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Das geschmackvoll servierte, von einem französischen Koch bereitete Mittagsmahl war vortrefflich und reichlich, obwohl es nicht die große Zahl der in Amerika üblichen Schüsseln aufwies. Es bestand aus Gombosuppe (Gombo ist eine der Kapuzinerkresse ähnliche kleine Blume), aus Forellen, die ganz frisch aus dem hübschen Nebenflusse des Green River da geholt waren, wo er sich zu einer friedlichen Lagune erweitert, aus dem unvermeidlichen Roastbeef nebst den gebräuchlichen Saucen, aus zartem Schinken, dem nationalen Plumcake und aus Gemüsen und Früchten aller Art.

Von mehreren Tischgästen wurde den beiden Freundinnen auch in Champagner fleißig zugetrunken, und wenn sie mit dem schäumenden Weine auch ihre Lippen nur netzten, so beantworteten sie diese Höflichkeit doch stets mit einer graciösen Verneigung. Dann donnerten begeisterte Toaste auf den bevorstehenden Sieg der reizenden Favoritin im Match Hypperbone durch den gefüllten Saal.

Noch niemals hatte Jovita Foley an einer so festlichen Tafel theilgenommen. Uebrigens bewahrten Lissy Wag und sie selbst die würdigste Zurückhaltung, nur mit dem kleinen Unterschiede, daß die eine alle Complimente mit ihrer natürlichen Bescheidenheit annahm, die lebhafte andere aber ihre innere Befriedigung darüber nicht verhehlte.

Erst gegen zehn Uhr abends konnten beide ihr Zimmer wieder aufsuchen.

»Nun, was sagst Du dazu? fragte Jovita Foley.

– Ich?… Gar nichts, antwortete Lissy Wag.

– Wie, Dich hat die Aufnahme, die wir hier gefunden haben, ganz kalt gelassen? Dich hat die Art und Weise, wie der Herr Gouverneur uns behandelte, die Liebenswürdigkeit dieser Menge von Touristen, welche sicherlich alle auf uns wetten werden, gar nicht tiefer berührt?

– Die armen Leute, die auf uns ihr Geld einsetzen!

– Und Du hast kein Verlangen, ihnen dadurch, daß Du gewinnst, Deine Dankbarkeit zu beweisen?

– Ich habe jetzt nur das Verlangen, bald zu schlafen, erwiderte Lissy Wag, und werde mich niederlegen, indem ich Dich ersuche, das Gleiche zu thun.

– Schlafen?… Wäre nur das jetzt möglich?

– Gute Nacht, Jovita!

– Meinetwegen… Gute Nacht, Du kleine Millionennixe! antwortete Jovita Foley, die schließlich doch wohl etwas mehr gethan hatte, als ihre Lippe an den Champagnerkelchen nur zu netzen. Ach, ich möchte, es wäre schon morgen!« setzte sie noch leise gähnend hinzu.

Der nächste Tag kam in gewohnter Ordnung und begann mit einem schönen Sonnenaufgang, freilich zwei Stunden eher, als Jovita Foley sich erhob.

Lissy Wag konnte der dringlichen Aufforderung, das Lager zu verlassen und sich schnell anzukleiden, nicht widerstehen, und so waren denn beide um acht Uhr fertig, das Hôtel zu verlassen.

Die Besichtigung der gesammten Grotten von Kentucky – soweit sie bis jetzt bekannt und gangbar sind – erfordert etwa sieben bis acht Stunden. Der Hauptgang darin hat eine Länge von drei bis vier Lieues (1 Lieue de poste = 3898 Meter), der Inhalt der Höhlengruppe aber wird auf elf Milliarden Cubikmeter berechnet. Sie ist nach allen Richtungen von Hunderten von Gängen, Galerien, Durchgängen und Schluchten durchschnitten, und zwar, wir weisen wiederholt darauf hin, nur in dem bis jetzt durchforschten Theile.

Heute schrieb man den 31. Mai, und bis zum Morgen des 6. Juni hatte Lissy Wag also noch volle sechs Tage zur Verfügung. Gut angewendet, mußte diese Zeit genügen, auch die neugierigste Besucherin – und wäre es selbst die quecksilberne Jovita Foley – reichlich zufrieden zu stellen. Man begiebt sich nach den Höhlen stets in größeren Gesellschaften und unter Leitung der erprobtesten Führer, die zu diesem Zwecke fest angestellt sind.

In warmhaltender Kleidung, denn in den tiefen Erdhöhlen herrscht eine ziemlich niedrige Temperatur, betraten die Touristen beiderlei Geschlechtes um neun Uhr den Fußpfad, der, sich zwischen Felsmassen hinschlängelnd, nach den Grotten führt. So kamen sie nach der engen Oeffnung in einem Felsriesen, dem einfachen Eingange zu einer Art Stollen, den man in demselben Zustande, wie ihn die Natur einst schuf, belassen hat, und durch den hochgewachsene Menschen nicht eintreten können, ohne sich zu bücken.

Die Führer waren von Negern begleitet, die Grubenlampen und Fackeln trugen, welche sofort angezündet wurden, und unter dem Widerscheine des Lichtes, das sich an tausend Facetten der Wände brach, erreichten die Besucher eine aus dem Gestein geschnittene Treppe. Diese Treppe mündet oben an einer breiteren Galerie, welche unmittelbar nach dem sehr geräumigen Saal der Rotunde hinführt.

Von hier aus verzweigen sich die vielfachen Seitengänge, deren gewundenen Verlauf man kennen muß, um nicht in die Gefahr zu kommen, sich zu verirren, wenn man etwa aus Sparsamkeit auf die Begleitung eines Führers verzichtet hatte. Es giebt nirgends ein verwickelteres Labyrinth, auch die von Lemnos und Kreta nicht ausgenommen.

Durch einen langen, schmalen Gang erreichten die Touristen hierauf einen der ausgedehntesten unterirdischen Räume der Mammuthhöhlen, der den Namen der Gothischen Kirche erhalten hat.

Der gothischen?… Zeigt dieses unterirdische Bauwerk wirklich den charakteristischen Spitzbogenstil der Gothik? – Damit ist es zwar nicht so genau zu nehmen, doch bleibt es trotzdem wunderbar schön mit den Stalagmiten und Stalaktiten, die von seinem Deckengewölbe herabhängen, durch die merkwürdig gewundenen Säulen, die das Dach tragen, durch die Gestaltung der aufeinandergeschichteten Felslager, deren Krystallgebilde im Lichte flimmern, und durch die natürliche und doch so phantastische Vertheilung des Gesteins, das hier einen Altar mit allem liturgischen Schmucke, dort eine Empore mit einer Orgel darstellt, deren Pfeifen bis zu den Rippen der Deckenwölbung hinausreichen, und dort wieder einen Balkon oder eine Art Kanzel bildet, von wo aus schon mehrfach zufällig anwesende Geistliche vor einer Gemeinde von fünf-bis sechstausend Gläubigen gepredigt haben.

Selbstverständlich theilte die Gesellschaft von Ausflüglern das Entzücken Jovita Foley’s, und überall wurden unwillkürliche Ausrufe der Bewunderung laut.

»Nun, Lissy, bedauerst Du unsere Reise?

– Nein, Jovita, hier ist es überraschend schön!

– Sagst Du Dir aber auch, daß alles das das Werk der Natur ist, daß keine Menschenhand diese Grotten hätte aushöhlen können, daß wir uns tief in den Eingeweiden des Erdbodens befinden?

– Ja – und ich erschrecke nur, antwortete Lissy Wag, bei dem Gedanken, daß man sich hier verirren könnte.

– O, das glaub ich Dir gern, mein Herzchen, Du siehst uns schon beide in den Mammuthhöhlen verloren, so daß wir das Eintreffen des Telegramms von dem guten Herrn Tornbrock verfehlen, nicht wahr, Schatz?…«

Eine halbe Lieue war schon von der Eingangsöffnung bis zur Gothischen Kirche zurückzulegen gewesen. Im weiteren Verlaufe des Besuches wurde es sehr häufig nöthig, sich zu bücken, zuweilen sogar durch die engen und niedrigen Gänge, die nach dem Saale der Gespenster führen, fast zu kriechen. Hier fühlte sich Jovita Foley aber schwer enttäuscht, da sie keine der geisterhaften Erscheinungen sah, die ihre Phantasie dieser tiefen, finsteren Höhle angedichtet hatte.

Der Saal der Gespenster dient in Wirklichkeit als ein Platz zum Ausruhen. Er ist durch Fackelschein gut erleuchtet und enthält ein wohlversorgtes Büffet, wo schon das für die Bewohner des Mammoth Hotel bestimmte Frühstück bereit stand.

Dieser Saal sollte eigentlich das Sanatorium heißen, denn hierher begeben sich nicht selten Kranke, die der Atmosphäre der kentuckyschen Grotten eine besondere Heilkraft zuschreiben. Auch heute hatten sich deren wohl zwanzig versammelt, die sich jetzt an Tischen vor dem riesigen Skelet eines Mastodons niederließen, von dem die weiten Erdhöhlen jedenfalls den Namen Mammuth erhalten haben.

Hier endete der erste Theil der Besichtigung der Grotten, deren Besuch fortgesetzt werden sollte, wenn die Touristen erst noch in einer kleinen Kapelle, gleichsam einer Miniaturnachbildung der Gothischen Kirche, Halt gemacht hätten. Der Besuch endigt vor einem bodenlosen Abgrunde, in den die Führer angezündetes Papier zu werfen pflegen, um die schauerliche Tiefe zu beleuchten, vor dem Bottomleß-Pit, dessen ausgehöhlte Wand den sogenannten Teufelsstuhl bildet, an den sich – das Gegentheil wäre weit merkwürdiger – so manche Sage knüpft.