Es handelte sich dabei um den Vorschlag, einen Gebietstheil der Union von fünfundfünfzig Meilen (88∙5 Kilometer) Länge und fünfundsechzig Meilen (104∙5 Kilometer) Breite in der Umgebung der Quellen des Yellowstone und des Missouri unter den Schutz des Staates zu stellen und der privaten Ausbeutung zu entziehen. Diese Gegend sollte für alle Zukunft einen Nationalpark bilden, der dem amerikanischen Volke zur Erholung und zum Genusse einer herrlichen Natur vorbehalten bliebe.
Nach seiner Erklärung, daß die von den angegebenen Grenzen umschlossene Bodenfläche zu jeder nutzbringenden Cultur ungeeignet sei, fuhr der Antragsteller fort:
»Das vorgeschlagene Gesetz würde die Einkünfte des Staates in keiner Weise schmälern, von aller Welt aber begrüßt werden als eine Maßnahme im Geiste vernünftigen Fortschritts, als ein Ehrentitel für den Congreß und die ganze Nation.«
Der betreffende Antrag wurde ohne Widerspruch angenommen. Der Nationalpark des Yellowstone wurde der Verwaltung durch den Staatssecretär des Innern überwiesen, und wenn ihn auch bis jetzt noch nicht die ganze Welt besucht hat, so ist doch zu erwarten, daß das mit der Zeit geschehen werde.
In diesem von der Natur bevorzugten Winkel der ungeheueren Bodenfläche der Vereinigten Staaten bietet sich sonst, wie es scheint, keine Aussicht auf eine lohnende Cultur, weder auf den Höhen, noch in den Thälern oder auf den im Mittel siebentausend Fuß (2133 Meter) hoch gelegenen Ebenen. Hier herrscht ein so rauhes Klima, daß fast kein Monat ohne Frosttage vergeht. An die Aufzucht von Vieh, das der zu niedrigen Temperatur erliegen müßte, ist ebensowenig zu denken, wie an eine Mineralienausbeute aus dem im allgemeinen vulcanischen Boden, der mit Eruptivgestein übersäet, von plutonischen Ausbrüchen zerklüftet und von einem Rahmen von Bergen umschlossen ist, deren Gipfel bis zu tausend Toisen über das Meer aufsteigen.
Eigentlich das nutzloseste Stück Land der Erde. ist es doch eines der berühmtesten, dessen Werth freilich nur durch seine Schönheiten und natürlichen Merkwürdigkeiten, denen die Menschenhand nichts hinzuzufügen vermöchte, bedingt erscheint.
Die Menschenhand hat aber doch nicht gerastet, wenigstens in der Absicht, Lustreisende aus allen fünf Erdtheilen heranzulocken. deren Massenzuzug der amtliche Bericht voraussah und hervorrief. Der Verkehr durch dieses durcheinandergewürfelte Labyrinth ist durch bequem fahrbare Straßen erleichtert. Vielfach erheben sich Unterkunftsstätten, deren Eleganz mit ihrer vornehmen Bequemlichkeit wetteifert. In dem ganzen Gebiete kann man sich mit völliger Sicherheit bewegen. Höchstens wäre zu befürchten, daß hier ein Badeort entstände, eine ungeheure Quellenstadt, der Scharen von Kranken, angelockt durch die heißen Quellen des Fire Hole und des Yellowstone, zuströmten.
Uebrigens sind, wie Elisée Reclus berichtet, diese Nationalparke schon zu ungeheueren Jagdgründen der Leiter von Finanzgesellschaften geworden, die alle dahinführenden Bahnlinien und die bedeutendsten Hôtels besitzen. So ist z. B. das Etablissement der Terrasse Mammoth zum Mittelpunkte eines wirklichen Fürstenthums geworden. Wer hätte es glauben mögen?… Ein Fürstenthum inmitten der großen Republik von Nordamerika!
Hier war es also, wo Max Real – leider zu einer Jahreszeit, in der sehr viele Gäste diese Karawanserai bevölkerten – die ganze, ihm zur Verfügung stehende Zeit verbrachte. Glücklicherweise vermuthete in ihm niemand einen Theilnehmer am Match Hypperbone, denn sonst wäre er überall von Hunderten von Zudringlichen begleitet oder, richtiger, belagert worden. Jetzt konnte er sich dagegen frei bewegen und die Naturmerkwürdigkeiten bewundern, die auf Tommy freilich nicht denselben tiefen Eindruck machten, und konnte mehrere Skizzen zeichnen, die der junge Schwarze stets für weit schöner als die natürlichen Vorbilder erklärte. Max Real dagegen vergaß die wirklich unvergeßlichen Wunder des Nationalparkes gewiß nicht.
»Wenn ich nur, sprach er wiederholt für sich, darüber nicht außer Acht lasse, am 29. in Cheyenne zu sein! Großer Gott! Was würde mein gutes Mütterchen dazu sagen!«
Es ist in der That ein prächtiges Stück Erde, dieses Thal des Yellowstone, begrenzt von basaltischen Gebilden, aus denen man große Paläste ausmeißeln könnte, ringsum beherrscht von zerrissenen Bergspitzen, unterbrochen von weißen Gipfeln, aus deren Schneedecke tausendfach verzweigte Rios und Creeks nach den düsteren Fichtenwäldern hinabrinnen, und durchfurcht von Cañons mit senkrechten, nahe aneinander stehenden Wänden, die endlose Gänge bilden. Hier kommt eine wilde, durch Erdbeben erschütterte Natur zu bezauberndem Ausdruck. Hier dehnen sich Lavafelder aus und Ebenen, worauf vulcanische Auswurfstoffe kleine Berge bilden; hier prangen aus schwärzlichen Steilwänden geschnittene Reihen von Säulen mit gelben und rothen Streifen, die der polychromen Architektur als Vorbilder dienen könnten; hier lagern die Ueberreste der durch den Auswurf der jetzt erkalteten Krater versteinerten Wälder, und verspürt man noch immer die ungeheuere Arbeit unterirdischer Kräfte, die sich in dem Durchbruch und dem Aufsprudeln von zweitausend warmen und heißen Quellen verräth.
Und was soll man von dem Yellowstonesee und seinen mit Obsidianen bestreuten Ufern sagen, dessen Spiegel in der Höhe von siebentausend Fuß erglänzt? Dieses dreihundertdreißig Quadratmeilen (854 Quadratkilometer) große Becken mit krystallklarem Wasser enthält mehrere bergige Inseln, und an manchen Stellen, nicht nur am Rande, sondern auch auf seiner Oberfläche, brechen Dampfwolken hervor. Es ist ein tiefes, im übrigen stilles Gewässer, worin es von Forellen wimmelt und das von Gebirgsbildungen von unvergleichlicher Schönheit beherrscht wird.
Im Anblick dieser Wunderwelt sammelte Max Real unauslöschliche Erinnerungen, ohne nach Stunden und Tagen zu fragen. Ein unermüdlicher Tourist, besuchte er die Umgebungen des Yellowstonesees und in seiner weiteren Nachbarschaft die Wasseransammlungen die von zerfaserten Algen fast purpurroth gefärbt waren. Er stieg hinauf bis zu den herrlichen Becken der Mammoth Springs und badete in den kreisförmig darum liegenden Basaltbehältern, die mit lauwarmem Wasser gefüllt und von aufsteigenden Dampfblasen bewegt sind. Er stand betäubt von dem mächtigen Raufschen vor den zwei Yellowstonefällen, die auf der Strecke einer halben Meile (800 Meter) als Wasserstürze, Stromschnellen und Cascaden durch ein enges, von Lavafelsen begrenztes Bett dahin saufen und sich endlich durch einen Sprung von hundertzwanzig Fuß in feinsten Wasserstaub auflösen. Er lustwandelte zwischen den Feuercanälen, die neben dem Bergstrome des Fire Hole münden. In diesem, von dem wilden Nebenarme des Madison zernagten Thale sprudeln warme Quellen zu Hunderten hervor und steigen Schlammfontainen und Geyser auf, mit denen sich die berühmtesten Geyser Islands nicht messen können.
Und welch sinnberückendes Bild bietet längs seiner Ufer der launenhaft gewundene Fire Hole, der, aus einer Art Lagune entspringend, nach Norden hin abfließt. Auf allen Absätzen des Gebirgsstockes, die sich bis zu seinem Bett hinunter fortsetzen, folgt ein Krater dem anderen, und aus allen brodeln Geyser mit bezeichnenden Namen auf. Hier findet man den Old Faithful (den Alten Getreuen) mit seinen regelmäßigen Ausbrüchen, deren »Treue« jetzt allerdings, wo unregelmäßige Eruptionen häufiger auftreten, etwas ins Wanken gekommen zu sein scheint. Hier erhebt sich ferner das »Feste Schloß« am Rande eines sumpfigen Teiches in Form eines alten Wartthurmes, dessen Mauern von dem Regen sich niederschlagenden Dampfes überschwemmt werden. Weiter die »Ruche« (der Bienenkorb) mit unregelmäßiger Schachtmündung, deren Rand sich über den Erdboden wie der Rest eines weiten, dickwandigen Thurmes erhebt – endlich der »Große Geyser«, mit alle zweiunddreißig Stunden auftretenden Ausbrüchen, der »Riese«, dessen flüssige Wolken hundertzwanzig Fuß hoch aufwirbeln, und die »Riesin«, die die ihrigen gar zweihundert Fuß hoch hinausschleudert.
Im oberen Becken entfaltet sich der »Fächer« mit seinen in allen Farben des Regenbogens spielenden Lamellen, sobald ein Sonnenstrahl darauf trifft. Unsern davon rauscht der »Excelsior« auf, dessen Mittelsäule von etwa fünfzig Meter Umfang mit ihrem mächtigen Wasserschwalle Trümmer von Felsgestein und aus der Kruste der Erde losgerissene Lavastücke emporschleudert. Eine Meile (1609 Meter) von hier trifft man auf den »Geyser der Grotte« oder richtiger der »Quelle«, der gewaltige Steinblöcke rund um Bogenbildungen, die Mündungen düsterer Höhlen, worin plutonische Kräfte unausgesetzt thätig sind, mit zierlichen Wasserguirlanden umfaßt. Endlich schäumt hier der »Blutgeyser«, der Ausstoß eines Kraters mit röthlichen Thonwänden, die er im Vorüberströmen benagt, so daß er eine Garbe von Blut auszuspeien scheint.