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Hierher hatte sich 1859 also der heldenmüthige Vertheidiger der großen und gerechten Sache zurückgezogen. Die Miliz begann sofort ihn anzugreifen. Nachdem er Wunder der Tapferkeit verrichtet, eine schwere Verwundung erlitten hatte und keinen Widerstand mehr möglich sah, wurde er gefangen, nach der nahen Veste von Charlestontown geschleppt und hier am 2. December 1859 gehenkt. – Hier erlitt er einen Tod, der durch keinen Strick ehrlos gemacht werden konnte, sondern den Ruhm des Mannes allezeit nur weiter und weiter verbreitete.1

Diesem Märtyrer der Freiheit, der Erlosang der Menschheit aus der Schmach der Sclaverei, wollte ich als Patriot meine Ehrerbietung bezeugen.

Jetzt bin ich endlich in Virginien, liebe Mutter, in dem früher ausgesprochensten Sclavenstaate, der zuerst zum Schauplatz des Secessionskrieges wurde. Ich möchte es den Geographen überlassen, Dir – wenn es Dich interessiert – zu sagen, daß er der Ausdehnung nach unter den Staaten der Union die dreiunddreißigste Stelle einnimmt, daß er in hundertneunzehn Grafschaften zerfällt, daß er ferner, trotz der an der Westseite erlittenen Amputation, noch immer einer der mächtigsten in der Nordamerikanischen Republik ist, daß Damwild und Oppossums hier immer seltener werden, daß Kraniche, Wachteln und Geierbussarde häufig darüber umherflattern, und er im Ueberfluß Weizen und Korn, Mais und Sarrasin, vorzüglich aber Baumwolle erzeugt, was mir lieb ist, weil ich Hemden trage, aber auch viel Tabak, was mich wenig kümmert, da ich nicht rauche.

Was Richmond selbst angeht, so ist es eine hübsche Stadt, die Ex-Hauptstadt des separatistischen Amerika, der Schlüssel Virginiens, den die Bundesregierung erst zuletzt in ihre Tasche steckte. Es liegt, von sieben Hügeln beherrscht, am Ufer des Jamesflusses und streckt, auf dem anderen Ufer, Manchester die Hand entgegen, eine Doppelstadt, die es in Amerika, wie die Doppelsterne am Himmel, so vielfach giebt. – Die Stadt ist jedenfalls sehenswerth, vor allem ihr Capitol, eine Art griechischen Tempels, dem freilich der Himmel Attikas und der athenische Hintergrund der Akropolis ganz ebenso fehlen, wie dem Parthenon in Edinburg. Leider giebt es hier, wenigstens für meinen Geschmack, zu viele Fabriken und Werkstätten, z. B. allein hundert für Bearbeitung des Tabaks. Daneben besteht aber auch ein vornehmes Viertel, die Leonard Height, wo sich ein Denkmal zu Ehren des Consöderiertengenerals Lee erhebt, der diese Ehrung zwar nicht wegen der von ihm vertheidigten Sache, doch wegen seiner persönlichen Eigenschaften recht wohl verdient hat.

Im übrigen, liebe Mutter, kann ich Dir nur sagen, daß ich die anderen Städte des Staates nicht besucht habe. Sie ähneln sich, wie die amerikanischen Städte überhaupt, auch mehr oder weniger alle. Ich kann Dir also nichts über Petersburg mittheilen, das die Stellung der Separatisten im Süden ebenso vertheidigte, wie Richmond im Norden, nichts über Yorktown, wo vor achtzig Jahren der Unabhängigkeitskrieg durch die Capitulation des Lord Cornwallis sein Ende fand, und ebensowenig von den Schlachtfeldern, wo Mac Clellan weniger glücklich als Grant, Sherman und Sheridan gegen Lee gekämpft hatte. Ich übergehe ferner Lynchburg, heute eine recht lebhafte Fabrikstadt, wohin die secessionistischen Heere flüchteten und von wo sie sich nach den Appalachenbergen zurückziehen mußten, was am 9. April 1865 das Ende des Bürgerkrieges herbeiführte. Ich spreche nicht von Norfolk, Roanoke, Alexandria, der Chesapeakebai und den zahlreichen Badeorten des Staates, und kann auch nur sagen, daß zwei Fünftel der virginischen Bevölkerung zwar farbige, doch recht ansehnliche Leute sind, und daß sich nahe der kleinen Stadt Luray unterirdische Höhlen befinden, die vielleicht schöner sind als die Mammoth Caves von Kentucky.

Dabei fällt mir ein, daß die arme Lissy dort die ungerechte Entscheidung des Schicksals erfahren hat, die sie nach Missouri, man kann fast sagen, deportierte. und ich frage mich, wie es ihr werde möglich gewesen sein, den dreifachen Einsatz mit dreitausend Dollars zu entrichten. Das verursacht mir wirklichen Kummer, und Du wirst das ja wohl begreifen…

Eben hab’ ich in Richmond auf einem Placat den Ausfall des Würfelns vom 10. Juni gelesen. Die fünf Augen – durch zwei und drei – verweisen den berühmten, unbekannten X. K. Z. nach Minnesota. Vom sechsundvierzigsten Felde gelangt er damit nach dem einundfünfzigsten und gleichzeitig an die Spitze der Partner. Doch wer zum Teufel ist nur dieser Mann? Er scheint mir die besten Aussichten zu haben, und ich zweifle sehr, daß ich ihn morgen, wenn die Würfel für mich fallen, überholen werde.

Hiermit, liebste Mutter, schließ’ ich diesen langen Brief, der Dich nur interessieren kann, weil er von Deinem Sohne kommt. Ich umarme Dich inniglich, indem ich meinen Namen unterzeichne, der eigentlich nur noch der eines Rennpferdes ist, das auf dem Turf Hypperbone läuft.

Max Real.«

Fußnoten

1 Wir schalten hier ein, was der große französische Geograph Elisée Reclus über diese Vorgänge gesagt hat, und es steht zu hoffen, daß seiner edelmüthigen Anregung doch noch einmal Rechnung getragen wird.

»Es giebt keinen noch so untergeordneten Führer föderalistischer Truppen, die in dem großen Kriege gekämpft haben, der auf den Plätzen von Washington oder von anderen Städten des Nordens nicht sein Ehrendenkmal hätte; die Stelle aber, wo John Brown fiel, dessen ›Seele vor den Armeen marschierte‹ und der durch sein Beispiel für den schließlichen Sieg mehr gethan hat, als alle Berechnungen der Generale, diese Stelle bleibt, der Menge fast unbekannt, noch immer ein Haufe wüster Trümmer.«

Achtes Capitel.

Der Faustschlag des Reverend Hunter.

Wenn irgend jemand wenig geeignet erschien, das siebenundvierzigste Feld zu besetzen, nach dem Staate Pennsylvanien und darin nach Philadelphia, der Hauptstadt des Staates, sowie gleich nach New York und Chicago der bedeutendsten Stadt der Union, geschickt zu werden, so war es gewiß Tom Crabbe, der Schwachkopf von Natur und Boxer von Beruf.

Das Schicksal macht aber einmal gern verkehrte Streiche, wie es im Sprichwort heißt, und an Stelle Max Real’s, Harris T. Kymbale’s oder Lissy Wag’s, die alle die Pracht dieser Metropole mit Verständniß bewundert hätten, sendete es jenen Dummkopf in Begleitung seines Traineurs John Milner hierher. Das hatte sich das verstorbene Mitglied des Excentric Club jedenfalls nicht träumen lassen.

An der Thatsache ließ sich jedoch nichts ändern, am 31. Mai hatten »die Würfel gesprochen«. Die Augenzahl zwölf – durch sechs und sechs – war mittelst des Telegraphendrahtes zwischen Chicago und Cincinnati gemeldet worden. Der zweite Partner traf denn auch sofort Anstalt, das alte Porcopolis zu verlassen.

»Ja, ja, Porcopolis! rief bei der Abfahrt John Milner in verächtlichstem Tone. Wie, an dem Tage, wo es Tom Crabbe zuerst mit seiner Gegenwart beehrte, wälzt sich seine ganze Bevölkerung wie besessen nach einer Thierschau hinaus! Einem Rüsselthiere wendet sich die ganze öffentliche Aufmerksamkeit zu, kein einziges Hurrah aber ertönt für den Champion der Neuen Welt!… Schon gut, wenn wir den großen Geldbeutel Hypperbone’s erst eingesteckt haben, wird schon der Tag der Rache kommen.«

Richmond. – Old Court House. Die alte Handelsbörse.

John Milner wäre freilich in die größte Verlegenheit gekommen, wenn er hätte erklären sollen, worin diese Rache bestehen werde. Vorläufig handelte es sich in erster Linie ja darum, die Partie zu gewinnen. Tom Crabbe hatte also, der Weisung des Telegramms zufolge, nichts anderes zu thun, als in den Zug nach Philadelphia zu springen.