»Passen Sie doch gefälligst auf!« sagte er scharf, während er mit dem Handrücken nach Bright schlug und ihn verfehlte. Die Worte knisterten in der angespannten Atmosphäre. Köpfe hoben sich von wichtigen Dokumenten auf den Tischen und fuhren herum. Jeder verabscheute jeden.
»Tut mir leid«, erwiderte Bright mit unverhohlenem Sarkasmus. Zwei Polizeibeamte schoben sich näher, um erforderlichenfalls einzugreifen. Aber der Regenmantel fand ohne weiteren Zwischenfall einen Platz unter dem Tisch, und schließlich gelang es Bright auch, sich neben Libbigail zu setzen, an deren anderer Seite Spike saß, sich den Bart strich und Troy Junior einen Blick zuwarf, als hätte er ihn am liebsten geohrfeigt.
Kaum jemand unter den Anwesenden nahm an, das sei das letzte Scharmützel unter den Phelans.
Wer bei seinem Tod elf Milliarden hinterlässt, darf damit rechnen, dass man sich für sein Testament interessiert, vor allem, wenn es so aussieht, als werde eins der bedeutendsten Vermögen auf der Welt den Geiern in den Rachen gestopft. So war es kein Wunder, dass außer den Massenblättern und den örtlichen Zeitungen auch alle wichtigen Finanzzeitschriften vertreten waren. Die drei Stuhlreihen, die Wycliff für die Presse reserviert hatte, waren um halb zehn gefüllt. Die Journalisten genossen es offensichtlich zu beobachten, wie sich die Mitglieder der Familie Phelan vor ihren Augen versammelten. Fieberhaft strichelten drei Pressezeichner; was sie sahen, bot ihnen reichlich Material. Der grünhaarige Punker wurde häufiger skizziert, als er es verdient hatte.
Um zehn vor zehn erschien Josh Stafford, von Tip Durban, zwei weiteren Anwälten aus seiner Kanzlei und einigen Anwaltsgehilfen begleitet. Mit würdiger Miene nahmen sie ihre reservierten Plätze ein. Verglichen mit der drangvollen Enge, die an den Tischen der Phelans und ihrer Anwälte herrschte, ging es bei ihnen großzügig zu. Josh legte eine einzige dicke Akte vor sich, und sogleich richteten sich die Augen aller darauf. Sie schien einen Schriftsatz von fast fünf Zentimetern Stärke zu enthalten, sehr ähnlich dem, den Troy vor den Videokameras unterzeichnet hatte. Das lag gerade neunzehn Tage zurück.
Außer Ramble sahen alle unwillkürlich hin. Den Gesetzen des Staates Virginia zufolge waren Zahlungen an
Erben frühzeitig möglich, sofern der Nachlass liquide war und keinerlei Bedenken wegen Steuerrückständen und zu begleichenden Schulden bestanden. Die Schätzungen der Phelan-Anwälte reichten von mindestens zehn Millionen pro Erben bis hin zu den von Bright vermuteten fünfzig Millionen. Er selbst hatte in seinem Leben noch nie auch nur fünfzigtausend Dollar gesehen. Das mochte damit zu tun haben, dass er an der Abendschule für Juristen beim Abschluss seines Jahrgangs lediglich auf dem zehnten Platz gelandet war.
Um zehn Uhr wurden die Türen verschlossen, und wie auf ein Stichwort hin tauchte Wycliff in einer Wandöffnung hinter dem Richtertisch auf. Schlagartig herrschte im Raum Schweigen. Der Richter setzte sich, wobei er seine frisch gebügelte Robe um sich ausbreitete. Mit einem Lächeln sagte er »Guten Morgen« in das Mikrophon, das vor ihm stand.
Alle erwiderten sein Lächeln. Mit großer Befriedigung stellte er fest, dass der Raum bis an die Grenzen seines Fassungsvermögens gefüllt war. Ein rascher Blick zeigte ihm, dass insgesamt acht bewaffnete Polizeibeamte bereitstanden. Er sah zu den Phelan-Familien hinüber: An ihren Tischen gab es nicht die kleinste Lücke. Manche ihrer Anwälte saßen praktisch auf Tuchfühlung nebeneinander.
»Sind alle Parteien anwesend?« fragte er. An den Tischen wurde heftig genickt.
»Ich muss jeden einzelnen identifizieren«, sagte er und griff nach seinen Unterlagen. »Den ersten Antrag hat Rex Phelan eingereicht.« Bevor er ausgesprochen hatte, erhob sich Hark Gettys.
»Euer Ehren, ich bin Hark Gettys«, sagte er mit laut tönender Stimme zum Richtertisch hinüber, nachdem er sich geräuspert hatte. »Ich vertrete Mr. Rex Phelan.«
»Vielen Dank. Sie können sitzen bleiben.«
Er nahm sich Tisch für Tisch vor und notierte die Namen der Erben wie auch die ihrer Anwälte, aller Anwälte.
Die Reporter schrieben so rasch mit wie der Richter. Insgesamt sechs Erben, drei ehemalige Gattinnen. Alle waren anwesend.
»Zweiundzwanzig Anwälte«, murmelte Wycliff vor sich hin.
»Haben Sie das Testament, Mr. Stafford?« fragte er.
Josh erhob sich mit einer anderen Akte in der Hand. »Ja.«
»Würden Sie bitte den Zeugenstand aufsuchen?«
Josh ging um die Tische und an der Protokollbeamtin vorbei zum Zeugenstand, wo er die rechte Hand hob und schwor, die Wahrheit zu sagen.
»Sie haben Troy Phelan vertreten?« fragte Wycliff.
»Ja. Über mehrere Jahre.«
»Haben Sie für ihn ein Testament erstellt?«
»Mehrere.«
»Haben Sie auch sein letztes Testament erstellt?«
Eine Pause trat ein, und je länger sie wurde, desto näher reckten sich die Hälse der Phelans dem Zeugenstand entgegen.
»Nein, das letzte nicht«, sagte Josh langsam und sah die Geier an. Seine leisen Worte verbreiteten sich im Saal wie Donnerhall. Die Anwälte reagierten deutlich schneller als die Erben, von denen mehrere nicht so recht wussten, was diese Außage zu bedeuten hatte. Auf jeden Fall war sie schwerwiegend und unerwartet. Spannung lag erkennbar über den Tischen. Es wurde noch leiser im Gerichtssaal.
»Wer hat das letzte Testament erstellt?« fragte Wycliff wie ein Schmierenkomödiant, der seinen Part abliest.
»Mr. Phelan selbst.«
Das konnte nicht stimmen. Die Erben hatten mit eigenen Augen gesehen, wie der Alte, von seinen Anwälten flankiert, den drei Psychiatern - Zadel, Flowe und Theishen - gegenüber am Tisch gesessen hatte. Sekunden nach der Bestätigung seiner Zurechnungsfähigkeit durch diese hatte er ein von Stafford und einem seiner Mitarbeiter ausgearbeitetes dickes Testament ergriffen, erklärt, dass es sich um seinen Letzten Willen handele, und es unterschrieben.
Das war nicht zu bestreiten.
» Großer Gott«, sagte Hark Gettys. Obwohl er flüsterte, konnte es jeder hören.
»Wann hat er es unterzeichnet?« fragte Wycliff.
»Wenige Augenblicke bevor er über das Geländer gesprungen ist.«
»Handelt es sich um ein eigenhändiges Testament?«
»Ja.«
»Hat er es in Ihrer Gegenwart unterzeichnet?«
»Ja. Es gibt auch weitere Zeugen. Außerdem ist der Akt auf Video festgehalten worden.«
»Bitte übergeben Sie mir das Testament.«
Betont langsam entnahm Josh dem Aktendeckel einen Umschlag und gab ihn dem Richter. Er wirkte schrecklich dünn. Auf keinen Fall war das Testament ausführlich genug, um all das zu enthalten, was den Phelans von Rechts wegen zustand.
»Was zum Teufel soll das sein?« zischte Troy Junior dem neben ihm sitzenden Anwalt zu, doch der konnte ihm darauf keine Antwort geben.
Der Umschlag enthielt ein einziges gelbes Blatt. Vor aller Augen zog Wycliff es langsam heraus, entfaltete es sorgfältig und betrachtete es einen Augenblick lang.
Panik überfiel die Phelans, aber sie waren ohnmächtig. Hatte der Alte sie ein letztes Mal reingelegt? Entglitt ihnen der Reichtum? Vielleicht hatte er es sich anders überlegt und ihnen sogar noch mehr zugesprochen? Um die Tische herum stießen sie mit dem Ellbogen ihre Anwälte an, die alle bemerkenswert still waren.
Der Richter räusperte sich und beugte sich noch ein wenig tiefer über das Mikrophon. »Ich habe hier ein aus einem Blatt bestehendes Dokument in der Hand, bei dem es sich dem Vernehmen nach um ein eigenhändiges Testament Troy Phelans handelt. Ich werde es jetzt verlesen:
>Letztwillige Verfügung von Troy L. Phelan. Ich, Troy L. Phelan, widerrufe hiermit im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte nachdrücklich jedes früher von mir abgefasste Testament sowie alle Nachträge dazu und verfüge über mein Vermögen wie folgt: