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– In neun Tagen.

– Es ist doch ein närrischer Einfall des Verstorbenen gewesen, den Namen des letzten der Sieben zu verheimlichen!«

Max Real war nun über die Sachlage vollständig unterrichtet. Er wußte, daß er infolge der letzten Entscheidung durch die Würfel, wonach er Virginia aufzusuchen hatte, die dritte Stelle einnahm, und ihm Tom Crabbe als erster und X. K. Z. als zweiter voraus waren. Freilich sollte für diese erst noch zum drittenmale gewürfelt werden.

Darüber ließ er sich, was seine Mutter und Tommy davon auch denken mochten, jedoch kein graues Haar wachsen. Die Zeit des Aufenthaltes in Chicago verbrachte er meist in seinem Atelier, wo er die beiden Landschaften vollendete, die in den Augen eines amerikanischen Bilderliebhabers mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse, unter denen sie entstanden waren, einen um so höheren Werth gewinnen mußten.

So kam es, daß Max Real in Erwartung seiner Wiederabreise sich ebenso um den Match selbst, wie um die Personen, die als daran Betheiligte im Lande hin und her fuhren, blutwenig kümmerte. Er selbst spielte in der Partie ja eigentlich nur eine Rolle, um seiner vortrefflichen Mutter kein Herzeleid zu bereiten, verhielt sich der ganzen Geschichte gegenüber aber ebenso gleichgiltig wie Lissy Wag, die nur um Jovita Foley’s willen an dem Spiele theilnahm.

Nichtsdestoweniger bekam er während seines Aufenthaltes doch Kenntniß von dem Ausfall des dreimaligen Würfelns im Auditorium. Für Hermann Titbury war das wirklich am 2. Juni ein Unglückswurf gewesen, denn dieser nöthigte ihn, sich nach dem neunzehnten Felde, dem Staate Louisiana zu begeben, wo sich das Gasthaus befand, in dem er bleiben mußte, bis für die anderen zweimal gewürfelt worden war. Mit dem Würfelfall am 4. konnte Harris T. Kymbale sehr zufrieden sein, denn dieser führte ihn nach dem dreiunddreißigsten Felde Norddakota, und stellte dem Reporter damit eine höchst interessante Reise in Aussicht.

Am 6. Juni um acht Uhr früh würfelte der Notar Tornbrock endlich für Lissy Wag. An diesem Morgen begab sich Max Real, getrieben von dem Interesse an dem Schicksale des jungen Mädchens, selbst nach dem Auditorium, von dem er höchst niedergeschlagen wieder heimkam.

Durch den Wurf von sieben, hier auf vierzehn zu verdoppelnden Augen war Lissy Wag vom achtunddreißigsten Felde, dem Staate Kentucky, nach dem zweiundfünfzigsten gewiesen worden. Hier, im Staate Missouri, mußte die unglückliche Partnerin aber im »Gefängnisse« warten, bis ein anderer, zufällig hierher verschlagener Partner ihre Stelle einnahm.

Selbstverständlich blieben die Ergebnisse des dreimaligen Würfelns nicht ohne Rückwirkung auf die Kreise der Spieler oder Wettenden. Tom Crabbe und Max Real wurden schärfer als je verlangt. Für sie eröffneten sich die besten Aussichten, und es war wirklich schwierig, zwischen den beiden Günstlingen des Glückes zu wählen.

Wie bekümmert fühlte sich Max Real, als er, zu seiner Mutter zurückgekehrt, die gelbe Flagge nach Missouri verpflanzen mußte, das nach dem Willen des excentrischen Verstorbenen und für Lissy Wag nach der Laune des Geschicks zum Gefängnisse der Spieler verwandelt war. Er suchte seinen Kummer darüber auch gar nicht zu verhehlen. Das Gefängniß und der Schacht waren die unglücklichsten Plätze, die einem Theilnehmer am Match nur zufallen konnten… sogar noch unglücklicher als der im Thale des Todes, dessen Opfer Hodge Urrican geworden war. Der Commodore erlitt ja nur eine Verzögerung, konnte dann sofort aber weiter mitspielen; wer konnte dagegen wissen, ob der Match Hypperbone nicht überhaupt zu Ende ging, ehe die Gefangene wieder befreit würde?

Am 7. Juni schickte sich Max Real endlich an, Chicago zu verlassen. Seine Mutter wiederholte alle ihre Ermahnungen und warnte ihn besonders, sich unterwegs irgendwo aufhalten zu lassen.

»Und wenn die Depesche, sagte sie, die Du in Richmond erhalten wirst, liebes Kind, Dich nicht gerade ans Ende der Welt hinausschickt…

– Davon kehrt man doch zurück, Mutter, kehrt man allemal zurück, doch aus dem Gefängnisse!… Gestehe nur, daß die ganze Sache höchst lächerlich ist. Wie ein gewöhnliches Rennpferd Gefahr zu laufen, um eine halbe Nasenlänge geschlagen zu werden… wahrlich, das ist albern!

– Nein, mein Kind, o nein! Reise nur ab und Gott sei mit Dir!«

Die würdige Dame, die sich jetzt tief erregt fühlte, sagte diese Dinge in vollem Ernst.

Selbstverständlich hatte es Max Real während seines Aufenthaltes in Chicago kaum abwenden können, von Maklern, Reportern und Wettlustigen aufgesucht zu werden, die sich nach dem Hause in der South Halsted Street drängten. Das war ja auch gar nicht zu verwundern; man taxierte ihn ja gleichhoch mit Tom Crabbe… Welche Ehre!

Seiner Mutter gegenüber hatte sich Max Real natürlich verpflichtet, nach Virginia den kürzesten Weg zu wählen. Doch wenn er nur am 12. in Richmond war – wer hätte ihn getadelt, wenn er jetzt der geradesten Linie eine gebrochene oder gebogene Bahnlinie dahin vorzog? Jedenfalls hatte er sich aber vorgenommen, die Staaten, die er berühren mußte, um Virginia und dessen Hauptstadt Richmond zu erreichen, nämlich Illinois, Ohio, Maryland und Nordvirginia, dabei nicht zu verlassen.

Wir geben hier den vom 11. Juni, vier Tage nach der Abfahrt, datierten Brief wieder, den Frau Real erhielt und der sie kurz mit den Vorfällen auf der Reise bekannt machte. Abgesehen von persönlichen Bemerkungen über die berührten Länder, die flüchtig besuchten Städte und zufälligen Begegnungen, gab dessen weiterer Inhalt ihr doch manches zu denken und erfüllte sie mit einiger Unruhe über die Seelenverfassung ihres Sohnes.

»Richmond, Va., am 11. Juni.

Meine liebe, gute Mutter!

Da bin ich denn am Ziele angelangt – nicht an dem des großen Ochsenkopfes von Partie, doch an dem, das mir der dritte Würfelfall zuwies. Nach dem Fort Riley in Kansas, nach Cheyenne in Wyoming, Richmond in Virginia! Beunruhige Dich also nicht über das Wesen, das Du auf Erden am meisten liebst und das Deine Liebe aufrichtig erwiedert… ich bin wohl und munter an meinem Posten!

Oh, könnte ich doch dasselbe von der armen Lissy Wag sagen, die das feuchte Stroh des Kerkers in jener Stadt Missouris erwartet! Wenn ich in ihr, liebe Mutter, auch nur eine Rivalin, doch eine reizende und interessante Rivalin zu sehen habe, so verhehle ich Dir doch nicht, daß mich ihr trauriges Los aufs tiefste betrübt. Je mehr ich an den beklagenswerthen Würfelfall – sieben durch drei und vier, und diese zu verdoppeln – denke, desto schmerzlicher fühl’ ich mich davon berührt, desto mehr beklage ich, daß die gelbe Flagge, die von der unerschrockenen Jovita Foley für ihre Freundin bisher so tapfer hoch getragen worden war, auf der Mauer jenes Gefängnisses aufgepflanzt werden muß!… Und für wie lange wird sie dort wohl wehen?…

Ich bin also am Morgen des 7. abgefahren. Die Bahn verläuft am Südufer des Michigan und gewährt oft einen hübschen Ausblick nach dem See. Doch, unter uns, unseren See kenne ich ja genügend und das Land in seiner Umgebung nicht minder. In diesem Theile der Vereinigten Staaten, ganz wie in Canada, ist es übrigens gestattet, etwas blasiert zu denken über die Seen, über ihr blaues Wasser, das nicht immer blau ist, wie über ihren schlummernden Spiegel, der keineswegs immer schlummert! Wir können einige davon abgeben, und ich frage mich, warum das an Binnenseen so arme Frankreich uns nicht einen nach seiner Wahl abgekauft hat, wie wir 1803 Louisiana von ihm erstanden haben.

Immerhin hab’ ich nach rechts und links durch das Loch in meiner Palette hinausgeguckt, während das Murmelthier von Tommy neben mir in tiefem Schlafe lag.

Sei getrost, liebste Mutter, ich habe Dein Negerbürschchen nicht geweckt. Vielleicht hat er geträumt, ich gewönne genug Millionen Dollars, um ihn in die härteste Sclaverei zurückzustoßen. Stören wir ihn also nicht in seinem Glücke.