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Wenn er das Weiße Haus nicht kannte, so hätte er unter den vom Capitol ausstrahlenden Alleestraßen die Pennsylvaniastraße wählen können, die geraden Weges zur Residenz des Präsidenten – eine bescheidene, demokratische Wohnstätte – führt, die sich zwischen den Gebäuden des Schatzamtes und mehrerer Ministerien erhebt.

Wenn er das Denkmal Washington’s nicht kannte, so würde er den hundertsiebenundfünfzig Fuß (47∙8 Meter) hohen Marmorobelisk schon von weitem inmitten der Anlagen am Potamacuser erblickt haben. Kannte er das Bundes-Postamt noch nicht, so hätte er ein in antikem Stile gehaltenes Bauwerk aus weißem Marmor, vielleicht das schönste Gebäude der prunkreichen Stadt, bewundern können.

Und welch angenehme und belehrende Stunden hätte es geboten, durch die reichen, im Patentamt untergebrachten naturhistorischen und ethnographischen Sammlungen der Smitshonian Institution zu wandern, die Museen mit ihrer großen Anzahl von Statuen, Gemälden und Bronzen, sowie das Arsenal zu besuchen, wo sich eine Ehrensäule für die in einem Gefechte vor Algier gefallenen amerikanischen Seeleute erhebt, die die rachedrohende Inschrift: »Verstümmelt durch die Engländer!« trägt.

Jetzt erfreut sich die Hauptstadt der Vereinigten Staaten eines recht heilsamen Klimas. Das Wasser des Potamac benetzt sie in ausgedehntem Maße, ihre zusammen fünfzig Lieues (nahezu 195 Kilometer) langen Straßen, ihre Gärten und Parke werden von mehr als sechzigtausend Bäumen beschattet – darunter die, die das Invalidenhôtel und die Howard-Universität, den Park des Rechtes und den Nationalfriedhof umgeben, in dem das Mausoleum William I. Hypperbone’s einen ebenso schönen Platz wie in den Oakswoods von Chicago gefunden hätte.

Glaubte X. K. Z. dann endlich, der Bundeshauptstadt einen größeren Theil seiner Zeit widmen zu dürfen, so würde er deren Bezirk auch nicht verlassen haben, ohne die nationale Pilgerfahrt nach dem vier Lieues (15∙6 Kilometer) entfernten Mount Vernon zu unternehmen, wo ein Verein von Damen für die Erhaltung des Hauses sorgt, in dem Washington einen Theil seines Lebens verbrachte und zuletzt auch aus diesem schied.

Doch wenn der letzte Partner schon in der Hauptstadt der Union eingetroffen war, hatte wenigstens noch keine Zeitung seine Anwesenheit gemeldet.

»Und diese gelbe Flagge?… fragte Max Real weiter, indem er auf die wies, die inmitten des fünfunddreißigsten Feldes angebracht war.

– Das ist die Flagge Lissy Wag’s, liebes Kind.«

Diese Flagge wehte nämlich vorläufig noch über Kentucky, denn am 1. Juni hatte der verderbliche Schlag, der Lissy Wag in das Gefängniß von Missouri schickte, diese noch nicht getroffen.

»Ah, eine reizende junge Dame! rief Max Real. Ich sehe sie noch immer verlegen und erröthend bei dem Begräbnisse William I. Hypperbone’s und ebenso auf der Bühne des Auditoriums!… Wahrlich, wär’ ich ihr begegnet, ich hätte ihr meine Glückwünsche zu ihrem schließlichen Erfolge wiederholt…

– Nun, und an den Deinigen denkst Du gar nicht, Max?

– O natürlich, auch zu dem meinigen, Mutter!… Wir sollten alle beide die Partie gewinnen… da würde ehrlich getheilt. Hurrah, das wäre ein hinlänglicher Erfolg!

»Wer ist nun, fragte er zuerst diese blaue Flagge…?« (S. 333)

– Ja, wäre das denn möglich?

– Nein, leider eigentlich nicht, und doch kommen in dieser Zeitlichkeit so außerordentliche Dinge vor…

– Du weißt, Max, wie niemand daran glauben wollte, daß sich Lissy Wag überhaupt an der Partie betheiligen könnte…

Washington – Das Capitol.

– Ja, das arme Mädchen war schwer erkrankt, und mehr als einer von den »Sieben« freute sich wohl im stillen darüber. Ich aber nicht, Mutterherz, ich gewiß nicht!… Zum Glück hatte sie eine Freundin, die sie bestens gepflegt und ihre Genesung befördert hat… jene Jovita Foley… die in ihrer Art ebenso entschlossen ist, wie der Commodore Urrican. Wann wird denn zum nächstenmale für Lissy Wag gewürfelt?

– In fünf Tagen, am 6. Juni.

– Na, wir wollen hoffen, daß meine hübsche Partnerin den Gefahren des Weges entgeht, daß sie sich nicht in das Labyrinth von Nebraska, in das Gefängniß von Missouri oder in das Death Valley verirrt! Glück auf dem Wege!… Ja, das wünsch’ ich ihr von ganzem Herzen!«

Entschieden dachte Max Real manchmal an Lissy Wag… sogar recht oft und ohne Zweifel zu oft, wie Frau Real, erstaunt über die Wärme, mit der er von dem jungen Mädchen sprach, sich vielleicht im stillen sagte.

»Und Du fragst gar nicht, wer die grüne Flagge ist, Max? nahm sie wieder das Wort.

– Die, die auf dem zweiundzwanzigsten Felde befestigt ist, liebe Mutter?

– Ja, das ist die Flagge des Herrn Kymbale.

– O, ein wackerer, liebenswürdiger Mann, dieser Journalist, bemerkte Max Real, der, so viel ich habe sagen hören, die Gelegenheit benutzt, vom Lande zu sehen, so viel…

– Ganz recht, mein Kind, und die »Tribune« bringt fast täglich Berichte von seiner Feder.

– Da werden sich seine Leser nicht zu beklagen haben, und wenn er etwa noch tief nach Oregon oder Washington hineinkäme, dürfte er diesen merkwürdige Dinge zu erzählen haben.

– Er ist aber ziemlich weit zurückgeblieben.

– Das hat bei unserem Spiele nicht viel zu bedeuten, antwortete Max Real. ein einziger glücklicher Wurf, und man überholt die anderen Spieler.

– Ja freilich, das ist wohl möglich.

– Wer ist nun die Flagge hier, die scheinbar ganz traurig noch auf dem vierten Felde steht?

– Das ist Hermann Titbury.

– Ach, der schreckliche Mensch! rief Max Real. Der wird schön wüthen, weil er der letzte… und der gute letzte ist!

– O, er ist zu bedauern, Max, wirklich zu bedauern, denn er hat auf zweimaliges Würfeln nur vier Schritte vorwärts thun können, erst weit hinein nach Maine und von da nach dem entlegenen Utah!«

Heute, am 1. Juni, konnte noch niemand wissen, daß das unbeliebte Ehepaar nach seinem Eintreffen in Great Salt Lake City alles mitgeführten Reisegeldes beraubt worden war.

»Und doch beklage ich ihn nicht! sagte Max Real. Nein, das geizige Paar ist zu unsympathisch, und ich bedauere nur, daß es bisher noch keinen tüchtigen Einsatz zu bezahlen gehabt hat…

– Du vergißt, daß dem Manne in Calais eine hohe Geldbuße auferlegt worden ist, bemerkte Frau Real.

– Desto besser, und diese Summe wird der Halsabschneider nicht erst haben stehlen können! Ich wünsche wahrhaftig, daß für ihn wiederum die geringste Augenzahl, eins und eins, geworfen wird Damit käme er nach dem Niagara, wo ihm der Brückenzoll bare tausend Dollars kostete!

– Du bist grausam gegen die Titburys, Max.

– Es sind auch widerwärtige Menschen, liebe Mutter, die nur durch Wucher reich geworden sind und kein Mitleid verdienen. Das fehlte gerade noch, daß der Zufall sie den freigebigen Hypperbone beerben ließe!

– Möglich ist ja alles, antwortete Frau Real.

– Doch, sage mir, ich sehe ja die Flagge des berühmten Hodge Urrican gar nicht.

– Die orangefarbene?… Nein, sie weht jetzt nirgends, denn das Mißgeschick hat den Commodore nach dem Thale des Todes verwiesen, von wo er nach Chicago zurückkehren muß, um die Partie von vorn anzufangen.

– Es ist hart für einen Seeoffizier, seine Flagge streichen zu müssen! rief Max Real. Da wird er gewiß geschimpft und gewettert haben, daß sein Schiff vom Kiel bis zu den Masttoppen gezittert hat!

– Das ist wohl möglich, Max.

– Und wann wird für den X. K. Z. gezogen?