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Alles das hätte jedoch, wie schon erwähnt, für den Hauptberichterstatter der »Tribune« nicht mehr den Reiz der Neuheit gehabt. Nach dem Besuche des Niagara wollte er sich, ohne im geringsten abzuweichen, streng an seine Reiseroute halten.

Es war ja schon der 11. Mai, und spätestens am Vormittage des 21. mußte er in Santa-Fé eingetroffen sein. Zwei durch fünfzehn-bis sechzehnhundert Meilen (2500 bis 2700 Kilometer) von einander getrennte Staaten konnte man doch nicht wohl als benachbarte ansehen.

Auf der Rückfahrt von Buffalo hatte Harris T. Kymbale sich vorgenommen, noch einmal Chicago zu berühren, um von hier aus den Grand Trunk nach Westen zu benutzen. Da von diesem aber keine Seitenlinie abgeht, die eine unmittelbare Verbindung mit Santa-Fé böte, wäre das ein Fehler gewesen, denn in diesem Falle hätte er eine große Strecke zu Wagen zurücklegen müssen, und das in einem Lande, wo es mit allen Verkehrsverhältnissen noch recht schlecht bestellt war.

Niagara-Fall.

Zum Glück hatten seine Collegen von der »Tribune« nach eingehendem Studium des betreffenden Theiles des Fernen Westens für ihn einen Reiseplan aufgestellt, der ihm durch ein in Buffalo eingegangenes Telegramm mitgetheilt wurde.

Die Depesche war in folgenden Worten abgefaßt:

»Von den Niagara Falls zurückkehren nach Buffalo und von da bis Cleveland hinunterfahren. Quer durch Ohio reisen (über Columbus und Cincinnati), durch Indiana über Laurencebourg, Madison, Versailles und Vincennes, durch Missouri über Salem, Belley und Saint-Louis. Hier die Jeffersonlinie nehmen nach Kansas City. Kansas auf der südlichsten Bahn durchreisen, und zwar über Laurence, Emporia, Toleda, Newton, Hutchinson, Plum Buttes, Fort Zarah, Larned, Petersburg, Dodge City, Fort Atkinson und Sherbrock, weiter durch den Osten von Colorado über Granada und Las Arimas. Von hier Zweigbahn nach Pueblo, und über Trinidad nach Clifton an der Grenze von Neumexiko. Endlich über Cimarron, Las Vegas und Galateo übergehen auf die kurze Zweigbahn nach Santa-Fé. Nicht vergessen, daß der Absender dieser Depesche auf Sie hundert Dollars verwettet hat, und daß er diese rettungslos verlieren müßte, wenn Sie einen anderen Weg einschlügen.

Bruman S. Bickhorn,

Redactionssecretär.«

Hatte nicht der von den »Sieben«, den seine Collegen so eifrig unterstützten, dem sie die Erfüllung seiner Aufgabe so sorgsam zu erleichtern suchten, die beste Aussicht, als »guter Erster« durchs Ziel zu gehen?… Gewiß; doch unter der Bedingung, daß er dem Rathe des ehrenwerthen Herrn H. V. Exulton folgte und sich durch nichts, was etwa seine Aufmerksamkeit erregte, unterwegs aufhalten ließ.

»Einverstanden, mein wackerer Bickhorn, diesen Weg werd’ ich nehmen, sagte Harris T. Kymbale für sich, und werde mir auch nicht die kleinste Abweichung davon gestatten. Bezüglich der Eisenbahn braucht man sich ja nicht zu beunruhigen. Getrost, liebenswürdiger Redactionssecretär! Wenn damit Verzögerungen vorkommen, werden sie nicht durch meinen Leichtsinn, meine Nachlässigkeit verschuldet sein, und deine hundert Dollars werden ebenso zähe vertheidigt werden, wie die fünftausend seiner Hoheit des ersten Magistratsbeamten von Buffalo! Ich vergess’ es nicht, daß ich die Farben der ‘Tribune’ trage!«

Ein Jockey hätte sich nicht besser ausdrücken können. Der Jockey hier war freilich mehr ein Centaur, der für eigene Rechnung lief.

So durchmaß also, auf Grund eines sein erklügelten Stundenplanes und des Studiums des Cursbuches, Harris T. Kymbale, ohne sich gerade zu übereilen und in der Nacht in den besten Hôtels ausruhend, binnen sechzig Stunden die sechs Staaten Ohio, Indiana, Illinois, Missouri, Kansas und Colorado, und traf am 19. gegen Abend in Clifton, an der Grenze von Neumexiko ein.

Wenn der Reporter hier nur fünfhundertsechsundvierzig Händedrücke wechselte, kam das daher, daß das tief hinten in den grenzenlosen Prairien des Fernen Westens verlorene Dorf nicht mehr als zweihundertdreiundsiebzig Zweihänder zählte.

In Clifton gedachte er sich nur eine Stunde aufzuhalten. Wie groß war aber, als er aus dem Waggon stieg, seine Enttäuschung, zu hören, daß die weitere Bahnverbindung wegen umfänglicher Ausbesserungen an der Strecke für mehrere Tage unterbrochen sei. Er befand sich aber noch hundertfünfundzwanzig Meilen (200 Kilometer) entfernt von Santa-Fé und hatte nur noch sechsunddreißig Stunden übrig, diese zurückzulegen. Der kluge Bruman S. Bickhorn hatte das nicht vorausgesehen!

Zum Glück sah sich Harris T. Kymbale gleich beim Heraustreten aus dem Bahnhofe einem Manne von halb amerikanischem, halb spanischem Aussehen gegenüber, der ihn fast zu erwarten schien. Sobald er den Reporter bemerkte, knallte er dreimal mit der Peitsche – ein dreifacher Knalleffect, mit dem er die Leute immer zu begrüßen pflegte. Dann wandte er sich plötzlich an den Fremdling.

»Harris T. Kymbale…? fragte er in einer Sprache, die mehr an die von Cervantes als an die Cooper’s erinnerte.

– Der bin ich.

– Wollen Sie, daß ich Sie nach Santa-Fé befördere?

– Ob ich das will!

– Gut… abgemacht!

– Dein Name?…

– Isidorio.

– Isidorio gefällt mir nicht übel.

– Mein Wagen ist zur Abfahrt bereit.

– So fahren wir ab, und vergiß nicht, guter Freund, daß der Wagen zwar durch sein Gespann bewegt wird, daß es aber vom Kutscher abhängt, mit diesem rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein!«

Verstand der Hispano-Amerikaner wohl ganz die Bedeutung dieser Mahnung?… Vielleicht. Es war ein Mann von etwa fünfundvierzig Jahren mit stark sonnengebräunter Haut, lebhaften Augen und etwas spöttischem Gesichtsausdruck – einer jener Burschen, die sich nicht so leicht zum besten haben lassen. Der Reporter wollte nicht daran zweifeln, daß Isidorio stolz darauf sei, eine Persönlichkeit zu befördern, die im Verhältniß von eins zu sieben die Aussicht hatte, sechzig Millionen Dollars einzuheimsen – obwohl das bei dem Kutscher doch kaum vorauszusetzen war…

Harris T. Kymbale saß allein in dem Wagen. Das war übrigens keine Postkutsche mit sechs Pferden, sondern ein einfaches Gefährt, das an den Pueblos des Weges die Pferde wechseln sollte. Der Wagen rollte nun über die holperige Straße von Aubey’s Trail dahin, die von zahlreichen kleinen Wasserläufen unterbrochen war, welche ohne Anstand durchfahren wurden. An den Haltestellen wurde bezogen, was man bedurfte, und in der Nacht gönnte man sich einige Stunden Ruhe.

Am frühen Morgen des nächsten Tages hatte das Gefährt über Cimarron und längs des Fußes der Weißen Berge vierzig Meilen ohne störenden Zwischenfall zurückgelegt. Uebrigens ist hier weder von den Apachen und Comanchen, noch von anderen Sippen von Rothhäuten etwas zu fürchten, von den Stämmen, die früher in dieser Gegend hausten und von denen die Bundesregierung einigen ihre Unabhängigkeit gewährleistet hat.