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Wenn ein Max Real oder ein Harris T. Kymbale unter ähnlich liegenden Verhältnissen es gewiß bedauert hätten, Sacramento »schneiden« zu müssen, so hätten sie das bezüglich San Franciscos gewiß noch weit tiefer beklagt.

In der angegebenen Entfernung zeigte sich wirklich ein Schiff. (S. 319.)

Die dreimalhunderttausend Seelen zählende Metropole des Staates nimmt eine auf Erden ganz einzig dastehende Lage ein angesichts ihrer Bai von mehr als fünfhundert Quadratkilometern, die also etwa so groß ist wie der Genfersee und durch die Goldene Pforte mit dem Großen Ocean in Verbindung steht. Welch ein Genuß, sie zu durchstreifen, die Quartiere der vornehmen Welt, die breiten Straßenfluchten mit dem überaus lebhaften Verkehr, wie die Sacramento-und die Montgommerystraße, in der das Occidental Hotel aufragt, das groß genug ist, eine ganze Colonie aufzunehmen, die prächtige Verkehrsader, die gleichzeitig den Broadway, Picadilly und die Rue de la Paix des wunderbaren Frisco darstellt, mit blendend weißen Häusern mit Balkons und Minadores nach mexikanischer Art und mit ihren Blumen-und Laubgewinden; man muß ihre Gärten besuchen, worin die prächtigsten Arten der Tropenflora gedeihen, selbst ihre Friedhöfe, die Parke bilden, in denen es von Spaziergängern wimmelt, und, in acht Meilen (12 3/4 Kilometer) Entfernung, das Stelldichein der Stadtbewohner, das Cliff-House in der ganzen Schönheit einer wilden Natur. In Bezug auf Aus-und Einfuhrhandel wetteifert die Metropole mit Yokohama, Shanghaï and Hongkong, wie mit Sidney und Melbourne, den Königinnen der östlichen Meere.

Selbst wenn er hier eines Sonntags angekommen wäre, hätte der Commodore Urrican keine so todte Stadt, wie so viele andere in den Vereinigten Staaten, angetroffen. Seit das französische Element hier einiges Uebergewicht erlangt hat – nahezu ebensoviel wie das chinesische Element – hat sich Frisco mehr aus den Fesseln puritanischer Strenge befreit.

Unter der californischen Bevölkerung hätte der Commodore auch viele gefunden, die sich mit den tollsten Wetten am Match Hypperbone betheiligt hatten.

San Francisco ist vor andern die Stadt der Speculanten, die Stadt der »Trusts«, jener finanziellen Vereinigungen zum Aufkauf aller verwandten kleineren und mittleren industriellen Betriebe, der Ort, wo die Spielleidenschaft in ärgstem Maße herrscht, wo große Vermögen durch einige Börsenmanipulationen ganz wie durch Auswürfeln anwachsen oder dahinschmelzen, wo der Puls noch immer so schnell schlägt, wie vor fünfzig Jahren zur Zeit des verbreiteten Goldfiebers. Die waghalsigen Californier hätten der Benutzung eines Automobils durch den sechsten Partner gewiß ihren Beifall gezollt, und Hodge Urrican – der Mann, der offenbar »das Herz auf dem rechten Flecke« hatte – wäre, obwohl er die Partie unter so ungünstigen Umständen von vorn anzufangen hatte, von ihnen gewiß zum Favoriten erklärt worden.

Zur Entschuldigung kann es dem Commodore freilich dienen, daß er keine Stunde zu verlieren hatte und er, bei der Art seines Charakters, kaum je daran gedacht hätte, Californien, wenn auch nur flüchtig, zu besuchen. Max Real und vielleicht auch Harris T. Kymbale würden freilich, wenn ihnen die nöthige Zeit dazu zur Verfügung stand, ihre Neugierde und ihren Wissensdrang allseitig befriedigt haben. Auf einer der zahlreichen Bahnlinien oder mittelst Dampfers hätten sie sich gewiß nach Mariposa in der Nähe des unvergleichlich schönen Yosemitethals begeben, wo so zahllose Fremde zusammenströmen, oder nach Oakland, gegenüber von Frisco an der Küste der Bai, von dem aus ein jetzt schon fast vier Kilometer langer Hafendamm in Zukunft noch von einem Ufer bis zum anderen wachsen zu sollen scheint, ferner nach der Straße von Carquinez und nach Benicia, wo die Dampffähren die Eisenbahnen gleichsam verlängern, indem sie gleich ganze Züge über das Wasser befördern, nach dem reizenden Santa Clara, dessen Vereinigung mit dem benachbarten San José in kurzer Zeit bevorsteht, ferner nach der weitberühmten Sternwarte von Hamilton, nach dem spanischen Monterey, das schon wegen des Schattens seiner uralten Cedern zu einer gesuchten Genesungsstation geworden ist, oder nach Los Angelos an der Südküste, der zweiten Stadt des Staates, die sich eines herrlichen Klimas erfreut und überall von Baumbeständen mit Eucalypten, Pfefferbäumen, Ricinusarten, Orangenbäumen, Bananen, Kaffeebäumen, Theeplantagen, nebst Kautschukbäumen umgeben ist, wo das ganze Jahr über Früchte reisen, so daß die Stadt den Amerikanern des Westens als beliebtes Sanatorium gilt. Bei sorgsamer Ausnutzung der Fahrpläne hätten der junge Maler und der Berichterstatter der »Tribune« auch bis zur Südgrenze des Staates gelangen können, wo die hübsche Stadt San Diego, die sehr reine und heilsame Luft hat und am Ufer einer für tiefgehende Schiffe fahrbaren Einbuchtung liegt, der Ausbeutung ihrer Borax-und Sodalager entgegensieht.

Nein… Hodge Urrican hatte nichts gesehen, hatte gar nicht daran gedacht, etwas zu sehen, und verhielt sich voraussichtlich ebenso gleichgiltig auf der Fahrt durch das mittlere Californien. Er sagte sich, es sei genug, eigentlich schon zuviel, die Gegenden zwischen Keeler und dem Thale des Todes durchmessen zu haben.

Das von Sacramento gesendete Automobil erwies sich als ein vorzügliches Gefährt. Es war mit den neuesten Verbesserungen versehen und nach dem in Amerika fast allgemein eingeführten Adamson’schen System gebaut. Seine Triebkraft lieferte das Petroleum, von dem es Vorrath für eine ganze Woche mitführen konnte. Selbst in dem Falle, daß unterwegs kein Ersatz für das verbrauchte Mineralöl zu finden war, mußte das Automobil die vierhundertachtzig Kilometer des Hin-und Rückweges also ohne Schwierigkeiten zurücklegen können.

Jetzt saßen beide, Hodge Urrican und Turk, auf dem Rücksitze eines bequemen Wagens mit Halbverdeck, der Führer mit einem Gehilfen auf einem Vordersitze, von dem aus sie die Arbeit der Maschine und die Lenkung des Gefährtes überwachten. Ganz aus seiner Gewohnheit gerissen, zog sich der Commodore sozusagen völlig in sich selbst zurück, und Turk vermochte ihm nicht ein einziges Wort zu entlocken. Er dachte an nichts als an die Erreichung seines Zieles, immer gleichsam hypnotisiert von dem jetzt so fernen dreiundsechzigsten Felde, dem er doch schon so nahe gewesen war. Es handelte sich für ihn nicht um das Geld, das ihm der letzte Würfelfall kostete, nicht um die Ausgaben für den Sonderzug und die Automobilfahrt, von dem dreifachen Einsatze, den in Chicago zu erlegenden dreitausend Dollars, ganz zu schweigen, nein, es war für ihn eine Sache der Eigenliebe und der Ehre… es war die Scham, sich von den sechs anderen Partnern überholt zu wissen und – gestehen wir es nur ein – die Befürchtung, an der Hinterlassenschaft William I. Hypperbone’s »vorbeizuschießen«.

Schnell und regelrecht rollte das Automobil von Keeler aus ins Land hinaus, anfänglich auch auf ziemlich guter Straße, die der Führer bis zum Death Valley bereits befahren hatte. Sie verlief durch mehr einsam liegende Flecken nahe den letzten Ausläufern der Sierra Nevada, unter denen hier der Whineyberg mit seinem fast vierzehntausend Fuß (4267 Meter) hohen Gipfel aufragte. Nachdem es mehrere Creeks an seichten Stellen passiert hatte, lenkte das Automobil nach Südosten ein und überschritt den Chay-o-poo-vapahfluß, wonach es am Ausgang der Walkerpässe das Dorf der Indian Wells erreichte.