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Jetzt war der 19. Mai herangekommen, nur sechs volle Tage waren noch übrig. Daran, diesen Landweg einzuschlagen, konnte gar nicht gedacht werden.

An diesem Morgen wurde da der Commodore Urrican von einem jener halb amerikanischen, halb spanischen Schiffer angesprochen, die die Küstenfahrt längs der Halbinsel Florida betreiben.

Dieser Schiffer, namens Huelcar, legte, als er zu sprechen begann, die Hand an die Mütze.

»Nun, Herr Commodore, noch immer kein Schiff nach dem Süden Floridas?…

– Nein, antwortete Hodge Urrican, wenn Sie eines wissen, erhalten Sie zehn Piaster als Belohnung.

– Ich weiß eines.

– Welches?

– Mein eigenes.

– Ihr kleines Fahrzeug?

– Ja, die »Chicola«, eine hübsche Goelette von fünfundvierzig Tonnen, die bei günstigem Winde ihre neun Knoten läuft und…

– Ist es ein amerikanisches Schiff?

– Gewiß!

– Und bereit abzufahren?

– Sofort bereit. wenn Sie es befehlen,« antwortete Huelcar.

Etwa fünfhundert Meilen (800 Kilometer) von Pensacola nach Key West – freilich in gerader Linie – bei einer mittleren Geschwindigkeit von nur fünf Knoten, da man Umwege oder ungünstige Winde in Anschlag bringen mußte, die ließen sich ja in sechs Tagen recht gut zurücklegen.

Zehn Minuten später befanden sich Hodge Urrican und Turk schon an Bord der »Chicola«, die sie mit Kennerblicken musterten. Es war ein kleiner, flach gehender Küstenfahrer, eigentlich nur bestimmt, zwischen den Untiefen in der Nähe des Landes hinzusegeln, aber doch mit hinreichend breitem Rumpfe, um eine ziemlich große Segelfläche führen zu können.

Zwei Männer wie der Commodore und der alte Bootsmann waren nicht die Leute dazu, sich vor den Gefahren des Meeres zu fürchten. Ueberdies hatte der Schiffer Huelcar diese Gewässer mit seiner Goelette befahren, war vielfach von Mobile durch die Straße von Florida nach den Bahamainseln gesegelt und hatte häufig in Key West angelegt.

»Wieviel verlangen Sie für die Ueberfahrt? fragte der Commodore. – Für den Tag je hundert Piaster.

– Mit Verpflegung?…

– Ja, natürlich!«

Das war immerhin theuer; Huelcar wußte die Sachlage auszunutzen.

»Wir fahren sofort ab, befahl der Commodore.

– Sobald Ihr Koffer an Bord ist.

– Wann tritt die Ebbe ein?

– Eben jetzt; in einer Stunde sind wir auf offener See.«

Sich auf der »Chicola« einzuschiffen, war das einzige Mittel, nach Key West zu gelangen, wo der sechste Partner spätestens am Vormittage des 25 eingetroffen sein mußte.

Um acht Uhr schiffte sich Hodge Urrican nach Begleichung der Hôtelrechnung schon ein. Fünfzig Minuten später glitt die Goelette aus der Bai hinaus, und zwar zwischen den Forts Mac Rae und Pickens, die einst von Spaniern und Franzosen errichtet worden waren. Von hier aus steuerte sie aufs hohe Meer hinaus.

Vergeblich das Rufen, vergeblich das Suchen. (S. 215)

Vierzehntes Capitel.

Die weiteren Abenteuer des Commodore Urrican.

Die Witterung war unsicher; von Osten her blies ein frischer Wind. Das von der Halbinsel Florida geschützte Meer zeigte noch nicht die mächtige Wogenbildung des Atlantischen Oceans, und die »Chicola« hielt sich gut unter Segel.

Von der Seekrankheit, die Tom Crabbe so elend mitgespielt hatte, hatte weder der Commodore noch Turk etwas zu fürchten. Was die Segelmanöver der Goelette anging, waren beide sogar bereit, den Schiffer Huelcar und seine zwei Leute zu unterstützen, wenn ein plötzlicher Windstoß das etwa nöthig machte.

Scharf am Winde liegend, lavierte die »Chicola«, um sich immer unter dem Schutze des Landes zu halten. Hierdurch erlitt die Fahrt zwar eine Verzögerung, über dem Golf entfesseln sich aber zuweilen furchtbare Stürme, und ein leichtes Fahrzeug darf sich deshalb nicht zu weit hinauswagen, sondern muß stets in der Nähe der vielen Häfen, Buchten und Flußmündungen der Halbinsel bleiben, in die Schiffe von geringem Tonnengehalt bequem einlaufen können. Bei der jetzt eingehaltenen Fahrt fand die »Chicola« stets eine Einbuchtung, worin sie für einige Stunden Zuflucht suchen konnte. Freilich ging damit etwas Zeit verloren, und Hodge Urrican hatte, wie wir wissen, nicht viel übrig.

Der Wind hielt den ganzen Tag und die Nacht über an, zeigte aber Neigung abzuflauen. Lief er nach der entgegengesetzten Richtung über, so hätte das die Fahrt in wünschenswerther Weise begünstigt. Leider legte er sich am nächsten Tage fast ganz, und die »Chicola« kam, obwohl sie ihr volles Segelwerk trug, kaum um zwanzig Meilen nach Südosten weiter. Es mußten sogar die Ruder mithelfen, um nicht hinaus nach dem offenen Meerbusen getrieben zu werden. In den nächsten achtundvierzig Stunden kam das Fahrzeug kaum von der Stelle. Der Commodore verzehrte sich vor Ungeduld, ließ aber gegen niemand, nicht einmal gegen Turk, ein Wort darüber fallen.

Von der Strömung im Golfe fortgetragen, befand sich die »Chicola« am 22. doch wenigstens in der Höhe von Tampa, einem Hafenplatze mit fünf-bis sechstausend Einwohnern, von dem aus Schiffe mit begrenztem Tonnengehalt in ziemlicher Sicherheit längs der Küste hinsegeln können, obwohl das Fahrwasser von Rissen und Schlammgründen unterbrochen ist. Die Goelette war von diesem aber gegen fünfzig Meilen entfernt und hätte nicht ohne großen Zeitverlust dahin steuern können, um längs der Küste Floridas bis zu dessen Südspitze hinunterzusegeln.

Ueberdies war nach der Windstille des vorigen Tages dem Aussehen des Himmels nach ein bevorstehender Umschlag im Zustande der Atmosphäre zu erwarten.

Der Commodore Urrican und Turk täuschten sich darüber ebensowenig, wie die Matrosen der Goelette.

»Wahrscheinlich kommt bald ein Umschlag des Wetters, begann an diesem Morgen der Commodore Urrican.

– Nun, uns könnte es ja nur von Nutzen sein, wenn der Wind nach Westen umliefe, antwortete Turk.

– Ja, das Meer, fühlt etwas’, bestätigte der Schiffer Huelcar. Sehen Sie dort die langen schweren Wellen und die Dünung, die da draußen läuft.«

Nachdem er dann den Horizont aufmerksam betrachtet hatte, setzte er, den Kopf schüttelnd, hinzu:

»Ich hab’ es nicht gern, daß es von dieser Seite her weht…

– Uns ist’s aber grade recht, bemerkte Turk, und wenn wir auch ein Hundewetter bekommen… wenn’s uns nur dahin jagt, wohin wir wollen!«

Hodge Urrican schwieg, offenbar beunruhigt durch die Vorzeichen, die zwischen Westen und Südwesten immer deutlicher hervortreten. So vortheilhaft es ist, eine steife Brise zu bekommen, muß man dazu doch in der Lage sein, das Meer halten zu können – mit diesem Fahrzeug von einigen vierzig Tonnen aber, das auch nur ein halbes Deck hatte… Nein, niemand konnte wissen, was jetzt in der unruhigen Seele des Commodore vorging, und wenn draußen auf dem offenen Meere schlechtes Wetter herrschte, so herrschte gewiß auch schlechtes Wetter im Innern Hodge Urrican’s.

Am Nachmittage meldete sich der völlig nach Westen umgeschlagene Wind schon durch einzelne heftige Stöße, denen kurze Windstillen folgten. Die oberen Segel mußten gereest werden, und auf dem arg bewegten Wasser tanzte die Goelette wie eine Feder auf und ab.

Noch schlimmer wurde es in der Nacht, so daß man die Segelfläche weiter verkleinern mußte.

Jetzt wurde die »Chicola« mehr als wünschenswerth nach der Küste von Florida getrieben. Da es an Zeit gebrach, hier Schutz zu suchen, mußte der Curs nach Südosten auf die Spitze der Halbinsel zu um jeden Preis beibehalten werden.