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Die Menge wollte nicht weichen; sie wartete. Niemand zeigte sich. Zuletzt mußten die Leute nachgeben und gehen. Das erregte einen so allgemeinen Unwillen, daß die Abendblätter sehr wenig schmeichelhafte Artikel über den unglückseligen X. K. Z. brachten. Nein, man führte eine ganze Bevölkerung nicht so an der Nase herum!

So verstrichen die Tage. Alle achtundvierzig Stunden wiederholte sich das Auswürfeln genau nach bestehender Vorschrift und der Ausfall wurde jedem, den es betraf, telegraphisch nach dem Orte gemeldet, wo er sich zur bestimmten Zeit aufzuhalten hatte.

Endlich kam der 22. Mai heran. Von X. K. Z. verlautete nichts; auch in Wisconsin war er noch nicht aufgetaucht, freilich genügte es ja, wenn er sich nur am 27. im Postamte von Milwaukee einstellte. Lissy Wag, die jetzt fast ganz wieder hergestellt war, hätte sich nun wohl unmittelbar nach Milwaukee begeben und, entsprechend den Regeln des Spiels, die Stadt auch wieder verlassen können, bevor jener X. K. Z. daselbst eintraf, da drängte sich ihr aber gerade die Befürchtung auf, daß Jovita Foley, die infolge nervöser Ueberreizung dem Zusammenbrechen nahe war, an ihrer Stelle erkranken könnte. Sie erlitt wirklich einen leichten Fieberanfall, der sie zwang, das Bett zu hüten.

»Ich hatte es Dir vorhergesagt, meine arme Jovita; begann Lissy Wag. Du hast Dich nicht gehalten…

– O, das wird nichts zu bedeuten haben, meine Beste. Uebrigens liegt die Sache jetzt ganz anders. Ich bin am Spiele persönlich nicht betheiligt, und wenn ich nicht abreisen kann, so reisest Du eben allein…

– Nimmermehr, Jovita!

– Du wirst es aber vielleicht müssen…

– Niemals, sag’ ich Dir! Mit Dir… ja, obgleich auch da kein gesunder Sinn darin liegt. Ohne Dich… nein!«

Für den Fall, daß Jovita Foley sie nicht begleiten könnte, war Lissy Wag fest entschlossen, auf die Möglichkeit, William I. Hypperbone’s einzige Erbin zu werden, von vornherein zu verzichten.

Die Verhältnisse gestalteten sich jedoch unerwartet günstiger – ein Tag strenge Diät und vollkommene Ruhe genügten, Jovita Foley wieder herzustellen. Am Nachmittage des 22. konnte sie aufstehen und ging sofort daran, den Koffer zu packen, den die beiden jungen Mädchen auf ihren Fahrten durch die Vereinigten Staaten mitnehmen wollten.

»Ach, rief sie, zehn Jahre meines Lebens gäb’ ich darum, wenn wir schon unterwegs wären!«

Mit den zehn Jahren, die sie schon wiederholt um irgend etwas zu geben bereit gewesen war, und den zehn Jahren, die sie auf der Reise jedenfalls noch um dies oder jenes willen anbieten würde, blieb ihr freilich nur noch wenig Zeit über, auf dieser Erde zu wandeln.

Die Abreise wurde nun auf den 23. morgens acht Uhr festgesetzt, wo ein Zug abging, der binnen zwei Stunden Milwaukee erreichte, so daß Lissy Wag hier die Depesche des Meister Tornbrock noch vor der Mittagsstunde in Empfang nehmen konnte. Dieser letzte Tag wäre auch ohne jeden Zwischenfall verlaufen, wenn die beiden Freundinnen kurz vor fünf Uhr nicht noch einen ganz unerwarteten Besuch erhalten hätten.

Lissy Wag und Jovita Foley lehnten im Fenster und sahen nach der Straße hinunter, wo sich noch eine Anzahl Neugieriger herumtummelte, die die Blicke unausgesetzt nach ihren Fenstern gerichtet hielten.

Da ertönte die Klingel an der Thür; Jovita ging hinaus, um zu öffnen.

Der Personenaufzug hatte einen Herrn nach dem Vorsaale des neunten Stockwerks befördert.

»Miß Lissy Wag?… fragte der Fremde, das junge Mädchen grüßend.

– Befindet sich hier in ihrer Wohnung, mein Herr.

– Könnte sie mich vielleicht empfangen?

– Ja… Miß Wag ist sehr krank gewesen, antwortete Jovita Foley zögernd; ob es ihr recht ist…

– Ich weiß, daß sie die letzten Tage krank war, sagte der Besucher, habe aber Grund zu glauben, daß sie wieder völlig genesen ist.

– Vollständig, mein Herr, wir wollen ja morgen früh abreisen.

– Ah, ich habe wohl die Ehre, Miß Jovita Foley zu sprechen?…

– Ich bin Jovita Foley; kann ich Ihnen nicht an Stelle Lissy Wag’s etwa gewünschte Auskunft geben?

– Ich zöge es doch vor, sie selbst zu sehen… mit eigenen Augen zu sehen… wenn das irgend möglich ist.

– Darf ich fragen, was Sie hierher führt?

– O, ich habe vor Ihnen nichts zu verheimlichen, verehrtes Fräulein. Ich habe die Absicht, bezüglich des Match Hypperbone eine Wette abzuschließen… eine bedeutende Summe auf die fünfte Partnerin zu setzen, und Sie begreifen da wohl, daß ich recht sehr wünschte…«

Jovita Foley begriff das… ja sie war entzückt darüber! Endlich einer, der die Aussichten, die Lissy Wag hatte, mit so günstigen Augen ansah, daß er Tausende von Dollars auf sie verwetten wollte.

»Mein Besuch wird nur kurz… ganz kurz sein,« setzte der Herr, sich verbeugend, hinzu.

Es war ein Mann von etwa fünfzig Jahren mit graugesprenkeltem Barte und noch durch den Klemmer glänzenden, für sein Alter eher etwas gar zu lebhaften Augen, von vornehmem Aeußern und edlen Gesichtszügen, von hohem Wuchse und mit auffallend sanfter Stimme. So dringend er Lissy Wag auch zu sehen verlangte, bewahrte er dabei doch die größte Höflichkeit und entschuldigte sich, diese – noch dazu am Vorabend einer so wichtigen Reise – zu belästigen.

Jovita Foley glaubte keine Ursache zur Abweisung des Gastes zu haben, zumal da sein Besuch nicht lange dauern sollte.

»Darf ich um Ihren Namen bitten, mein Herr?

– Humphry Weldon aus Boston, Massachusetts,« antwortete der Fremde.

Er folgte Jovita Foley in das von dieser geöffnete Zimmer und trat dann in das zweite ein, worin Lissy Wag sich aufhielt.

Bei seinem Erscheinen wollte diese sich erheben.

»O bitte, verehrte Miß, incommodieren Sie sich nicht! Verzeihen Sie nur meine Aufdringlichkeit… ich wünschte aber gar zu sehr, Sie, und wär’s nur für einen Augenblick, vor Ihrer Abreise zu sehen.«

Jovita Foley hatte ihm inzwischen einen Stuhl gebracht, auf dem er dankend Platz nahm.

»Einen Augenblick… nur einen Augenblick! wiederholte er. Wie ich schon Miß Foley sagte, gedenke ich auf Sie eine größere Summe zu setzen, denn ich glaube an Ihren schließlichen Erfolg und wollte mich heute nur überzeugen, ob auch Ihr Gesundheitszustand…

– O, ich bin völlig wiederhergestellt, Herr Weldon, erwiderte Lissy Wag, und ich danke bestens für das Vertrauen, daß Sie zu mir hegen. Doch, ehrlich gesprochen, meine Aussichten…

– Das sind Sachen des Vorgefühls, verehrte Miß, fiel Herr Weldon überzeugten Tones ein.

– Ja… eines unabweisbaren Vorgefühls, stimmte Jovita Foley ein.

– Darüber ist nicht zu rechten, verehrte Miß…

– Und was Sie bezüglich meiner Freundin Lissy denken, rief Jovita Foley, ganz dasselbe denke ich auch! Ich bin überzeugt, daß sie gewinnen wird…

– Und ich nicht minder, wenigstens wenn sich ihrer Abreise kein Hinderniß in den Weg stellt, erklärte Herr Weldon.

– Morgen, versicherte Jovita Foley, werden wir beide rechtzeitig auf dem Bahnhofe sein und der Zug bringt uns noch am Vormittage nach Milwaukee..

– Wo Sie, wenn nöthig, einige Tage der Ruhe pflegen können, bemerkte Weldon.

– O nein… das geht nicht an, widersprach ihm Jovita.

– Und warum nicht?

– Weil wir dort nicht mehr sein dürfen, wenn jener X. K. Z. daselbst eintrifft… sonst müßten wir die Partie ja wieder von vorn anfangen.

– Ja, ja… das ist richtig.

– Mich beunruhigt nur, wohin wir das zweitemal geschickt werden mögen, ließ sich Lissy Wag vernehmen.