden von Eurem Freund Paser«, bemerkte sie lächelnd.
»Vertraut nicht auf seine zurückhaltende Art: Er ist ein leidenschaftlicher Mensch, mehr als ich vielleicht. Falls er es gewagt hat, Euch anzusprechen …«
»Er hat es gewagt.«
»Tut seine Worte nicht leichtfertig ab.«
»Sie haben mich erschreckt.«
»Paser wird nur ein einziges Mal lieben. Er gehört zu jenen Männern, die sich schier wahnsinnig verlieben und ihren Wahn ein ganzes Leben lang bewahren. Eine Frau versteht sie nur schlecht, da sie sich erst gewöhnen, sich Zeit lassen muß, bevor sie sich verpflichtet. Paser ist ein tosender Sturzbach, kein Strohfeuer; seine Leidenschaft wird nicht nachlassen. Er ist ungeschickt, zu schüchtern oder hastig, von einer unbedingten Aufrichtigkeit. Er hat die Liebschaften und Abenteuer ausgeschlagen, da er nur zu einer großen Liebe fähig ist.«
»Und wenn er sich irrt?«
»Er wird seinem Inbegriff der Vollkommenheit bis zum Ende nachstreben. Hofft nicht auf das geringste Zugeständnis.«
»Laßt Ihr meine Ängste gelten?«
»In der Liebe sind alle verstandesmäßigen Einwände vergeblich. Ich wünsche Euch, glücklich zu werden, welches auch immer Eure Entscheidung sein wird.«
Sethi konnte Paser verstehen. Neferets Schönheit war überwältigend.
Er aß nicht mehr. Den Kopf in trauernder Haltung auf den Knien, saß er am Fuße einer Palme und unterschied nicht mehr den Tag von der Nacht. Selbst die Kinder wollten ihn nicht necken, so sehr glich er einem steinernen Findling. »Paser! Ich bin es, Sethi.« Der Richter zeigte keinerlei Regung. »Du bist davon überzeugt, daß sie dich nicht liebt.«
Sethi lehnte sich neben seinem Freund mit dem Rücken an den Stamm.
»Es wird keine andere Frau mehr geben, das weiß ich auch. Ich werde nicht versuchen, dich zu trösten, dein Unglück zu teilen ist unmöglich. Es bleibt nur noch deine Berufung.« Paser verharrte in Schweigen. »Weder du noch ich können Ascher sich voller Genugtuung an seinem Sieg erfreuen lassen. Falls wir aufgeben, wird das Gericht der Anderen Welt uns zum zweiten Tod verurteilen, und wir werden keine Rechtfertigung für unsere Feigheit haben.« Der Richter blieb reglos.
»Ganz wie du willst, stirb an Erschöpfung, während du an sie denkst. Ich werde mich alleine gegen Ascher schlagen.«
Paser erwachte aus seiner Erstarrung und blickte Sethi an.
»Er wird dich vernichten.«
»Jedem seine Prüfung. Du, du kannst Neferets Gleichgültigkeit nicht ertragen und ich nicht das Gesicht eines Mörders, das mich in meinem Schlaf heimsucht.«
»Ich werde dir helfen.«
Paser versuchte aufzustehen, doch ihm drehte sich alles; Sethi ergriff ihn an den Schultern. »Verzeih mir, aber …«
»Du hast mir häufig empfohlen, keine Worte zu vergeuden. Das wichtigste ist jetzt, dir zu Kräften zu verhelfen.«
Die beiden Männer bestiegen den wie eh und je beladenen Fährkahn. Paser hatte widerwillig ein wenig Brot und Zwiebeln gegessen. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht.
»Betrachte dir den Nil«, riet Sethi. »Er ist die Erhabenheit. Vor ihm sind wir armselig.« Der Richter starrte auf das klare Wasser. »Woran denkst du, Paser?«
»Als ob du das nicht wüßtest …«
»Wie kannst du dir nur so sicher sein, daß Neferet dich nicht liebt? Ich habe mit ihr gesprochen, und …«