Выбрать главу

Montgomery ist die officielle Hauptstadt von Alabama, des Staates, der seinen Namen dem gleichnamigen Strome entlehnt hat. Er zerfällt in zwei Gebiete, ein gebirgiges, wo die letzten Verzweigungen der Appalachenberge nach Südwesten zu auslaufen, und eines mit weiten Ebenen, das im südlichen Theile viele Sümpfe aufweist. Früher betrieben die Bewohner hier fast ausschließlich den Anbau von Baumwolle; jetzt werden, dank den bequemen Verkehrswegen, auch viele Kohlen-und Eisengruben ausgebeutet.

Doch weder Montgomery noch Birmingham, eine gewerbfleißige Stadt im Innern, können einen Vergleich mit dem zweiunddreißigtausend Einwohner zählenden Mobile aushalten. Dieses erhebt sich auf einer Terrasse im Hintergrunde der für Seeschiffe jederzeit bequem zugänglichen Bai, nach der es den Namen angenommen hat.

Die Stadt selbst mit ihren niedrigen, im Handelsviertel besonders dicht stehenden Häusern erscheint selbst bezüglich ihrer Einrichtungen für die Schifffahrt, für ihre Ausfuhr von Cigarren, Baumwolle und Gemüsen, etwas beengt. Sie hat aber Vorstädte, die sich weitläufig zwischen üppigem Grün ausdehnen.

Der Commodore Urrican hatte nicht ohne Grund angenommen, daß es ihm an Gelegenheit, zur See nach Key West zu gelangen, hier gar nicht mangeln könne. Im Hafen von Mobile laufen ja jährlich wenigstens fünfhundert Schiffe ein. Es giebt aber Menschen, die das Verhängniß nirgends schont, die ihrem schlimmen Geschick niemals entgehen können, und diesmal hatte Hodge Urrican alle Ursache, in hellem Zorn aufzulodern.

In Mobile herrschte bei seiner Ankunft gerade ein Ausstand, ein allgemeiner Ausstand der Hafenarbeiter, der am Tage vorher ausgebrochen war und wenigstens mehrere Tage anzudauern drohte. Von den zum Auslaufen daliegenden Schiffen konnte keines in See gehen, ehe nicht eine Verständigung mit den Rhedern erzielt war, und diese zeigten sich fest entschlossen, die Forderungen der Ausständigen abzuweisen.

So wartete denn der Commodore am 13., 14. und 15. Mai vergeblich, daß ein Schiff seine Ladung beendigt hätte und abfahren könnte. Die Frachtstücke lagerten auf den Quais, die Kesselfeuer waren gelöscht, die Baumwollenballen füllten die Docks, kurz, die Schifffahrt hätte nicht schlimmer gehemmt sein können, wenn die Bai von Mobile plötzlich fest zugefroren wäre. Dieser abnorme Zustand konnte die ganze Woche, vielleicht noch länger anhalten… Was war nun zu thun?…

Die Parteigänger des Commodore Urrican riethen ihm sehr vernünftigerweise, sich nach Pensacola, einer der wichtigsten Städte des an Alabama grenzenden Staates Florida zu begeben. Fuhr er mit dem Schnellzuge nach der Nordgrenze von Alabama zurück und von da wieder hinunter nach der Küste, so konnte er Pensacola in etwa zwölf Stunden erreichen.

Hodge Urrican – die eine gute Seite mußte man ihm lassen – war ein Mann des schnellen Entschlusses, der keiner langen Ueberlegung bedurfte und dann. ein Schwanken kannte. Am Morgen des 16. bestieg er also mit Turk aufs neue die Bahn und kam am Abend in Pensacola an.

Noch blieben ihm neun Tage, mehr Zeit, als es bedurfte, sogar mit einem Segelschiffe von Pensacola nach Key West überzufahren.

Florida, eine in den Golf von Mexiko vorspringende Halbinsel, mißt etwa vierhundert Meilen (644 Kilometer) in der Breite und dreihundertfünfzig Meilen (564 Kilometer) in der Länge. Diese größte Breite findet sich im nördlichen Theile am Fuße der Halbinsel, wo diese dicht unterhalb Alabamas und Georgias bis zum Atlantischen Ocean reicht. Wenn Thallahassee die Hauptstadt, der Sitz der Regierung ist, so hält Pensacola wieder Jacksonville, der bedeutendsten Stadt, so ziemlich die Wage. Durch ein Netz von Schienenwegen mit dem Innern der Union verbunden, ist Pensacola mit seinen zwölftausend Einwohnern in erfreulichstem Aufschwunge begriffen. Von größter Bedeutung für den nach einer Fahrgelegenheit spähenden Commodore Urrican war es aber, daß hier im Jahre gegen zwölfhundert Seeschiffe verkehren.

Dennoch verfolgte ihn das Unglück weiter. Ein Ausstand herrschte zwar in Pensacola nicht, dafür war aber kein einziges Schiff segelfertig, den Hafen – wenigstens nach Südosten hin – weder nach den Antillen noch nach dem Atlantischen Ocean zu verlassen und folglich war auch an ein Anlaufen Key Wests nicht zu denken.

»Nein, murrte Hodge Urrican, die Lippen zusammenbeißend, nein, entschieden, das geht so nicht weiter!

– Und da ist keiner, den man dafür am Kragen nehmen könnte, antwortete sein Begleiter, der sich wüthend rings umsah.

– Wir können aber unmöglich hier eine Woche vor Anker liegen!

– Nein, wir müssen um jeden Preis absegeln, Herr Commodore!« erklärte Turk.

Ja, das war wohl richtig, doch wie war von Pensacola nach Key West zu kommen?

Hodge Urrican verlor keine Minute; er ging von Schiff zu Schiff, von Dampfer zu Segler, erhielt aber immer nur unbestimmte Versprechungen… Man werde ja abfahren… doch die Zeit, die Waaren einzuladen… alles regelrecht zu verstauen… u. s. w., also keine bestimmte Zusage, trotz des hohen Preises, den der Commodore für die Ueberfahrt bot. Da konnte er sich nicht enthalten, den verwünschten Schiffern und sogar dem Hafencapitän – wie man sagt – den Kopf zurecht zu stutzen, selbst auf die Gefahr hin, hier regelrecht hinter geschlossene Thüren zu kommen.

Kurz, es verliefen zwei Tage, bis zum Abend des 18., und jetzt blieb nur noch übrig, zu Lande zu versuchen, was sich zu Wasser nicht ausführen ließ. Doch welche Beschwerden – die mochten wohl noch angehen – welche Verzögerungen waren da zu fürchten!

Man stelle sich die Verhältnisse nur richtig vor. Erst galt es, Florida, natürlich mittelst Bahnzugs, fast in seiner ganzen Breite in westöstlicher Richtung über Tallahassee bis nach Live-Oak zu durchmessen, darauf wieder nach Süden zu fahren, um Tampa oder Punta Gorda am Meerbusen von Mexiko zu erreichen, das heißt, etwa sechshundert Meilen (1000 Kilometer) mit Zügen zurückzulegen, die nicht einmal überall sofortigen Anschluß haben. Und das möchte noch angegangen sein, wenn die Bahnlinien nur bis zum südlichsten Punkte der Halb insel hinuntergereicht hätten. Das war aber auch nicht der Fall. Fand sich dann kein segelfertiges Fahrzeug vor, so blieb noch eine lange Strecke übrig, die unter den mißlichsten Umständen überwunden werden mußte.

Dieser Theil von Florida, den die Gewässer des Golfes von Cedar West aus bespülen, ist eine traurige, kaum bewohnbare und wenig bewohnte Gegend. Es war sehr fraglich, ob hier Beförderungsmittel, Post-oder Karrenwagen oder wenigstens Pferde zu beschaffen sein würden, mit denen man in einigen Tagen bis zur Südspitze des Landes gelangen könnte. Doch vorausgesetzt auch, daß solche für hohen Preis zu erhalten waren, wie langsam, mühsam und selbst gefährlich mußte die Fahrt vorwärts gehen inmitten der grenzenlosen Urwälder, unter dem dichten Dache der düsteren Cypressenhaine, die oft undurchdringlich und von dem stagnierenden Wasser der Bayous halb überschwemmt sind, durch die schwankenden Prairien mit Pistiagräsern, wo einem der Boden unter den Füßen zu schwinden scheint, durch die Dickichte riesiger Champignons, die bei jeder Berührung wie Feuerwerkskörper knallen, und durch das Labyrinth sumpfiger Strecken und kleiner Süßwasserseen, worin es von Alligatoren und Lamantins wimmelt und worin die furchtbarsten Vertreter der Familie der Schlangen, jene Trigonocephalen hausen, deren Biß stets tödlich ist! Das ist das schreckliche Gebiet der Evergladen, nach dem sich die letzten Stämme der schönen, aber wilden Seminolen geflüchtet haben, die einst unter ihrem Häuptling Oiseola so unerschrocken gegen die Streitkräfte der Union kämpften. Nur diese Eingeborenen vermögen hier genug zu finden, in dem heißen und feuchten Klima zu leben oder doch zu vegetieren, einem Klima, das der Entwickelung von Sumpffiebern so günstig ist, die binnen wenigen Stunden die kräftigsten Menschen hinstrecken – und wären es selbst Commodore von dem Schlage eines Hodge Urrican!

Ja, wäre dieser Theil Floridas zu vergleichen gewesen mit dem, der sich im Osten bis zum neunundzwanzigsten Breitengrade hinzieht, hätte es sich nur darum gehandelt, von Fernandina nach Jacksonville und nach St. Augustin zu gehen, wo es weder an Flecken und Dörfern, noch an Verkehrswegen fehlt. Aber von Punta Gorda bis zum Cap Salle hinunterzuziehen…