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Mit Hilfe einer geschickten Manipulation, die zwar im Jurastudium nicht gelehrt wird, die man aber gleichwohl danach auf ganz natürliche Weise erwirbt, hatten sie ihre Mandanten dazu gebracht, ausführlicher mit ihnen zu reden als mit den Miterben. Vertrauen war ebenso wenig eine Tugend der Phelans wie ihrer Anwälte.

Alles deutete auf einen langen, verwickelten Prozess hin.

Nicht eine einzige tapfere Stimme erhob sich mit dem Vorschlag, das Testament so anzuerkennen, wie es war. Niemandem lag im entferntesten daran, den Wunsch des Mannes zu achten, der das Vermögen angehäuft hatte, zu dessen Aufteilung sie sich jetzt verschworen.

Als das Gespräch zum dritten oder vierten Mal um die Tische kreiste, schlug jemand vor festzustellen, wie hoch die Schulden eines jeden der sechs Erben zum Zeitpunkt von Mr. Phelans Tod gewesen waren, doch ging dieser Antrag in einem Sperrfeuer kleinlicher juristischer Erwägungen unter.

»Die Schulden der Ehepartner inklusive?« fragte Hark, der Anwalt von Rex, dessen Frau Amber, die Stripperin, als Inhaberin der Sexclubs auch für den größten Teil der Verbindlichkeiten haftete.

»Was ist mit Steuerschulden?« fragte der Anwalt Troy Juniors, der seit fünfzehn Jahren mit dem IRS über Kreuz lag.

»Meine Mandanten haben mich nicht ermächtigt, Angaben über ihre Finanzlage zu machen«, sagte Langhorne und brachte damit den Vorstoß zum Stillstand.

Die mangelnde Bereitschaft der Anwälte, über diesen Punkt zu reden, bestätigte, was ohnehin jedem klar war -die Phelan-Erben waren bis über die Ohren verschuldet und bis an den Dachfirst ihrer Häuser mit Hypotheken belastet.

Jeder der Anwälte war in erster Linie darauf bedacht, in der Öffentlichkeit eine gute Figur zu machen. Das gehörte nun einmal zu ihrem Beruf. Also war es ihnen wichtig, sich bei ihrem Kampf in den Medien positiv präsentieren zu können. Sie wussten, dass von ganz entscheidender Bedeutung ist, aufweiche Weise etwas in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, und da es sich bei ihren Mandanten um einen Haufen verzogener, habgieriger Nachkommen handelte, die ihr Vater von der Erbschaft ausgeschlossen hatte, fürchteten deren Anwälte, die Presse könne den Fall auch in diesem Licht darstellen.

»Ich schlage vor, dass wir eine PR-Agentur einschalten«, sagte Hark. Mehrere andere fanden den Einfall so großartig, dass sie ihn sogleich als ihren eigenen ausgaben. Man müsse einen Profi damit beauftragen, die Phe-lan-Erben als untröstliche Kinder hinzustellen, die einen Mann geliebt hatten, der kaum je Zeit für sie gehabt habe. Ein halbverrückter exzentrischer Schürzenjäger... ja, das war es! Man müsse Troy der Öffentlichkeit als

Bösewicht präsentieren und ihre Mandanten als die armen Opfer!

Der Plan wurde ausgeschmückt, und rund um die Tische malte man sich in buntesten Farben aus, wie diese Kampagne ablaufen sollte, bis jemand fragte, wie man eigentlich für die Dienste einer solchen Agentur zahlen wolle.

»Die sind schrecklich teuer«, sagte ein Anwalt, der für seine eigenen Dienste sechshundert Dollar pro Stunde berechnete, und für jeden seiner drei nutzlosen Mitarbeiter immerhin noch vierhundert.

Sogleich wirkte der Vorschlag weniger verlockend. Dann regte Hark zögernd an, jede Kanzlei könne einen Teil des Betrags vorschießen. Daraufhin wurde es unvorstellbar ruhig im Raum. Diejenigen, die bisher so ungeheuer viel über alles und jedes zu sagen gehabt hatten, beschäftigten sich angelegentlich mit Unterlagen, die vor ihnen auf dem Tisch lagen.

»Darüber können wir später reden«, sagte Hark im Bemühen, das Gesicht zu wahren. Zweifellos würde diese Anregung nie wieder zur Sprache kommen.

Dann spekulierten sie über Rachel und über die Frage, wo sie sich aufhalten mochte. Sollte man ein erstklassiges Detektivbüro damit beauftragen, sie aufzuspüren? Nahezu jeder Anwalt kannte eins. Dieser verlockende Gedanke erhielt mehr Beachtung, als nötig gewesen wäre. Welcher Anwalt hätte nicht am liebsten die eigentliche Erbin vertreten?

Aber sie beschlossen, nichts dergleichen zu tun - in erster Linie, weil sie sich nicht darauf einigen konnten, was zu tun war, falls man sie fand.

Sie würde bestimmt früh genug auf der Bildfläche erscheinen, und zweifellos mit ihrem eigenen Gefolge von Anwälten.

Die Zusammenkunft endete nicht unfreundlich. Jeder der Anwälte nahm das Ergebnis mit nach Hause, das er haben wollte. Sie wollten sogleich ihre Mandanten anrufen und stolz von den Fortschritten berichten, die man gemacht hatte. Sie konnten definitiv sagen, alle Anwälte der Phelan-Erben seien einhellig der Ansicht, dass man das Testament mit Nachdruck anfechten müsse.

ZWEIUNDZWANZIG

Der Fluss stieg den ganzen Tag über an, trat an einigen Stellen langsam über die Ufer, verschluckte Sandbänke, stieg bis ins dichte Unterholz, überflutete die kleinen, schlammigen Gärten von Häusern, an denen sie in Abständen von etwa drei Stunden vorüberkamen. Immer mehr trieb im Wasser: Laub und Gräser, Äste und mitsamt den Wurzeln aus dem Boden gespülte junge Bäume. Mit zunehmender Breite des Paraguay wurde sein; Strömung stärker und verlangsamte die Fahrt des Bootes noch mehr.

Aber niemand sah auf die Uhr. Taktvoll war Nate von seinem Posten als Schiffsführer abgelöst worden, nachdem ein im Wasser treibender Baumstamm, den er nicht gesehen hatte, die Santa Loura erschüttert hatte. Zwar blieb das Boot unbeschädigt, aber der Aufprall ließ Jevy und Welly sofort zum Ruderhaus eilen. Nate kehrte zu seinem eigenen kleinen Deck mit der Hängematte zurück und brachte den Vormittag mit Lesen zu und dam t, dass er die Tierwelt beobachtete.

Jevy setzte sich mit einer Tasse Kaffee zu ihm. »Wie finden Sie das Pantanal?« fragte er. Sie saßen nebeneinander auf de: Bank und ließen, die Arme durch die Stäbe der Reling gesteckt, die bloßen Füße über dem Wasser baumeln.

»Es ist herrlich.«

»Kennen Sie den Staat Colorado?«

»Ich war schon mal da.«

»In der Regenzeit treten die Flüsse im Pantanal so sehr über die Ufer, dass sie ein Gebiet von der Größe Colorados unter Wasser setzen.«

»Waren Sie denn schon mal da?«

»Ja, ich hab da einen Vetter.«

»Und wo waren Sie noch?«

»Vor drei Jahren bin ich mit meinem Vetter in einem Greyhound durch die USA gefahren. Bis auf sechs Staaten haben wir alle gesehen.«

Nate war doppelt so alt wie Jevy mit seinen vierundzwanzig Jahren und hatte meist viel Geld verdient. Trotzdem hatte Jevy viel mehr von den Vereinigten Staaten gesehen als er.

Solange Nate genug Geld hatte, war er immer nach Europa gereist. Seine Lieblingsrestaurants waren in Rom und Paris .

»Wenn die Überflutungen nachlassen«, fuhr Jevy fort, »beginnt die Trockenzeit. Dann gibt es Grasland, Sumpfgebiete und zahllose Lagunen und überschwemmte Flächen. Dieser ständige Wechsel von Regen- und Trockenzeit sorgt dafür, dass es hier eine vielfältigere Fauna gibt als irgendwo sonst auf der Erde. Hier leben sechshundertfünfzig Vogelarten, mehr als in den Vereinigten Staaten und Kanada zusammen, außerdem mindestens zweihundertsechzig Fischarten. Dann haben wir noch Schlangen und Kaimane. Sogar Riesenotter leben im Wasser.« Wie auf Bestellung wies er auf ein Dickicht am Rande eines Wäldchens. »Sehen Sie, ein Stück Rotwild«, sagte

er. »Davon gibt es hier Unmengen. Außerdem Jaguare, große Ameisenbären, capivaras, Tapire und HyazinthAras. Der Artenreichtum im Pantanal ist unerschöpflich.«

»Sind Sie hier geboren?«

»Meinen ersten Atemzug hab ich im Krankenhaus von Corumba getan, aber wirklich zur Welt gekommen bin ich an diesen Flüssen. Hier ist meine Heimat.«

»Sie haben gesagt, dass Ihr Vater Flusslotse war.«

»Ja. Als kleiner Junge bin ich oft mit ihm gefahren. Frühmorgens, wenn alle anderen noch schliefen, durfte ich immer das Steuer übernehmen. Als ich zehn Jahre war, kannte ich schon die wichtigsten Flüsse.«