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Zur Zeit waren übrigens in den Vereinigten Staaten keine Namen weiter verbreitet oder wurden von Millionen Lippenpaaren öfter wiederholt, als die der Partner und der des phantastischen Mitglieds des Excentric Club. »Field« hieß aber keiner von den »Sieben«. In Calais kümmerte man sich um die beiden Fields also ebensowenig, wie um beliebige andere Fremde. Die in Rede stehenden machten äußerlich keinen besondern Eindruck, und der Gastwirth fragte sich vielleicht heimlich, wie es mit der Bezahlung stehen werde, wenn die Stunde der Abrechnung schlug.

Was wollte das Ehepaar hier in der kleinen, dicht an der Grenze des Staates und auch im äußersten Nordosten der Union gelegenen Stadt? Warum hatten sie die sechshunderteinundsechzigtausend Einwohner des Staates, der die Hälfte des gewöhnlich Neuengland genannten Gebietes einnimmt, um zwei Einheiten vermehrt?

Das Zimmer im ersten Stockwerke, das Herrn und Frau Field im Gasthofe der Sandy Bar zugewiesen worden war, gehörte nicht zu den stattlichsten und bequemsten – ein Bett für zwei Personen, ein Tisch, zwei Stühle und ein Waschtisch bildeten seine ganze Ausstattung. Das Fenster darin lag nach dem Saint-Croixflüße zu, dessen linkes Ufer zu Canada gehört. Ein einziger Koffer, der in der Hausflur stand, war von einem Bahnbediensteten gebracht worden. In einer Ecke standen zwei dicke Regenschirme und lehnte ein alter Reisesack.

Als Herr und Frau Field, nachdem der Gastwirth, der sie nach diesem Zimmer geführt hatte, wieder fortgegangen war, sich allein sahen, schlossen sie die Thür ab, schoben den Riegel vor und legten das Ohr an die Thürfüllung, um zu prüfen, ob sie auch niemand hören könne.

»Endlich, sagte der eine, wären wir ja am Ziele!…

– Ja, antwortete die andere, nach wohlgezählten drei Tagen und drei Nächten seit unsrer Abreise!

– Ich fürchtete schon, die Fahrt nähme gar kein Ende, fuhr Herr Field fort, indem er die Arme herabsinken ließ, als ob alle seine Muskeln den Dienst versagten.

– Nun, die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende, meinte Frau Field.

– Und wird uns noch ein Heidenstück Geld kosten!

– Es kommt hier nicht darauf an, was die Sache kosten wird, entgegnete die Dame scharf, sondern darauf, was sie einbringen kann…

– Jedenfalls, fiel der Herr ein, war es von uns ein glücklicher Gedanke, unter angenommenem Namen zu reisen.

– Ein Gedanke, der von mir herrührt…

– Und der ein ganz vortrefflicher war! Stelle Dir nur vor, wie wir sonst auf Gnade und Ungnade den Hôteliers, den Gastwirthen, allen den Leuteschindern preisgegeben gewesen wären, allem Volke, das sich von denen mästet, die in seine Hände geriethen, und das unter dem Vorwande, daß uns ja doch die Dollars millionenweise zufallen würden!

– Ja, wir haben recht gethan, erklärte Frau Field, und werden auch späterhin alle Ausgaben so viel wie möglich beschränken. Wir haben unser Geld seit drei Tagen auch nicht an den Buffets der Bahnhöfe weggeworfen, und ich hoffe, das wird so weiter gehen…

– Wenn auch… klüger wär’s doch gewesen, von der ganzen Geschichte abzusehen.

– Schweig davon. Hermann! rief Frau Field befehlerischen Tones. Haben wir nicht ebensoviel Aussicht wie die andern, als die ersten anzukommen?

– Gewiß, Kate; das Vernünftigste wär’ es aber dennoch gewesen, den Vertrag zu unterzeichnen… sich die Erbschaft zu theilen…

– Das meine ich nicht. Uebrigens erhob ja der Commodore Urrican dagegen Einspruch, und jener X. K. Z. war auch nicht da, seine Zustimmung geben zu können…

– Ja, unterbrach sie Herr Field, ich muß Dir gestehen, daß ich diesen X. K. Z. am meisten fürchte. Man weiß nicht, wer er ist, noch wo er sich heute oder morgen befindet. Niemand kennt ihn. Er nennt sich X. K. Z…. Ist denn das überhaupt ein Name?… Kann es erlaubt sein, sich X. K. Z. zu nennen?«

In dieser Weise machte Herr Field seinem Herzen Luft. Und doch, wenn er sich nicht hinter den Anfangsbuchstaben seines Namens versteckte, hatte er sich ja selbst Field statt Titbury genannt – der Leser wird ihn aus den wenigen, zwischen ihm und der Frau Field gewechselten Worten, aus denen der Geiz der beiden Leute genügend hervorleuchtete, leicht genug erkannt haben.

Es war in der That Hermann Titbury, der dritte Partner, den der Fall der Würfel – eins und eins – nach dem zweiten Felde, dem Staate Maine, verwiesen hatte. Und welches Pech, da dieser Wurf ihn nur um zwei Schritte von dreiundsechzigen vorwärts brachte, während er sich dabei nach der äußersten Nordostspitze der Union begeben mußte!

Maine grenzt nämlich schon an das Dominium von Canada und an Neubraunschweig. In den Bundesstaat seit 1820 aufgenommen, hat es als Ostgrenze den Meerbusen von Passamaquoddy, in den der Saint Croixstrom ausmündet, und der in zwölf Grafschaften zertheilte Staat sendet zwei Senatoren und fünfzig Deputierte in den Congreß, jene nationale Bai, könnte man nicht mit Unrecht sagen, in die sich alle politischen Ströme der Vereinigten Staaten ergießen.

Herr und Frau Titbury hatten am Abend des 5. Mai ihr Haus in der Robey Street verlassen und wohnten jetzt in diesem recht mittelmäßigen Gasthofe von Calais. Die Gründe, weshalb sie sich eines andern Namens bedienten, sind ja bekannt. Da sie niemand Tag und Stunde ihrer Abreise verrathen hatten, erfolgte diese im strengsten Incognito, ganz wie – nur aus andern Gründen – die Max Real’s.

Das brachte die Wettlustigen etwas in Verlegenheit, denn wir müssen gestehen, daß man Hermann Titbury bei diesem Wettrennen um Millionen ziemlich gute Aussichten andichtete. Im Laufe der Partie verbesserten sich diese gewiß noch weiter, so daß er wohl zum Favorit des Matches aufsteigen konnte. Er gehörte ja zu den Bevorzugten, denen hienieden alles gelingt, weil sie gewissenlos genug in der Auswahl der Mittel sind, die sie zur Sicherung des Erfolgs anwenden. Sein Vermögen gestattete es ihm, die Einsätze zu erlegen, wenn der Zufall ihn zu solchen nöthigte, und so hoch sie auch sein mochten, er zögerte gewiß nicht, sie in klingender Münze einzuzahlen. Außerdem ließ er sich bei den verschiedenen Fahrten, die ihm doch jedenfalls noch bevorstanden, zu keinen Zerstreuungen oder Abstechern verleiten, wie das wohl von Max Real und Harris T. Kymbale zu erwarten war. Keiner brauchte zu fürchten, daß er auf dem Wege von einem Staate zum andern durch eigne Schuld eine Verzögerung erleiden werde – er befand sich mit absoluter Gewißheit am betreffenden Tage allemal an dem ihm zugewiesenen Orte.

Das waren also schwerwiegende Garantien, die Hermann Titbury bot, ganz abgesehen von dem persönlichen Glücke, das ihn in seinem Leben als Geschäftsmann nie im Stiche gelassen hatte.

Das würdige Paar hatte sich bemüht, nicht nur den kürzesten, sondern auch den billigsten Reiseweg durch das fast unentwirrbare Netz von Eisenbahnen herauszufinden, das einem ungeheuern Spinnengewebe gleich das östliche Gebiet der Union bedeckt. Ohne sich irgendwo aufzuhalten, ohne Gefahr zu laufen, an den Bahnhofbuffets oder in den Restaurants von Hôtels ausgeplündert zu werden – denn sie lebten ausschließlich von mitgeführten Mundvorräthen – von einem Zug zum andern so schnell übergehend, wie beim Taschenspieler die Kugel von der rechten zur linken Hand, für die Sehenswürdigkeiten des Landes mit ebensowenig Interesse wie Tom Crabbe, stets in dieselben Gedanken versunken, immer von Unruhe gepeinigt oder höchstens beschäftigt, die täglichen Ausgaben aufzuschreiben und die für die Fahrt mitgenommene Summe zu zählen und wieder zu zählen, sonst am Tage im Halbtraume, in der Nacht im Schlafe – so durchflogen Herr und Frau Titbury Illinois von Westen nach Osten, den Staat Indiana, dann Ohio, ferner New York und schließlich den Staat New Hampshire. Hiermit gelangten sie endlich am Morgen des 8. Mai an die Grenze von Maine, und zwar am Fuße des zur Gruppe der Weißen Berge gehörigen Mount Washington, dessen schneeiger, von Sturm und Hagel umbrauster, fünftausendsiebenhundertfünfzig Fuß (1676 Meter) aufragender Gipfel den Namen des größten Helden der amerikanischen Republik führt.