Выбрать главу

Nate sah zu ihm hin. Ihre Blicke begegneten sich, und Jevy nickte zu den Bäumen hinüber.

Ein Indianer beobachtete sie. Die Haut seines nackten Oberkörpers glänzte bronzefarben. Um die Hüften trug er eine Art Strohrock, und er schien unbewaffnet zu sein. Nate war ungeheuer erleichtert, denn anfangs hatte er bei seinem Anblick große Angst empfunden. Der Mann hatte langes schwarzes Haar und rote Streifen auf der Stirn. Hätte er einen Speer in der Hand gehabt, Nate hätte sich ihm ohne ein Wort ergeben.

»Ist er uns freundlich gesonnen?« fragte er, ohne den Blick von ihm zu wenden.

»Ich glaube schon.«

»Spricht er Portugiesisch?« »Ich weiß nicht.«

»Warum gehen Sie nicht hin und stellen es fest?«

»Immer mit der Ruhe.«

Jevy trat aus dem Boot. »Er sieht aus wie ein Kannibale flüsterte er. Dieser Witz verfehlte seine Wirkung.

Sie machten einige Schritte auf den Indianer zu, und er machte ein paar Schritte auf sie zu. Dann blieben alle drei stehen, einen deutlichen Abstand zwischen sich. Nate war versucht, die Hand zu heben und »Hallo« zu sagen. »Fala portugues?« fragte Jevy mit freundlichem Lächeln.

Der Indianer dachte lange über die Frage nach. Es wurde immer offensichtlicher, dass er nicht Portugiesisch sprach. Er wirkte noch jung, vermutlich war er nicht mal zwanzig Jahre alt. Wahrscheinlich hatte er sich zufällig in der Nähe des Flusses befunden, als ihm das Geräusch des Außenbordmotors aufgefallen war.

Während sie sich aus etwa sechs Meter Abstand musterten, überlegte Jevy, wie es weitergehen sollte. Im Gesträuch hinter dem Indianer nahm er eine Bewegung wahr. Dann tauchten am Waldrand drei seiner Stammesbrüder auf, glücklicherweise alle ohne Waffen. Angesichts der Überzahl und im Bewusstsein, dass sie sich auf fremdem Territorium befanden, hätte Nate am liebsten die Flucht ergriffen. Die Männer waren zwar nicht besonders groß, hatten aber den Heimvorteil. Außerdem wirkten sie nicht besonders freundlich. Weder lächelten noch grüßten sie.

Mit einem Mal tauchte eine junge Frau aus den Bäumen auf und trat neben den ersten Indianer. Auch ihre Haut war bronzefarben und ihr Oberkörper unbekleidet. Nate gab sich große Mühe, sie nicht anzustarren. »Fa/o«, sagte sie.

Betont langsam sprechend erklärte Jevy, was sie wollten, und bat, mit dem Stammesoberhaupt sprechen zu dürfen. Die Frau dolmetschte seine Worte für die Männer, die dicht beieinander standen und mit finsteren Gesichtern aufeinander einredeten.

»Ein paar wollen uns gleich fressen«, sagte Jevy leise, »und die anderen wollen lieber bis morgen warten.«

»Sehr witzig.«

Nach einer Weile teilten die Männer der Frau das Ergebnis ihrer Beratung mit. Sie erklärte den Eindringlingen, dass sie am Fluss warten sollten, bis die Nachricht von ihrer Ankunft weitergemeldet wurde. Nate paßte das glänzend, während Jevy diese Mitteilung eher zu beunruhigen schien. Er fragte, ob eine Missionarin bei den Indianern lebe.

Ihr müsst warten, sagte sie.

Die Indianer verschwanden unter den Bäumen.

»Was meinen Sie?« fragte Nate, als sie fort waren. Weder er noch Jevy hatten sich auch nur einen Zentimeter von der Stelle gerührt. Sie standen im knöchelhohen Gras und sahen zu dem dichten Wald hinüber. Nate war überzeugt, dass man sie von dort aus beobachtete.

»Sie stecken sich leicht mit Krankheiten an, wenn sie mit Fremden in Berührung kommen«, erklärte Jevy. »Deswegen sind sie so vorsichtig.«

»Ich fasse schon keinen an.«

Sie zogen sich zum Boot zurück, wo sich Jevy damit beschäftigte, die Zündkerzen zu reinigen. Nate zog beide Hemden aus und kontrollierte den Inhalt der behelfsmäßig wasserdicht gemachten Umhüllung. Die Papiere waren noch trocken.

»Sind das Papiere für die Frau?« fragte Jevy.

»Ja.«

»Was ist mit ihr passiert?«

Die strengen Vorschriften, die für den Umgang mit vertraulichen Angelegenheiten von Mandanten galten, schienen in jenem Augenblick nicht so wichtig zu sein. Zwar waren sie einem Anwalt heilig, aber wer in einem Boot tief im Pantanal saß, ohne dass ein anderer Amerikaner in der Nähe war, konnte sich auch ein wenig über die

Vorschriften hinwegsetzen. Was konnte es schaden, wenn Nate ein bißchen plauderte? Wem könnte Jevy diese Dinge schon weitererzählen?

Josh hatte Valdir Ruiz strikte Anweisung erteilt, Jevy nur zu sagen, dass es sich um eine wichtige Angelegenheit handelte, die es erforderlich machte, Rachel Lane zu finden.

»Ihr Vater ist vor ein paar Wochen gestorben. Er hat ihr einen Haufen Geld hinterlassen.«

»Wieviel?« ....

»Mehrere Milliarden.«

»Milliarden?«

»Ja.«

»Dann war er wohl sehr reich.«

»Ja, das war er.«

»Hatte er noch mehr Kinder?«

»Ich glaube, sechs.«

»Hat er denen auch mehrere Milliarden hinterlassen?«

»Nein. Sehr viel weniger.«

»Und warum ihr soviel?«

»Das weiß niemand. Es kam überraschend.«

»Weiß sie, dass ihr Vater tot ist?«

»Nein.«

»Hat sie ihren Vater geliebt?«

»Das bezweifle ich. Sie ist eine uneheliche Tochter. Es sieht ganz so aus, als hätte sie versucht, vor ihm und allem anderen davonzulaufen. Das kann man doch sagen, oder?« Nate wies bei diesen Worten auf das sie umgebende Pantanal.

»Ja. Das hier ist ein glänzendes Versteck. Hat er bei seinem Tod gewusst, wo sie sich befindet?«

»Nicht genau. Er hat nur gewusst, dass sie als Missionarin irgendwo hier in der Gegend bei den Indianern arbeitet.«

Ohne auf die Zündkerze, die er in der Hand hielt, zu achten, nahm Jevy die Neuigkeit in sich auf. Er hatte viele Fragen. Die Verletzung des Anwaltsgeheimnisses wurde gravierender.

»Welchen Grund hätte er haben können, einem Kind, das ihn nicht geliebt hat, so viel Geld hinterlassen?« »Vielleicht war er verrückt. Er ist von einem Hochhaus gesprungen.«

Das war mehr, als Jevy auf einmal verdauen konnte. Mit zusammengekniffenen Augen spähte er, tief in Gedanken versunken, auf den Fluss hinaus.

VIERUNDZWANZIG

Die Indianer gehörten zum Stamm der Guato. Sie waren schon lange in dieser Gegend ansässig, lebten wie ihre Vorfahren und mieden Kontakte mit Außenstehenden. Sie fischten in den Flüssen, jagten mit Pfeil und Bogen und bauten auf kleinen Stücken Land Gemüse an.

Sie schienen sich Zeit zu lassen. Nach einer Stunde stieg Jevy Rauch in die Nase. Er kletterte auf einen Baum in der Nähe des Bootes, wo er aus gut zehn Metern Höhe die Dächer ihrer Hütten erkennen konnte. Er forderte Nate auf, gleichfalls nach oben zu kommen.

Nate war seit vierzig Jahren auf keinen Baum gestiegen, aber er hatte gerade nichts anderes zu tun. Er war weniger behende als Jevy und machte auf einem nicht besonders dicken Ast halt, wobei er den Stamm mit einem Arm umschlang.

Sie sahen drei Hütten, deren Dächer aus dicken, sauber aufgeschichteten Strohlagen bestanden. Der Rauch stieg zwischen zwei der Hütten von einer Stelle auf, die ihren Blicken verborgen war.

Waren sie möglicherweise Rachel Lane schon so nahe? Befand sie sich etwa dort unten, hörte zu, was die Indianer berichteten, und überlegte, wie sie sich verhalten sollte? Würde sie einen Krieger schicken, um die beiden Besucher abzuholen, oder zu ihrer Begrüßung selbst durch die Bäume herbeikommen?

»Es ist nur eine kleine Ansiedlung«, sagte Nate und bemühte sich, keine Bewegung zu machen.

»Vielleicht gibt es noch mehr Hütten.«......

»Was tun die Ihrer Ansicht nach gerade?«

»Sie reden miteinander.«

»Ich spreche das nur ungern an, aber wir müssen allmählich an Aufbruch denken. Wir sind vor achteinhalb Stunden losgefahren. Ich würde Welly gern wiedersehen, bevor es dunkel wird.«