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Als Jevy ihn vor dem Frühstück aufsuchte, war er halb wach. Seine Augen waren noch bedeckt, weil ihm die Dunkelheit lieber war. »Welly ist auch hier«, flüsterte Jevy.

Die diensttuende Schwester half ihm, Nates Bett aus dem Zimmer und über den Gang in einen kleinen Hofraum zu schieben, wo die Sonne schien. Sie drehte eine Kurbel, und das halbe Bett richtete sich auf. Dann nahm sie Nate Pflaster und Binde ab, ohne dass er mit der Wimper zuckte. Langsam öffnete er die Augen und versuchte etwas zu erkennen. Jevy, der sich nur wenige Zentimeter von ihm entfernt befand, sagte: »Die Schwellung ist zurückgegangen.«

»Hallo, Nate«, sagte Welly. Er stand auf der anderen Seite. Die Schwester ging.

»Hallo, Welly«, sagte Nate. Seine Worte kamen langsam und klangen verschliffen. Er war benommen, fühlte sich aber wohl. Wie gut er das Gefühl kannte, bekifft zu sein.

Jevy fasste nach seiner Stirn und erklärte: »Auch das Fieber ist weg.« Die beiden Brasilianer lächelten sich an, erleichtert, dass sie den Amerikaner, mit dem sie ins Pantanal gefahren waren, nicht auf dem Gewissen hatten. »Was ist mit dir passiert?« fragte Nate, zu Welly gewandt. Er bemühte sich, die Wörter sauber voneinander zu trennen, damit es nicht klang, als wäre er betrunken. Jevy gab die Frage auf portugiesisch weiter. Welly begann sofort begeistert seinen langen Bericht über das Unwetter und den Untergang der Santa Loura. Jevy unterbrach ihn jeweils nach einer halben Minute, um zu dolmetschen. Nate hörte zu und versuchte, die Augen offen zuhalten, verlor aber immer wieder für Augenblicke das Bewusstsein.

Valdir stieß zu ihnen. Er begrüßte Nate herzlich, froh darüber, dass ihr Gast schon im Bett sitzen konnte und es ihm offensichtlich besser ging. Er nahm ein Mobiltelefon heraus und sagte, während er wählte: »Sie müssen mit Mr. Stafford sprechen. Er macht sich große Sorgen.«

»Ich weiß nicht so recht, ob ich...« Nate schwamm wieder alles im Kopf.

»Hier, setzen Sie sich auf! Es ist Mr. Stafford«, sagte Valdir, gab ihm das Telefon und schob die Kissen hinter ihm zurecht. Nate nahm das Telefon und sagte: »Hallo.«

»Nate!« kam die Antwort. »Bist du das?«

»Josh.«

»Nate, sag mir, dass du nicht stirbst. Bitte sag es mir.«

»Da bin ich mir gar nicht so sicher«, sagte Nate. Vorsichtig schob Valdir den Hörer näher an Nates Kopf und half ihm, es zu halten. »Sie müssen lauter sprechen«, flüsterte er. Jevy und Welly traten ein wenig beiseite.

»Hast du Rachel Lane gefunden?« schrie Josh ins Telefon.

Nate runzelte die Stirn im Versuch, sich zu konzentrieren. Dann sagte er: »Nein.«

»Was?«

»Sie heißt nicht Rachel Lane.«

»Was zum Teufel soll das heißen?« .

Nate überlegte eine Weile, dann überwältigte ihn die Müdigkeit. Er sank ein wenig in sich zusammen, während er nach wie vor versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern. Vielleicht hatte sie ihm ihren neuen Nachnamen gar nicht gesagt. »Ich weiß nicht«, murmelte er. Seine Lippen bewegten sich kaum. Valdir drückte den Hörer kräftiger an sein Gesicht.

»Nate, sag schon! Hast du die richtige Frau gefunden?«

»Aber ja. Hier unten ist alles in Ordnung, Josh. Mach dir keine Sorgen.«

»Was ist mit der Frau?«

»Sie ist wunderschön.«

Josh zögerte einen Augenblick, konnte aber keine Zeit vergeuden. »Das ist gut, Nate. Hat sie die Papiere unterschrieben?«

»Mir fällt ihr Name nicht ein.«

»Hat sie die Papiere unterschrieben?«

Eine lange Pause trat ein, während Nate das Kinn auf die Brust sank und es so aussah, als sei er eingeschlafen. Valdir stieß ihn vorsichtig an und versuchte mit Hilfe des Telefons, seinen Kopf wieder aufzurichten. »Ich mag sie wirklich«, plapperte Nate plötzlich. »Sehr.«

»Du bist high, Nate, stimmt's? Die haben dich doch unter Schmerzmittel gesetzt, nicht wahr?«

»Ja.«

»Hör mal, Nate, ruf mich an, wenn du wieder klar im Kopf bist, okay?«

»Ich hab kein Telefon.«

»Dann nimm das von Valdir. Bitte ruf mich an, Nate!«

Er nickte und schloss die Augen. »Ich hab ihr einen Heiratsantrag gemacht«, sagte er ins Telefon, dann sank sein Kopf zum letzten Mal herab.

Ruiz nahm das Telefon an sich und ging beiseite. Er versuchte, Nates Zustand zu beschreiben.

»Muss ich da runterkommen?« brüllte Josh zum dritten oder vierten Mal.

»Das ist nicht erforderlich. Bitte haben Sie Geduld.«

»Ich hab es satt, mir sagen zu lassen, dass ich Geduld haben soll.«

»Das verstehe ich.«

»Sehen Sie zu, dass er auf die Beine kommt, Valdir.«

»Ihm geht es gut.«

»Nein, tut es nicht. Rufen Sie mich später noch mal an.«

Als Tip Durban in Joshs Büro trat, sah er, dass dieser am Fenster stand und auf den Gebäudekomplex hinausstarrte, der sich davor erhob. Tip schloss die Tür, setzte sich und fragte: »Na, was hat er gesagt?«

Josh starrte weiter aus dem Fenster. »Er hat gesagt, dass er sie gefunden hat, dass sie wundervoll ist und er ihr einen Heiratsantrag gemacht hat.«In seiner Stimme lag nicht der geringste Anflug von Humor.

Tip hingegen fand das lustig. Bei Frauen war Nate nicht sehr wählerisch, schon gar nicht nach einer Scheidung. »Wie geht es ihm?«

»Er ist nur halb bei Bewusstsein und hat keine Schmerzen, weil sie ihn mit Schmerzmitteln vollgepumpt haben. Valdir sagt, dass das Fieber zurückgegangen ist und er schon viel besser aussieht.«

»Er stirbt also nicht?«

»Sieht so aus.«

Durban lachte leise vor sich hin. »Das ist Nate, wie er leibt und lebt. Dem ist noch nie eine Frau über den Weg gelaufen, die er nicht gemocht hat.«

Als Josh sich schließlich umwandte, schien er recht amüsiert zu sein. »Einfach großartig«, sagte er. »Nate ist pleite. Sie ist erst zweiundvierzig und hat wahrscheinlich seit Jahren keinen Weißen gesehen.«

»Nate würde es nicht mal was ausmachen, wenn sie so hässlich wäre wie die Nacht. Sie ist nun mal die reichste Frau der Welt.«

»Wenn ich es recht bedenke, überrascht es mich nicht. Ich dachte, ich tu ihm einen Gefallen, wenn ich ihm zu einem Abenteuer verhelfe. Ich war nie auf den Gedanken gekommen, dass er versuchen würde, eine Missionarin zu vernaschen.«

»Meinen Sie, dass er es geschafft hat?«

»Wer weiß, was die im Urwald getrieben haben?«

»Ich bezweifle es«, bemerkte Tip nach einer Weile. »Dazu sind zwei nötig. Wir kennen zwar Nate, aber nicht die Frau.«

Josh setzte sich auf die Schreibtischkante und sah lächelnd zu Boden. »Da haben Sie recht. Ich kann mir nicht gut vorstellen, dass sie auf Nate fliegen würde. Der hat ziemlich viel am Hals.«

»Hat sie die Papiere unterschrieben?«

»So weit sind wir gar nicht gekommen. Ich denke aber schon. Sonst hätte er bestimmt keine Ruhe gegeben.« »Wann kommt er nach Hause?«

»Sobald er reisefähig ist.«

»Da wäre ich nicht so sicher. Für elf Milliarden würde ich noch eine Weile da unten bleiben.«

SECHSUNDDREISSIG

Der Arzt fand seinen Patienten im Bett sitzend im Schatten des Hofes. Er schnarchte mit offenem Mund, die Augenbinde war abgenommen, der Kopf zur Seite gefallen. Sein Freund vom Fluss hatte sich zu einem Schläfchen auf den Boden gelegt. Nach einem kurzen Blick auf den Infusionsbeutel stellte der Arzt den Tropf ab. Er legte Nate die Hand auf die Stirn und spürte keine erhöhte Temperatur.

»Senhor O'Riley«, sagte er laut und klopfte ihm auf die Schulter. Jevy sprang auf. Der Arzt sprach kein Englisch. Er wollte, dass Nate in sein Zimmer zurückkehrte, doch als Jevy das übersetzte, kam es nicht gut an. Nate argumentierte mit Jevy, und Jevy flehte den Arzt an. Er hatte die anderen Patienten gesehen, die offenen Wunden, die Sterbenden im Gang, die Anfälle miterlebt, und er versprach dem Arzt, er werde bei seinem Freund im Schatten sitzen bleiben, bis es dunkel wurde. Der Arzt gab nach. Es war ihm nicht besonders wichtig.