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Versteifte sich John Milner nicht geradezu auf seinen Theatercoup, so hätte er gewiß daran gedacht, den vorzüglichen Boxer in Cleveland zu zeigen, in jener prächtigen Stadt am Eriesee, ihn auf der Euklidavenue, der schönsten aller Alleestraßen der Union, spazieren zu führen und mit ihm durch die breiten, regelmäßigen, von wunderschönen Ahornbäumen beschatteten Straßen zu lustwandeln.

Die Stadt verdankt ihren Reichthum der Ausbeutung von Mineralölquellen, deren Becken mit ihrem Hafen, dem belebtesten am Eriesee, in Verbindung stehen. Der Handelsverkehr hier überschreitet den Werth von zweihundert Millionen Dollars. Von Cleveland hätte sich Tom Crabbe dann nach Toledo und nach Sandusky, ebenfalls zwei Binnenseehäfen und Sammelplätzen der Fischerflottillen, begeben müssen, und weiter nach den Industriecentren, die ihre Lebenskraft aus dem Ohio ebenso schöpfen, wie die Organe des menschlichen Körpers aus dem Blute der Pulsadern, nach Starbenville, Marietta, Gallipolis und vielen anderen. Hier wäre auch noch Columbus, der Sitz der Regierung des Staates, zu nennen, eine neunzigtausend Seelen zählende Stadt mit prächtigen öffentlichen Gebäuden und außerdem einer der reichsten Niederlagsplätze für Bodenerzeugnisse, sowie der Mittelpunkt einer regen Metallindustrie und Kohlengewinnung.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß von hier aus Schienenstränge nach allen Richtungen ausstrahlen, nach den fruchtbaren Ackerbaubezirken, den Getreidefeldern, auf denen der Maisanbau vorherrscht, den Tabakpflanzungen und Weingärten, die anfänglich wieder verkümmern zu sollen schienen, aber fröhlich gediehen, als die europäischen Reben durch amerikanische ersetzt worden waren, nach den üppig grünen Ebenen und den Waldungen mit schönen Baumarten, wie Akazien, Zirbelkiefern, Zucker-und rothem Ahorn, Schwarzpappeln und Platanen mit einem Stammumfang von dreißig bis vierzig Fuß, die sich fast mit den riesigen Sequoias des Westens messen können. Das von der Natur mit so freigebiger Hand bedachte Ohio, einer der mächtigsten Staaten der Union, sendet darum auch von den fünfunddreißig Senatoren und hundert Abgeordneten seines eigenen gesetzgebenden Körpers zwei Senatoren und fünfundzwanzig Abgeordnete nach dem Bundescongreß.

Hierzu kommt noch eine ausgebreitete Viehzucht und ein lebhafter Viehhandel des Landes, der die Schlachthäuser von Chicago, Omaha und Kansas reichlich versorgt, was die Lebhaftigkeit seiner Märkte erklärt und damit auch die der Ausstellung von Rindern, Schafen und Schweinen, die am 30. dieses Monats abgehalten werden sollte.

An eine solche Kreuz-und Querfahrt, die John Milner nicht wenig aufgehalten hätte, war aber nicht zu denken. Tom Crabbe wird, auch in bedeutenderen Städten, nicht auftreten. Er ist ohne Unfall und Beschwerde nach Art eines Vergnügungsreisenden an der Grenze von Kentucky angekommen. Während seines Aufenthaltes in Texas hat er sich vollkommen erholt und seine frühere Körperkraft wiedererlangt.

Schon war der Ausstellungsplatz voller Besucher. (S. 262.)

Auch unterwegs hat er nichts davon verloren, er ist in »bester Form«, und welch ein Triumph muß es werden, wenn er vor den Leuten in Spring Grove erscheint!

Am nächsten Tage wollte John Milner, doch wohl verstanden, ohne Begleitung seines neugierigen Genossen, einen Gang durch die Stadt machen.

»Tom, sagte er zu diesem, bevor er das Hôtel verließ, ich lasse Dich zurück und Du wirst mich hier erwarten.«

Da es nicht danach aussah, als wollte ihn John Milner wegen seiner Absicht erst befragen, hatte Tom Crabbe darauf nichts zu antworten.

»Du wirst unter keinerlei Vorwand aus dem Zimmer gehen,« setzte John Milner hinzu.

Tom Crabbe wäre jedenfalls ausgegangen, wenn man es von ihm verlangt hätte; jetzt wurde ihm das Gegentheil empfohlen, folglich blieb er, wo er war.

»Sollte ich länger ausbleiben, fügte John Milner noch hinzu, so wird man Dir Dein erstes Frühstück bringen, dann das zweite, hierauf auch den Lunch, später das Mittags-und ebenso das Abendessen. Ich werde das Nöthige bestellen und Du brauchst Dich wegen Deiner Nahrung nicht zu sorgen.«

Nein, sicherlich, Tom Crabbe würde sich deshalb keine Sorge machen und unter diesen Umständen die Rückkehr John Milner’s geduldig abwarten. So schleppte er denn seine gewaltige Masse nach einem großen Rocking-chair, setzte sich hinein und versenkte sich, leicht schaukelnd, in das Nichts seiner Gedanken.

John Milner begab sich nach dem Bureau des Hauses hinunter, bestimmte die Reihenfolge der stoffreichen Speisen, die seinem Begleiter aufgetragen werden sollten, ging durch das Hôtelthor, wendete sich durch die Straßen von Covington dem Ohio zu, überschritt diesen mittelst einer Dampffähre, landete an seinem rechten Ufer und durchwanderte nun, die Hände wie ein Spaziergänger in den Taschen, das Handelsviertel der Stadt.

Hier ging es, wie John Milner sofort wahrnehmen mußte, äußerst lebhaft zu. Kam er an ein paar Leuten vorbei, so bemühte er sich wohl, etwas von dem, was diese sprachen, zu erlauschen. Uebrigens zweifelte er gar nicht daran, daß sich hier alle Welt schon mit dem bevorstehenden Eintreffen des zweiten Partners beschäftigte.

So schlenderte denn John Milner von einer Straße zur anderen zwischen sichtlich erregten Leuten hin und blieb gelegentlich in der Nähe von Ansammlungen solcher stehen, die sich da und dort vor Kaufläden oder auf freien Plätzen gebildet hatten und in lebhaften Erörterungen begriffen waren. Auch Frauen befanden sich darunter, und diese verstehen es, ihren Gedanken lauten Ausdruck zu geben, in Amerika mindestens ebenso gut, wie in sonst einem Lande der Alten Welt.

John Milner fühlte sich recht befriedigt, nur hätte er gern gewußt, wie ungeduldig man hier wäre, Tom Crabbe in Cincinnati noch nicht erblickt zu haben. Deshalb wendete er sich an den ehrsamen Dick Wolgod, seines Zeichens Händler mit feineren Fleischwaaren, der mit einem Hute auf dem Kopfe, in schwarzer Kleidung, doch mit der Arbeitsschürze darüber, an der Schwelle seiner Thür stand. Er betrat den Laden des Mannes und verlangte einen Schinken, für den er ja, wie wir wissen, stets bequeme Verwendung hatte. Nachdem er ohne zu handeln bezahlt hatte, begann er wie von ungefähr beim Fortgehen:

»Morgen beginnt ja wohl die Ausstellung…

– Ja, ein hübsches Unternehmen, antwortete Dick Wolgod, eine Ausstellung, die unsrer Stadt zur Ehre gereichen wird.

– Das wird in Spring Grove einen großen Zusammenlauf geben, bemerkte John Milner.

– Die ganze Stadt wird draußen sein, bestätigte Dick Wolgod mit der Höflichkeit, die jeder Charcutier einem Kunden schuldet, der ihm eben einen Schinken abgekauft hat. Bedenken Sie nur, geehrter Herr, eine solche Ausstellung…«

John Milner spitzte die Ohren. Er war verdutzt. Wie konnte jemand ahnen, daß er die Absicht habe, Tom Crabbe in Spring Grove vorzuführen?

»Man fürchtet also, fuhr er fort, keine Verspätung, die doch möglich wäre?

– Nicht im mindesten.«

Da eben ein neuer Kunde eintrat, ging John Milner in nicht geringer Bestürzung seines Weges. Man versetze sich auch nur in seine Lage…

Kaum hundert Schritte weiter gekommen, blieb er an der Ecke der fünften Querstraße plötzlich stehen, hob die Arme zum Himmel empor und ließ dabei seinen Schinken auf das Trottoir fallen.