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Nichts schien seine Reise stören oder ihn verhindern zu sollen, am bestimmten Tage in Charleston zu sein. Und doch wär’ er beinahe nicht rechtzeitig dort eingetroffen, ja es ihm fast unmöglich geworden, je wieder zu reisen, und zwar infolge eines Zwischenfalles, den kein Mensch hätte voraussehen können.

Gegen siebeneinviertel Uhr schlenderte Harris T. Kymbale auf dem Perron des Bahnhofes dahin, um sich über die Abfahrtszeiten der Züge zu unterrichten, als er plötzlich an ein Individuum, das aus einem der Bureaus heraustrat, tüchtig anrannte oder von diesem angerannt wurde.

Das veranlaßte folgenden zarten Wortwechseclass="underline"

»Tölpel!

– Dummkopf!

– Sehen Sie doch vor sich hin!

– Und Sie hinter sich!«

Noch weiter flogen kräftige Worte wie Revolverkugeln hin und her, wie das ja meist geschieht, wenn zwei Personen von lebhaftem Charakter und reizbarem Temperament aneinander gerathen.

Einer der beiden war das in hohem Grade, und das wird der Leser glauben, wenn er hört, daß der eine… Hodge Urrican war.

Harris T. Kymbale erkannte seinen Concurrenten.

»Der Commodore! rief er.

– Der Zeitungsschreiber!« erhielt er zur Antwort mit einer Stimme, die aus einem Feuerschlunde zu kommen schien.

Es war in der That der Commodore Urrican, diesmal ohne seinen getreuen Turk, und man konnte es ein wahres Glück nennen, daß Turk sich jetzt nicht in den Streit, der dann in schlimmster Weise ausgeartet wäre, einmengen konnte.

Hodge Urrican hatte also nicht nur den Schiffbruch der »Chicola« überlebt, sondern auch Gelegenheit gefunden, Key West wieder zu verlassen. Doch wie?… Jedenfalls mußte er seine Reise ungemein beschleunigt haben, da er sich am 25. ja noch in Florida befand. Wahrlich, eine richtige Auferstehung vom Tode, denn nach seiner in so hoffnungslosem Zustande erfolgten Landung in Key West mußten seine Partner glauben, daß der Match der »Sieben« nur noch unter sechs Theilnehmern zum Austrag kommen werde.

Kurz, Hodge Urrican war in Saint-Louis, und zwar mit Fleisch und Bein, wovon sich sein Mitbewerber eben bei dem Zusammenprall überzeugt hatte, doch mit noch schlechterer Laune als je. Das erscheint begreiflich; befand er sich doch auf dem Wege nach Californien mit der Verpflichtung, nach Chicago zurückzukehren und die Partie unter Erlegung des dreifachen Einsatzes wieder von vorn anzufangen.

Harris T. Kymbale, eine gutmüthige Natur, glaubte etwas einlenken zu sollen.

»Meine besten Glückwünsche, Commodore Urrican, sagte er, denn ich sehe, daß Sie ja nicht todt sind…

– Nein, mein Herr, auch nicht getödtet durch die Rempelei eines Tölpels und völlig im Stande, die unter die Erde zu bringen, die sich ohne Zweifel schon freuten, mich nie wieder auftauchen zu sehen!

– Und das sagen Sie mir? fragte der Reporter, die Stirn runzelnd.

– Ja, Herr, erwiderte Hodge Urrican, der seinem Gegner scharf ins Auge sah, ja, Sie Herr großer Favorit!«

Es hörte sich an, als ob er das Wort kaute, es zwischen den Backzähnen zermalmte.

Harris T. Kymbale, der auch nicht allzuviel ertrug und allmählich warm wurde, antwortete:

»Mir scheint, nach Californien zu fahren, um nach Chicago zurückzukehren, das lehrt die Leute wenig höflich zu sein!«

Damit berührte er beim Commodore den wundesten Punkt.

»Sie beleidigen mich, Herr! rief er.

– Nehmen Sie es auf, wie Sie wollen!

– Nun, ich nehme es schlecht auf, und Sie werden mir für Ihre Unverschämtheit Genugthuung geben!

– Auf der Stelle, wenn Sie wollen!

– Ja, wenn ich Zeit hätte, knurrte Hodge Urrican, doch ich habe keine.

– So nehmen Sie sich welche!

– Nehmen?… Jetzt nehme ich nur den eben abgehenden Zug, den ich nicht verpassen darf!«

In der That pfiff schon die Locomotive und der in Dampfwolken eingehüllte Zug begann sich in Bewegung zu setzen. Es war keine Secunde mehr zu verlieren. Der Commodore schwang sich auf das Trittbrett zwischen zwei Wagen.

»Herr Journalist, rief er mit Donnerstimme noch herunter, Sie werden von mir hören… werden Nachricht erhalten…

– Wann denn?

– Noch heute Abend… im European Hotel.

– Ich werde zur Stelle sein, antwortete Harris T. Kymbale.

– Ah… schön, fuhr er für sich fort, als der Zug die Halle verlassen hatte, da hat sich der Querkopf aber gründlich getäuscht… er ist ja gar nicht in den nach Omaha gehenden Zug gestiegen! Jetzt fährt er dahin, wo er gar nichts zu suchen hat! Doch gleichgiltig… das geht ja ihn allein an!«

Thatsächlich rollte der Zug in östlicher Richtung hinaus, in der, die Harris T. Kymbale einzuschlagen hatte, um nach Charleston zu kommen.

Dennoch hatte sich Hodge Urrican nicht geirrt… er kehrte nämlich nur nach der nächsten Station, Herculanum, zurück, wo Turk ihn erwartete. Wegen seines zurückgebliebenen Koffers war es nämlich zwischen dem Commodore und dem Bahnhofsvorsteher von Herculanum zu einer erregten Auseinandersetzung gekommen, zu einem Wortwechsel, in dessen Verlaufe Turk genanntem Vorsteher drohte, ihn in die Feuerbüchse einer seiner Locomotiven zu stecken. Sein Herr hatte ihn beruhigt; sofort benutzte dieser aber einen eben abgehenden Zug, um im Bahnhofe von Saint-Louis seine Reclamation persönlich anzubringen. Die Sache war leicht genug zu ordnen; der Koffer sollte telegraphisch verlangt und sofort nach Herculanum befördert werden, und in dem Augenblick, wo Hodge Urrican das Vorstandsbureau verließ, um auch nach Herculanum zurückzukehren, war es zu jenem Zusammenstoß mit dem Berichterstatter gekommen.

Da sein Gegner jedoch abgefahren war, schlug sich Harris T. Kymbale den ganzen Zwischenfall aus dem Sinne. Er begab sich nach dem European Hotel zurück, in dem er zufällig selbst abgestiegen war. Nach der Tafel unternahm er einen längeren Spaziergang durch die Stadt, und als er davon zurückkehrte, händigte man ihm einen Brief ein, der mit dem letzten Zuge von Herculanum gekommen war.

Wahrlich, es bedurfte eines chemisch zusammengesetzten Gehirnes wie dessen, das unter dem Schädeldache Hodge Urrican’s glühte, eine Epistel wie die nachfolgende aufzusetzen:

»Herr vierter Partner – Sie besitzen ohne Zweifel einen Revolver, so gut wie ich. Ich werde morgen früh um sieben den Zug benutzen, der von Herculanum nach Saint-Louis abgeht. Ich fordere Sie auf, zu gleicher Stunde den von Saint-Louis nach Herculanum gehenden Zug zu benutzen. Das ändert nichts weder an Ihrer Reiseroute noch an der meinigen.

Diese beiden Züge kreuzen sich um sieben Uhr siebzehn Minuten. Wenn Sie nicht der Mann sind, andere Leute nur zu stoßen, sie zu insultieren, ohne ihnen Genugthuung zu geben, so stehen Sie zum angegebenen Zeitpunkte, und zwar allein, auf dem hinteren Trittbrett des letzten Personenwagens vor dem Gepäckwagen, sowie ich mich auf dem Trittbrett des letzten Wagens meines Zuges befinden werde – da werden wir Gelegenheit haben, ein paar Kugeln zu wechseln.

Commodore Hodge Urrican.«

Man sieht es, immer der schreckliche Mann, und noch hatte er Turk nichts von dem vorliegenden Streite, noch von der Herausforderung gesagt, aus Furcht, die Sachlage weiter zu verschlimmern.

Um aber einen seiner würdigen Gegner zu finden, hätte er sich an keinen Besseren als an den Berichterstatter der »Tribune« wenden können. Dieser fühlte sich ganz auf der Höhe der Situation.

»Nun, wenn dieser Salzhäring sich etwa einbildet, daß ich vor ihm zu Kreuze krieche, rief er, so täuscht er sich gewaltig!… Ich werde zur angegebenen Zeit auf meinem Trittbrett ebenso stehen, wie er auf dem seinigen! Die grüne Flagge eines Journalisten senkt sich nicht vor der orangefarbenen Flagge eines Commodore!«

Man beachte hierzu wohl, daß in Amerika alle Dinge möglich sind und daß man über diesen seltsamen Zweikampf deshalb gar nicht zu staunen braucht.