Geschickt und vorsichtig gesteuert eilte der »Black Warrior« dahin, oft zwischen wenig beständigen Inseln, die ihre Gestalt oder gar ihre Lage verändern, worin sie durch Hochwasser und starke Strömungen beeinflußt werden, oder die binnen wenigen Monaten erst neu entstehen, wenn eine Barre angeschwemmten Sand und Schlamm zurückhält. Die Schifffahrt auf dem Mississippi ist also nicht ohne ernste Schwierigkeiten, die die geschickten Lootsen von Louisiana aber glücklich zu überwinden wissen.
Auf ihrer Fahrt kamen die Titburys an Memphis, jener bedeutenden Stadt Tennessees vorbei, wo die Neugierigen einige Stunden lang Gelegenheit gefunden hatten, sich Tom Crabbe bei dessen erster Ausreise anzusehen.
»Nach dem Excelsior Hotel kommt niemand anders als zu Wagen.« (S. 301.)
Dann tauchte auf dem Abhange eines Hügels Helena auf, jetzt noch ein Marktflecken, der sich aber bald zur Stadt auswachsen dürfte, denn die Dampfer müssen hier ziemlich häufig anlegen. Weiterhin zeigte sich am rechten Ufer, nach Passierung der Arkansasmündung, eine zweite Gegend mit Bayous, Sümpfen und einem beweglichen Boden, in dem einst das Dorf Napoleon gänzlich verschwand. Wenn der »Black Warrior« bei Vicksburg, einer der wenigen gewerbthätigen Städte am Mississippi, nicht anlegte, so lag das nur daran, daß der treulose Strom infolge einer außergewöhnlichen Hochfluth sich jetzt ein neues Bett einige Meilen südlich davon gebrochen hat. Dagegen ankerte der Dampfer eine Stunde lang vor Natchez, dessen Handel eine Menge Flußschiffe beschäftigt, die nach allen Orten der Nachbarschaft verkehren. Der Mississippi wird von hier an launischer und macht viele kleinere Windungen und größere Umwege, bildet ein Netz unbedeutenderer Arme, die schließlich wieder den Hauptstrom erreichen, so daß man bei Betrachtung einer Specialkarte meinen könnte, ein Gewimmel von kleinen Aalen um den Matteraal vor sich zu sehen. Seine unangebauten Ufer, die immer niedriger werden und mit der Alluvialebene der Umgebung fast zusammenfließen, weisen weiter nichts mehr als Sandbänke und da und dort ein etwas höheres, von der Strömung benagtes Stückchen Land mit hohem Röhricht auf.
Noch dreihundert Meilen (480 Kilometer) vom Meere entfernt, kam der »Black Warrior« an der Mündung des Rothen Flusses vorüber, an der Ecke, wo sich, nahe bei dem Fort Adam, die beiden Staaten berühren, und schwamm nunmehr im Gebiete von Louisiana.
Dazwischen unternahmen sie Ausflüge auf ihrer eleganten Dampfyacht. (S. 386.)
Hier grollen und rauschen zahlreiche Stromschnellen, denn von Cairo aus vermindert sich die Breite des Flusses ohne Unterbrechung bis zu seinem Delta. Da zur Zeit aber noch ein mittelhoher Wasserstand herrschte. konnte der »Black Warrior« diese ohne Gefahr des Auflaufens passieren.
Von Natchez aus trifft man bis nach New Orleans hin auf keine nennenswerthen Städte, höchstens mit Ausnahme von Bâton Rouge, das aber auch nur einen großen Marktflecken von zehntausendfünfhundert Einwohnern bildet. Hier ist aber der Sitz der Gesetzgebenden Körperschaft des Staates, die parlamentarische Hauptstadt Louisianas, während, ähnlich wie in so vielen anderen Staaten der Union, New Orleans nur die bedeutendste Stadt, das wichtigste Verkehrscentrum ist. Baton Rouge hat übrigens eine freundliche, gesunde Lage, ein nicht zu verachtender Vorzug in einem Lande, das so häufig vom gelben Fieber heimgesucht wird. Nach Donaldsonville giebt es dann nur noch Weiler, eigentlich eine Reihe von Billen und Landhäusern, die den großen amerikanischen Strom bis zu seinem Eintritt in New Orleans begleiten.
Das vom ersten französischen Kaiserreich für zwanzig Millionen Francs an die Amerikaner verkaufte Louisiana nimmt unter den Staaten der Bundesrepublik nur den dreißigsten Rang ein. Seine der Mehrzahl nach schwarze Bevölkerung zählt aber über elfhunderttausend Seelen. Das Land mußte gegen die Ueberschwemmungen des Mississippi durch hohe Deiche geschützt werden, vor allem in seinem niedrigen Theile, wo die Zuckerfabrikation so beträchtlich ist, daß es in diesem Erwerbszweige allen anderen Staaten voransteht. Im Nordwesten sind die durch den Rothen Fluß und dessen Zuflüsse bewässerten Ländereien schon allein überschwemmungsfrei und für alle Zweige des Landbaues geeignet. Louisiana liefert auch Eisen, Steinkohle, Ocker und Gips; Zuckerrohrfelder und Orangen-, Citronen-und Apfelsinenanpflanzungen giebt es im Ueberfluß. Dazu besitzt es undurchdringliche Wälder, worin Bären, Panther und Wildkatzen hausen und in zahllosen Creeks viele Alligatoren vorkommen.
Nach einer Reise von sieben Tagen seit der Abfahrt aus Great Salt Lake City nahm New Orleans das Titbury’sche Ehepaar am Abend des 11. Juni in seinen Mauern auf. Inzwischen war der Ausfall des Würfelns vom 4., 6. und 8. Juni, Harris T. Kymbale, Lissy Wag und Hodge Urrican betreffend, bekannt gegeben worden. Die Lage Hermann Titbury’s erfuhr dadurch freilich keine Verbesserung, da von den Genannten niemand bestimmt worden war, ihn in dem Gasthause des neunzehnten Feldes abzulösen.
O, wäre er nicht gezwungen gewesen, sich in diese für den Geldbeutel verderbliche Stadt zu begeben, hier noch fast sechs Wochen zu verweilen, oder hätten ihn die Würfel durch eine günstigere Augenzahl unterstützt, so wäre es ihm ja vielleicht möglich geworden, in eine Reihe mit seinen Partnern zu kommen.
Beim Verlassen der Landungsbrücke bemerkten Herr und Frau Titbury sogleich einen prächtig ausgestatteten Wagen, der offenbar einige Fahrgäste vom »Black Warrior« erwartete. Sie wollten ihren Weg indeß zu Fuße zurücklegen und ließen nur ihr Gepäck durch einen Commissionär nach dem Excelsior Hotel bringen. Nun stelle man sich aber ihre Ueberraschung vor – eine Ueberraschung, zu der sich eine wahre Herzbeklemmung gesellte – als ihnen sofort ein rabenschwarzer Hausdiener entgegenkam.
»Mister und Mistreß Titbury, wenn ich nicht irre?…
– Das sind wir…« antwortete Titbury.
Aha, die Zeitungen hatten also ihre Abfahrt aus Utah, ihre Berührung von Omaha, ihre Schiffsreise an Bord des »Black Warrior« und ihre bevorstehende Ankunft in New Orleans gemeldet. Und sie, die doch nicht wünschten, in dieser Weise erwartet zu werden, sollten sie den stets kostspieligen Unbequemlichkeiten des Berühmtseins wirklich nicht entgehen können?…
»Was wollen Sie von uns? fragte Titbury etwas mürrischen Tones.
– Diese Equipage steht zu Ihrer Verfügung.
– Wir haben keine Equipage bestellt.
– Nach dem Excelsior Hotel kommt niemand anders als zu Wagen, antwortete der rabenschwarze Neger mit einer Verbeugung.
– Das fängt ja gut an!« murmelte Titbury mit einem schweren Seufzer.
Da es nun einmal nicht Sitte sein sollte, in einfacherer Weise nach dem genannten Hôtel zu kommen, erschien es am rathsamsten, den eleganten Landauer zu besteigen. Das Ehepaar nahm also darin Platz, während Koffer und Reisesack durch einen Omnibus befördert wurden. In der Canal Street vor einem schönen Gebäude, einem wahren Palaste, angelangt, an dessen Vordergiebel die Worte »Excelsior Hotel Company, limited« glänzten und dessen Flur in blendender Beleuchtung strahlte, hielt der Wagen an, und ein Lakai beeilte sich, dessen Thür zu öffnen.