Wollte man sagen, daß Harris T. Kymbale hier mit Begeisterung empfangen worden wäre, so bliebe das hinter der Wahrheit zurück, es verband sich damit vielmehr eine Art Delirium bezüglich des Partners, den die Stadt als den Auserkorenen von den »Sieben« ansah. Die anderen zählten gar nicht mit. Für die Charlestoner gab es nur einen einzigen… den, den der Wurf von zehn Augen ihnen zugesendet hatte. Was die Millionen des seligen Hypperbone betraf, so war es so gut, als hätte er sie bereits in der Tasche.
Achtundvierzig Stunden lang drängte eine Einladung die andere, ohne daß der populäre Reporter sie ablehnen konnte, ebensowenig wie kleine Ausflüge in die Umgebung, wo die Orangen im Freien wachsen. An den von auffallenden Placaten bedeckten Mauern prangte der Name Harris T. Kymbale’s in leuchtender Schrift und am Abend in großen, durch elektrische Glühlampen gebildeten Buchstaben.
Ein so ausgezeichnet aufgenommener Gast nahm gegen die Stadt eine große Schuld der Dankbarkeit auf sich. Er beabsichtigte auch, wenn er die Partie gewönne – so erklärte er – in Charleston ein Hospiz für arme Leute ohne Familie zu gründen. Hier ist auch einzufügen, daß eine Menge von Bedürftigen bei der zuständigen Behörde ihre Namen vormerken ließ, um sich die ersten Plätze in jener wohlthätigen Anstalt zu sichern. Man sieht, der zukünftige Gewinner zeigte sich in Charleston in Südcarolina noch freigebiger und edler als in Denver in Colorado.
Inmitten aller jener Festlichkeiten kam der Abend des 3. Juni heran. Vermittelst freiwilliger Zeichnung war ein glänzendes Bankett vorbereitet worden. Es sollte unter dem prächtigen Baumschatten etwas vor der Stadt nach der Mündung des Ashtley zu stattfinden. Die Menge der Theilnehmer begab sich dahin in großartigem Aufzuge mit flatternden Fahnen, die die Farben unseres Helden des Tages zeigten. Wir können hier nicht näher auf diese Schmauserei eingehen, da es doch unmöglich wäre, eine richtige Vorstellung von der Mannigfaltigkeit der Speisen oder von dem Prunk der Tafelausstattung zu erwecken.
Genüge es zu wissen, daß das Hauptgericht aus einer ungeheueren, achttausend Pfund schweren Pastete bestand, die in einem riesigen Ofen gebacken worden war und auf einem von zwölf Pferden gezogenen Wagen nach dem Festplatze gebracht wurde. Die Herstellung dieser Pastete erforderte zweitausend vierhundert Pfund Rindfleisch, vierhundert Pfund Kalb-und ebensoviel Lammfleisch, fünfhundertsechzig Pfund Schweinefleisch, hundertzwanzig Pfund Butter, dreihundertsechzig Pfund Speck, sechsundsiebzig Kaninchen, hundertachtundachtzig Hühner, zweihundert Tauben, zweitausendachthundert Pfund Mehl und zweihundertvierzig Stück Wildpret. Das riesige Backwerk maß vierzehn Fuß in der Breite, vierundzwanzig Fuß in der Länge und sechs Fuß in der Höhe. Mit fünf Fuß langen Messern zerlegten es zwanzig Köche, um damit mehrere tausend Personen zu befriedigen, denen daneben noch fünftausend Würstchen aufgetragen worden waren.
Dann brauste der Jubel los, den der Westwind weit aufs Meer hinaus trug:
»Hurrah für Harris T. Kymbale!… Hurrah für den vierten Partner!… Hurrah für die grüne Flagge!… Hurrah für den großen Favoriten des Match Hypperbone!«
Fünftes Capitel.
Die Höhlen von Kentucky.
Am 26. Mai war Lissy Wag auf dem Markte von Chicago – und die anderen Plätze folgten diesem nach – sehr lebhaft »gefragt« und stieg im Curs sogar bis auf drei gegen sieben. Kam anfänglich keine Hausse zu ihren Gunsten zum Durchbruch, so lag das an der vielfach verbreiteten Befürchtung, daß ein junges Mädchen nicht hinlängliche Ausdauer besitzen werde, die Beschwerden der einander schnell folgenden Ortsveränderungen auszuhalten, und überdies verminderte ihre Erkrankung noch das wenige Zutrauen, das sie den Leuten einflößte.
Zur Zeit ließ die Gesundheit der fünften Partnerin indeß nichts zu wünschen übrig. Außerdem war der zweite Wurf von sechs Augen, die doppelt zu rechnen waren und womit sie nach Kentucky gewiesen wurde, für sie recht günstig gewesen. Einerseits belief sich die Fahrt dahin nur auf wenige hundert Meilen, und andererseits nahm Kentucky auf der Karte das achtunddreißigste Feld ein. Lissy Wag hatte in zwei Sprüngen also mehr als die Hälfte der dreiundsechzig Felder überschritten. Es wird darum niemand wundernehmen, daß Jovita Foley triumphierend die ihrer Freundin zugetheilte gelbe Flagge schwenkte und daß sie diese schon auf den Millionen William I. Hypperbone’s aufgepflanzt sah.
Angenommen, daß Lissy Wag sich dafür interessierte, was man sich von ihren Aussichten versprach, für die Sinnesänderung, die ihr die Gunst der großen Menge zugewendet hatte, so hätte sie wenigstens seit ihrer vorübergehenden Rückkehr nach Chicago nicht wenig stolz sein können.
Bekanntlich hatten Lissy Wag und Jovita Foley sich am 23. beeilt, aus Milwaukee wegzukommen, um da nicht mit dem geheimnißvollen X. K. Z. zusammenzutreffen, was sie ja genöthigt hätte, erstens den einfachen Einsatz zu erlegen und zweitens, ihren Platz dem siebenten Partner abzutreten, selbst aber die Partie von vorn anzufangen.
Die beiden Freundinnen trafen nämlich in der Hauptstadt von Illinois in blühendster Gesundheit ein, und da ihre Rückkehr von den Tageszeitungen gleich gemeldet worden war, stellten sich sofort auch einige Reporter in dem Hause der Sheridan Street ein.
Die Folge dieses Besuches war, daß der »Chicago Herald« noch am nämlichen Abend ein Interview veröffentlichte, aus dem hervorging, daß die zwei jungen Mädchen sich »in bester Form« befanden, denn jetzt verstand man meist beide unter der gelben Flagge, eine Anschauung, die der kleinen Närrin Jovita Foley natürlich nicht wenig gefiel. Trotz des Drängens Jovitas blieben sie volle fünf Tage in Chicago. Es wäre ja nutzlos gewesen, viele Hôtelausgaben zu machen, und erschien jedenfalls richtiger, im eigenen Hause zu verweilen. Ja, es wäre sogar am klügsten gewesen, ebenda bis zu dem Tage vorher zu warten, wo das Telegramm des Meister Tornbrock in Kentucky eintreffen sollte. Am 27. konnte sich Jovita Foley aber nicht mehr halten.
»Wann reisen wir denn ab? fragte sie erregt.
– O, wir haben ja Zeit genug, antwortete Lissy Wag. Bedenke doch. Zeit bis zum 6. Juni, und heute ist, erst der 27. Mai. Das sind volle zehn Tage, und Du weißt doch, daß man nach Kentucky in vierundzwanzig Stunden kommen kann.
– Ja freilich, Lissy. Wir haben uns aber nicht allein nach Kentucky zu begeben, auch nicht nach seiner Hauptstadt Frankfort, sondern nach den Mammuthhöhlen, einem der Wunder der Vereinigten Staaten und vielleicht aller fünf Erdtheile. Welch schöne Gelegenheit, diese Grotten zu besuchen, und welch ein herrlicher Gedanke des wackeren Herrn Hypperbone, uns dahin zu schicken…
– Das hat er nicht gethan, Jovita, sondern die Würfel mit ihren als zwölf geltenden Augen…
– Ich bitte Dich… er wär’ es also nicht gewesen, der die Mammuthhöhlen im Staate Kentucky ausgewählt hätte? Ich würde ihm dafür Dank wissen, mein Leben lang, und auch so lange er immer leben möchte, wenn er nicht schon im Oakswoods-Friedhofe schlummerte! Freilich, wäre er nicht in der anderen Welt, so könnten wir jetzt nicht um seine Hinterlassenschaft wettlaufen. Doch nochmals, wann reisen wir ab?
– Sobald Du willst…
– Also… morgen früh…
– Einverstanden… indeß, setzte Lissy Wag hinzu, wir sollten doch wohl Herrn Marshall Field erst noch einen Besuch abstatten…
– Ja, da hast Du recht, Lissy.«