Hark schloss die Tür und wandte sich an die Versammelten. Er lieferte einen kurzen Abriss des Lebens von
Malcolm Snead, eines Mannes, mit dem er schon eine ganze Weile täglich zusammenkam. »Er hat dreißig Jahre lang in Mr. Phelans Diensten gestanden«, sagte er mit Nachdruck. »Vielleicht hat er ihm geholfen, das letzte Testament abzufassen. Vielleicht ist er bereit auszusagen, dass der Alte dabei von allen guten Geistern verlassen war.«
Diese Nachricht überraschte die Anwälte. Hark betrachtete eine Weile die erfreuten Gesichter in der Runde und sagte dann: »Vielleicht sagt er aber auch aus, er habe von dem handschriftlichen Testament nichts gewusst und Mr. Phelan sei am Tag seines Todes bei völlig klarem Verstand gewesen.«
»Wie viel will er?« Wally Bright kam gleich zur Sache.
»Fünf Millionen. Ein Zehntel sofort, den Rest, nachdem der Vergleich geschlossen ist.«
Der Betrag brachte die Anwälte nicht aus dem Konzept. Dazu stand zu viel auf dem Spiel. Eigentlich fanden sie Sneads Forderung eher bescheiden.
»Unsere Mandanten haben das Geld natürlich nicht«, sagte Hark. »Falls wir also seine Außage kaufen wollen, müssen wir es vorstrecken. Wir können für etwa fünfundachtzigtausend Dollar pro Erben ein Abkommen mit Mr. Snead unterschreiben. Meiner festen Überzeugung nach wird er dann in einer Weise Aussagen, die dafür sorgt, dass wir entweder den Prozess gewinnen oder eine Einigung erzwingen können.«
Die Vermögensverhältnisse der Anwesenden waren äußerst unterschiedlich. Wally Brights Kanzleikonto war überzogen, und er hatte Steuerrückstände. Am entgegengesetzten Ende des Spektrums befand sich die Kanzlei, in der Hemba und Hamilton arbeiteten; in ihr gab es Partner, die jährlich mehr als eine Million verdienten.
»Wollen Sie damit sagen, wir sollen einen Zeugen dafür bezahlen, dass er die Unwahrheit sagt?« fragte Hamilton.
»Wir wissen nicht, ob es die Unwahrheit ist«, antwortete Hark. Er hatte auf jede Frage die richtige Antwort bereit. »Das weiß niemand. Er war mit Mr. Phelan allein. Weitere Zeugen gibt es nicht. Was auch immer Mr.
Snead sagt, ist die Wahrheit.«
»Das kommt mir zweifelhaft vor«, sagte Hemba.
»Haben Sie einen besseren Vorschlag?« knurrte Grit, der seine vierte Mimosa trank.
Als Mitarbeiter einer großen Kanzlei waren Hemba und Hamilton mit dem Schmutz der Straße bisher nicht in Berührung gekommen. Das bedeutete nicht, dass sie oder ihresgleichen nicht käuflich waren, aber ihre Mandanten waren Großunternehmen, die mit Hilfe von Lobbyisten Politiker bestachen, um große Regierungsaufträge zugeschanzt zu bekommen, und die für ausländische Despoten Geld auf Schweizer Konten in Sicherheit brachten, wozu sie sich ihrer vertrauenswürdigen Anwälte bedienten. Aber weil sie Mitarbeiter einer großen Kanzlei waren, sahen sie natürlich auf die Art standeswidrigen Verhaltens herab, das Hark anregte und das von Grit, Bright und den anderen Winkeladvokaten offenbar gutgeheißen wurde.
»Ich weiß nicht recht, ob unser Mandant damit einverstanden wäre«, sagte Hamilton.
»Ihr Mandant springt sofort darauf an«, sagte Hark. Es war fast ein Witz, dass jemand TJ Phelan moralische Anwandlungen zutraute. »Wir kennen ihn besser als Sie. Die Frage ist eher, ob Sie da mitmachen wollen.« »Wollen Sie damit andeuten, dass wir, die Anwälte, die fünf-hunderttausend Dollar Anzahlung aufbringen?« fragte Hemba im Ton tiefster Verachtung.
»Genau das«, sagte Hark.
»Unsere Kanzlei würde derlei nie auch nur erwägen.«
»Dann wird er sich eine andere suchen«, meldete sich Grit zu Wort. »Vergessen Sie nicht, dass Sie die vierte in einem Monat sind.«
In der Tat hatte Troy Junior bereits gedroht, der Kanzlei das Mandat zu entziehen. Also hörten die beiden schweigend mit an, was Hark zu sagen hatte.
»Um die Peinlichkeit zu vermeiden, dass jeder von uns einen entsprechenden Betrag vorlegen muss, habe ich eine Bank ausfindig gemacht, die bereit ist, fünfhunderttausend Dollar auf ein Jahr zur Verfügung zu stellen. Wir brauchen lediglich sechs Unterschriften dafür. Ich selbst habe bereits unterschrieben.«
»Ich unterzeichne das verdammte Ding«, sagte Bright in bester Macho-Manier. Er war furchtlos, weil er nichts zu verlieren hatte.
»Ich will das noch einmal genau wissen«, sagte Yancy. »Erst zahlen wir, dann redet Snead. Ist das richtig?«
»Das ist richtig.«
»Sollten wir uns nicht zuerst mal seine Version anhören?«
»Daran muss noch gefeilt werden. Das ist ja das Schöne an der Sache. Sobald wir ihn bezahlt haben, gehört er uns. Wir können seine Außage entsprechend unseren Bedürfnissen hinbiegen. Vergessen Sie nicht, es gibt keine anderen Zeugen, eventuell mit Ausnahme einer Sekretärin.«
»Und was soll die kosten?« fragte Grit.
»Nichts. Die kriegen wir als Dreingabe.« Wie oft in seiner beruflichen Laufbahn hatte ein Anwalt schon Gelegenheit, sich seinen Anteil aus dem zehntgrößten Vermögen des Landes herauszuschneiden? Die Anwälte rechneten leise für sich. Ein kleines Risiko jetzt, und später eine Goldmine.
Ms. Langhorne überraschte die anderen mit den Worten: »Ich werde meiner Kanzlei vorschlagen, dass wir uns dem Abkommen anschließen. Aber jeder muss darüber schweigen wie ein Grab.«
»Wie ein Grab«, wiederholte Yancy. »So etwas könnte uns die Zulassung kosten; außerdem würden wir, wenn es herauskäme, wahrscheinlich unter Anklage gestellt. Anstiftung zur Falschaussage ist eine Straftat.« »Sie haben das nicht richtig verstanden«, sagte Grit. »Es kann keine Falschaussage geben. Was die Wahrheit ist, bestimmt Snead, und niemand außer ihm. Wenn er sagt, dass er bei der Abfassung des Testaments mitgewirkt hat und der Alte damals verrückt war - wer auf der Welt kann was dagegen sagen? Es ist einfach eine glänzende Gelegenheit. Ich unterschreibe.«
»Das sind dann schon vier«, sagte Hark.
»Ich unterschreibe auch«, sagte Yancy.
Hemba und Hamilton waren unschlüssig. »Wir müssen das mit unserer Kanzlei abklären«, sagte Hamilton schließlich.
»Müssen wir Sie daran erinnern, dass das hier vertraulich ist?« fragte Bright. Es war nicht ohne Komik, dass der Straßenkämpfer aus den Abendkursen die Herausgeber juristischer Fachzeitschriften an die Standesrichtlinien erinnerte.
»Nein«, sagte Hemba, »das müssen Sie nicht.«
Hark würde Rex anrufen, ihm die Sache schildern, worauf dieser seinen Bruder TJ anrufen und ihm mitteilen würde, dass seine neuen Anwälte die Abmachung torpedierten. Binnen achtundvierzig Stunden wären Hemba und Hamilton Schnee von gestern.
»Machen Sie schnell«, warnte Hark sie. »Mr. Snead behauptet, er sei pleite, und hat absolut nichts dagegen, eine Abmachung mit der Gegenseite zu treffen.«
»Wo wir gerade davon sprechen«, sagte Langhorne, »wissen wir inzwischen mehr über die Gegenseite? Wir alle fechten das Testament an. Irgend jemand muss es ja annehmen. Wo steckt diese Rachel Lane?«
»Sie hält sich offenbar verborgen«, sagte Hark. »Josh hat mir versichert, dass seine Leute wissen, wo sie sich aufhält, und Kontakt mit ihr haben, und dass sie im Begriff steht, Anwälte mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen.«
»Bei elf Milliarden will ich das schwer hoffen«, fügte Grit hinzu.
Sie dachten eine Weile über den Betrag nach, teilten ihn in Gedanken durch sechs und rechneten sich ihren eigenen Anteil aus. Fünf Millionen für Snead schienen wirklich nicht übertrieben.
Jevy und Nate erreichten am frühen Nachmittag die Handelsniederlassung. Der Außenbordmotor setzte immer wieder aus, und Jevy hatte kaum noch Benzin. Fernando, der Ladenbesitzer, lag in einer Hängematte auf der Veranda, um der glühenden Sonne zu entgehen. Er war schon alt, ein bewährter Veteran des Flusses, der noch Jevys Vater gekannt hatte.