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Mit verschränkten Armen, das Gesicht purpurroth und Frau Titbury mit ungewohnter Heftigkeit zurückstoßend, beugte er sich über den Schreibtisch des Richters und rief:

»Wissen Sie denn, mit wem Sie es zu thun haben?…

– Mit einem Ungeschliffenen, den ich hiermit zu dreihundert Dollars Strafe verurtheile, weil er bei seinem unpassenden Benehmen verharrt, erwiderte R. T. Ordak, dem jetzt auch sozusagen die Galle überlief.

»Dreihundert Dollars! kreischte Frau Titbury auf und sank halb ohnmächtig auf eine Bank nieder.

– Jawohl, bestätigte der Richter mit Betonung jeder Silbe, drei… hundert… Dollars… Strafe für Herrn Field aus Harrisburg in Pennsylvanien!

– Nun gut, schrie Titbury, indem er mit der Faust auf den Tisch hämmerte, so hören Sie denn, daß ich gar nicht Field aus Harrisburg in Pennsylvanien bin!

– So?… Wer sind Sie denn sonst?

– Rentier Titbury aus Chicago in Illinois…

– Aha, also einer, der sich erlaubt, unter falschem Namen umherzureisen! fiel der Richter ein, als ob er sagen wollte: Also noch ein Vergehen zu den übrigen!

– Ja… Rentier Titbury aus Chicago, der dritte Partner im Match Hypperbone, der zukünftige Erbe eines ungeheuern Vermögens!«

Diese Erklärung schien auf R. T. Ordak gar keine Wirkung auszuüben. Der Beamte, der ebenso unparteiisch wie schnell fertig mit seinem Urtheil war, machte mit diesem dritten Partner nicht mehr Umstände wie mit jedem beliebigen Hafenarbeiter.

Mit pfeifender Stimme und als ob jedes Wort ihm ein besonderes Vergnügen bereitete, erklärte er:

»So wird also Herr Titbury aus Chicago die dreihundert Dollars Strafe erlegen; außerdem aber verurtheile ich ihn wegen Beilegung eines falschen Namens an Gerichtsstelle noch zu achttägiger Haft.«

Das schlug dem Faß den Boden aus, und jetzt sank Herr Titbury, seiner Sinne nicht mehr mächtig, neben Frau Titbury auf der Bank zusammen.

Acht Tage Hast, und in fünf Tagen sollte die erwartete Depesche eintreffen – am 19. sollte er wieder abreisen, um sich vielleicht nach dem anderen Ende der Vereinigten Staaten zu begeben. War er dann am bestimmten Tage nicht an Ort und Stelle, so bedeutete das den Ausschluß aus der angefangenen Partie…

Es liegt auf der Hand, daß das für Titbury ein weit ernsteres Ding war, als wenn er nach dem zweiundfünfzigsten Felde, dem Staate Missouri und dort in das Gefängniß von Saint-Louis versetzt worden wäre. Hier hätte ihm wenigstens die Möglichkeit gewinkt, durch einen seiner Partner wieder befreit zu werden, im Gefängniß von Calais aber durch das Urtheil des Richters R. T. Ordak eingesperrt, mußte er seine Strafe jedenfalls bis zum Ende absitzen.

Zehntes Capitel.

Ein Berichterstatter auf der Reise.

»Ja, meine Herren, auf Wort! – ich betrachte diesen Match Hypperbone als eines der wunderbarsten nationalen Ereignisse, womit sich die Geschichte unseres ruhmreichen Landes bereichern wird! Nach dem Unabhängigkeitskampfe, dem großen Bürgerkriege, der Verkündigung der Monroe-Doctrin und dem Inkrafttreten der Mac Kinley Bill ist dieser Match die hervorragendste Thatsache, der die Phantasie eines Mitgliedes des Excentric Club die Aufmerksamkeit der ganzen Welt zugelenkt hat!«

So äußerte sich Harris T. Kymbale gegen die Reisenden des Bahnzuges, mit dem er am 7. Mai die Stadt Chicago verließ. Voller freudigen Zuversicht bewegte sich der Berichterstatter der »Tribune« durch den Mittelgang des Waggons declamierend von vorn nach hinten, dann über den je zwei Wagen verbindenden Steig von einem zum andern, von der Spitze bis zum Ende des Zuges, der unter Volldampf am Südufer des Michigansees dahinjagte.

Harris T. Kymbale war allein abgereist. Wohl hatten sich mehrere seiner Collegen erboten, ihn zu begleiten, er hatte das aber mit verbindlichem Danke abgelehnt. Nicht einmal einen Diener wollte er um sich haben – er wollte ganz allein sein. Ihm kam es auch gar nicht in den Sinn, auf der Reise, gleich Max Real und Hermann Titbury, unerkannt zu bleiben. Er würdigte jedermann seines Vertrauens und hätte an seinem Hute am liebsten ein Schild mit der Aufschrift: »Vierter Partner im Match Hypperbone« befestigt. Unter zahlreicher Begleitung auf dem Bahnhofe eingetroffen, wurde er mit lauten Hurrahs geehrt und mit Glückwünschen zur bevorstehenden Kreuzfahrt überhäuft. Er war auch so wohl vorbereitet, so zuversichtlich, so zielbewußt und gleichzeitig als so kühn und entschlossen bekannt, daß auf seinen Kopf schon jetzt mehrfach Wetten abgeschlossen wurden. Man setzte auf ihn zu eins gegen zwei, ja gegen drei; das schmeichelte dem jungen Manne und erschien ihm als eine gute Vorbedeutung.

Hatte sich Harris T. Kymbale aber auch jede Begleitung auf seinen vom Zufalle abhängigen Kreuz-und Querzügen durch das Gebiet der Union verbeten, so fiel es ihm doch, wie der Leser schon gesehen hat, gar nicht ein, in seiner Ecke den Einsiedler zu spielen, sich stummem Hinbrüten zu überlassen und nur lautlosen Selbstgesprächen hinzugeben. Im Gegentheil, alle Reisenden, mit denen er zusammenträfe, sollten sich für sein Vorhaben interessieren lernen. Er gehörte ein wenig zu dem Schlage von Menschen, die nur denken, wenn sie reden, und mit Worten sollte er sich unterwegs – ebensowenig wie mit dem Geldbeutel – als geizig erweisen. Die Casse der steinreichen »Tribune« stand ihm ja offen und er wollte sie schon genügend anzapfen zur Deckung der Kosten von Interviews, für beschreibende Aufsätze, für Neuigkeiten und Artikel jeder Art, wozu ihm der Verlauf des Matches gewiß reichlichen und interessanten Stoff liefern würde.

»Schreiben Sie aber, fragte ein Herr – ein Yankee vom Scheitel bis zu den Zehen – dieser von William I. Hypperbone ausgeklügelten Partie nicht eine zu große Wichtigkeit zu?

– Nein, mein Herr, antwortete der Reporter, ich meine vielmehr, eine so durchweg originelle Idee konnte nur einem ultraamerikanischen Hirn entspringen.

– Sie haben recht, bemerkte ein behäbiger Kaufmann aus Chicago. Die ganzen Vereinigten Staaten sind außer Rand und Band; am Tage seines Begräbnisses war es ja zu sehen, welcher Volksthümlichkeit der Entschlafene sich so kurz nach seinem Ableben schon erfreute.

– Hatten Sie, mein Herr, fragte da eine Dame mit Brotbeutel und mit Brille, die, von Decken verhüllt, in einer Ecke saß, sich etwa dem Leichenzuge angeschlossen?

– Als wenn ich einer der Erben unsers großen Mitbürgers gewesen wäre, versicherte der Chicagoer, den der Stolz noch etwas mehr aufblähte, und ich fühle mich ganz besonders geehrt, hier auf dem Wege nach Detroit mit einem seiner späteren Erben zusammengetroffen zu sein.

Der Berichterstatter der »Tribune« bewegte sich durch den Mittelgang… (S. 135.)

– Sie gehen nach Detroit? erkundigte sich Harris T. Kymbale, die Hand ausstreckend.

– Nach Detroit in Michigan.

Buffalo. – City Hall (Hôtel de Ville).

– Ah, geehrter Herr, dann werd’ ich das Vergnügen haben, Sie bis zu dieser Stadt mit so aussichtsreicher Zukunft zu begleiten… einer Stadt, die ich noch nicht kenne, aber kennen zu lernen wünschte.

– Dazu wird es Ihnen an Zeit fehlen, Herr Kymbale, erwiderte der Yankee so lebhaft, daß man hätte meinen können, er sei an einer Wette auf seinen Reisegenossen betheiligt. Sie würden dadurch Ihre Fahrt verlängern, und ich wiederhole Ihnen, dazu haben Sie keine Zeit…

– Man hat immer und zu allem Zeit!« antwortete Harris T. Kymbale in bestimmtem Ton, der ihm recht gut anstand.

Stolz, einen so temperamentvollen Reisenden zu bergen, erdröhnte der Wagen von jubelnden Hipps, die sich bis zum Zugsende fortpflanzten.