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Nate wusste nicht, wie sicher Jevy seiner Sache war. Er hatte die Flusskarten gründlich studiert und sich lange auf diesen Gewässern aufgehalten. Sie alle führten zum Paraguay zurück. Falls er eine falsche Richtung einschlug und sich verirrte, würde die Strömung sie schließlich zu Welly zurückbringen.

Sie fuhren an der Linie der niedrigen Bäume und überschwemmten Dickichte vorüber, die während der Trockenzeit das Ufer bildete, und befanden sich bald in der Mitte einer seichten Wasserfläche, über der sich ein Baumdach wölbte. In Nates Augen sah das nicht wie der Cabixa aus, aber ein rascher Blick zu Jevy zeigte nichts als Zuversicht.

Nach einer Stunde erreichten sie die erste menschliche Ansiedlung - eine kleine Hütte mit einem roten Ziegeldach. Das Wasser stand an den schlammbedeckten Mauern fast einen Meter hoch, und man sah nicht den geringsten Hinweis auf Mensch oder Tier. Jevy nahm Fahrt weg, damit sie miteinander reden konnten.

»In der Regenzeit gehen viele Menschen im Pantanal mit ihren Kühen und Kindern in höhergelegenes Gelände.

Da bleiben sie dann drei Monate.«

»Ich habe hier aber nichts gesehen, was höher liegt.«

»Viel gibt es davon auch nicht. Aber jeder pantaneiro kennt eine Stelle, die er um diese Jahreszeit aufsuchen kann.«

»Und was ist mit den Indianern?«

»Die ziehen auch umher.«

»Ist ja großartig! Wir wissen nicht, wo sie sich aufhalten, und sie ziehen gern umher.«

Leise vor sich hin lachend, sagte Jevy: »Wir finden sie schon.«

Sie trieben an der Hütte vorüber, die weder Türen noch Fenster hatte. Besonders einladend sah sie nicht aus. Neunzig Minuten. Nate hatte seine Furcht, gefressen zu werden, schon ganz vergessen, doch dann sahen sie nach einer Flusskrümmung einen Trupp Kaimane, die dicht beieinander im nur etwa eine Handbreit tiefen Wasser ruhten. Die Ankunft des Bootes störte sie auf. Schwanzschlagend suchten sie tieferes Wasser auf. Nate warf einen Blick auf die Machete, für alle Fälle, und lachte dann über seine eigene Dummheit.

Die Reptilien dachten gar nicht daran, anzugreifen, und sahen nur träge zu, wie das Boot vorüberglitt.

Zwanzig Minuten lang entdeckten sie keine weiteren Tiere. Wieder wurde das Gewässer schmaler. Die Ufer rückten so dicht aneinander, dass Bäume von beiden Seiten sich über dem Wasser berührten. Mit einem Mal war es dunkel. Sie trieben durch einen Tunnel. Nate sah auf die Uhr. Sie waren zwei Stunden von der Santa Loura entfernt.

Während sie im Zickzack durch das Sumpfgebiet fuhren, erhaschten sie Blicke auf den Horizont. Die aufragenden Bergketten Boliviens schienen näher zu kommen. Der Fluss wurde wieder breiter, die Bäume wichen auseinander, und sie befanden sich auf einer großen Wasserfläche, in die mehr als ein Dutzend gewundene Flussläufe mündeten. Langsam fuhren sie das Gewässer einmal im Kreise ab, dann noch einmal langsamer. Ein Wasserlauf sah haargenau so aus wie der andere. Der Cabixa war einer von einem Dutzend, und Jevy wusste nicht, welcher.

Er stellte sich wieder auf die Benzinkanister und spähte über das Wasser, während Nate regungslos sitzen blieb. Ihnen gegenüber sahen sie einen Angler im Röhricht. Dass sie ihn entdeckt hatten, sollte der einzige Moment des Tages sein, an dem ihnen das Glück beistand.

Der Mann saß geduldig in einem kleinen Kanu, das vor langer Zeit aus einem Baumstamm herausgehauen worden war. Sein zerfetzter Strohhut verbarg sein Gesicht fast vollständig. Als sie so nah herangekommen waren, dass sie Einzelheiten erkennen konnten, merkte Nate, dass er ohne Angelrute fischte und sich die Schnur einfach um die Hand gewickelt hatte.

Jevy sagte genau das Richtige auf portugiesisch und gab dem Mann eine Flasche Wasser. Nate lauschte lächelnd den verschliffenen Lauten der sonderbaren Sprache, die etwa so nasal klang wie Französisch und langsamer gesprochen wurde als Spanisch. Sofern sich der Fischer freute, in dieser Einsamkeit einem Mitmenschen zu begegnen, zeigte er das nicht. Wo mochte der Arme nur leben?

Dann begannen die beiden, in Richtung der Berge zu gestikulieren. Nach längerer Zeit kam es Nate so vor, als hätte der Mann mit seinen Richtungsangaben den ganzen See erfaßt. Sie redeten noch eine Weile miteinander, und Nate hatte den Eindruck, dass Jevy aus dem Mann herausholte, was sich von ihm nur erfahren ließ. Es konnte Stunden dauern, bevor sie einem anderen Menschen begegneten. Angesichts der überschwemmten Sumpfflächen und der Hochwasser führenden Flüsse erwies sich die Navigation als schwierig. Erst zweieinhalb Stunden waren sie unterwegs, und schon wussten sie nicht mehr, wo sie waren.

Eine Wolke kleiner schwarzer Moskitos schwebte über ihnen, und Nate suchte nach dem Insektenschutzmittel.

Der Angler beobachtete ihn neugierig.

Sie verabschiedeten sich und paddelten, von einem leichten Wind geschoben, davon. »Seine Mutter war Indianerin«, sagte Jevy.

»Schön für ihn«, gab Nate zur Antwort, während er Moskitos erschlug.

»Ein paar Stunden von hier liegt eine Ansiedlung.«

»Ein paar Stunden?«

»Vielleicht drei.«

Sie hatten Kraftstoff für fünfzehn Stunden, und Nate nahm sich vor, jede Minute zu zählen. Der Cabixa begann erneut an einer Einmündung, wo auch ein weiterer Fluss, der völlig gleich außah, den See verließ. Er weitete sich, und sie brausten mit Vollgas davon.

Nate setzte sich tiefer ins Boot und fand zwischen der Kiste mit Lebensmitteln und den Schöpfeimern eine Stelle auf dem Boden, wo er sich mit dem Rücken an den Sitz lehnen konnte. Hier erreichte die Gischt sein Gesicht nicht. Er hatte sich gerade auf ein Nickerchen eingestellt, als der Motor zu stottern begann. Das Boot schwankte hin und her und wurde langsamer. Nate hielt den Blick fest auf den Fluss gerichtet, denn er hatte Angst, sich umzudrehen und Jevy anzusehen.

Über Motorenprobleme hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Es hatte bei der Reise schon genug gefährliche Situationen gegeben. Wenn sie zu Welly zurückpaddeln mussten, würde das Tage harter Arbeit kosten. Sie würden im Boot schlafen müssen, von dem leben, was sie an Vorräten mitgenommen hatten, bis es zur Neige ging, Regenwasser auffangen und hoffen, dass auch auf dem Heimweg der Angler wieder da war, um ihnen den Weg zurück in die Sicherheit zu zeigen.

Mit einem Mal hatte er entsetzliche Angst.

Dann ging es weiter. Der Motor jaulte auf, als wäre nichts geschehen. Das wurde zur Gewohnheit: Etwa alle zwanzig Minuten, kaum, dass Nate wegsacken wollte, unterbrach der Motor sein gleichförmiges Lied. Der Bug tauchte ins Wasser, Nate warf einen raschen Blick zu den Ufern, um zu sehen, welche Tiere sich dort aufhielten. Jevy fluchte auf portugiesisch, spielte ein wenig mit Gas und Choke, dann war für die nächsten zwanzig Minuten wieder alles in Ordnung.

Als sie unter einem Baum an einer kleinen Flussgabelung Mittagspause machten - es gab Käse, Kekse und Salzgebäck -, begann es zu regnen.

»Kennt der Angler da hinten die Indianer?« fragte Nate.

»Ja. Etwa einmal im Monat kommen sie mit dem Boot zum Paraguay, um Handel zu treiben. Er hat sie schon ein paar Mal gesehen.«

»Haben Sie ihn gefragt, ob je eine Missionarin bei ihnen war?«

»Habe ich. Hat er nicht. Sie sind der erste Nordamerikaner, dem er je begegnet ist.« -»Der Glückliche.«

Den ersten Hinweis auf die Ansiedlung bekamen sie, nachdem sie nahezu sieben Stunden unterwegs gewesen waren. Nate sah eine dünne blaue Rauchfahne über den Bäumen nahe dem Fuß eines Hügels. Jevy war sicher, dass sie sich inzwischen auf bolivianischem Gebiet befanden. Die überschwemmten Gebiete lagen hinter ihnen. Das Gelände war höher als zuvor, sie waren ganz in der Nähe der Berge.

Sie kamen an eine Lücke in den Bäumen und sahen zwei Kanus auf einer Lichtung. Jevy lenkte das Boot dorthin. Rasch sprang Nate ans Ufer, er wollte sich unbedingt die Beine vertreten und festen Boden unter den Füssen spüren.

»Bleiben Sie in der Nähe«, forderte ihn Jevy auf, während er sich an den Benzinkanistern zu schaffen machte.