Jevy hörte, wie er gegen die Tür prallte. Er öffnete sie rasch und sah Nate zwischen Eimern und Schrubbern am Boden liegen. Er fasste ihn unter den Armen und zerrte ihn zum Bett zurück.
Dann schob er ihn auf die Matratze und deckte ihn mit dem Laken zu.
Nate schlug die Augen auf und fragte: »Was ist passiert?«
»Sie sind ohnmächtig geworden«, kam die Antwort. Das Bett rollte, Jevy war hinter ihm. Sie kamen an zwei Schwestern vorüber, denen nichts aufzufallen schien. »Das ist keine gute Idee«, sagte Jevy.
»Gehen Sie nur weiter.«
In der Nähe der Eingangshalle schob sich Nate vom Bett herunter und begann zu gehen, obwohl er sich wieder schwach fühlte. Jevy legte ihm schwer einen Arm um die Schultern und hielt ihn am Oberarm fest. »Immer mit der Ruhe«, sagte er. »Schön langsam.«
Niemand an der Pforte hielt sie auf, und auch die Schwestern und Pfleger, die auf der Treppe vor dem Krankenhaus rauchten, warfen ihnen keinen misstrauischen Blick zu. Die Sonne machte Nate zu schaffen, und er stützte sich auf Jevy. Sie überquerten die Straße zu Jevys Ford.
Schon an der ersten Kreuzung entkamen sie dem Tod nur knapp. »Könnten Sie bitte langsamer fahren«, blaffte Nate ihn an. Er schwitzte, und sein Magen revoltierte.
»Entschuldigung«, sagte Jevy. Er fuhr deutlich langsamer.
Mit seinem Charme und dem Hinweis auf baldige Bezahlung gelang es Jevy, der jungen Frau am Empfang des Palace Hotels ein Doppelzimmer zu entlocken. »Mein Freund ist krank«, flüsterte er ihr zu und nickte zu Nate hinüber, der ganz so aussah. Jevy wollte nicht, dass die hübsche Dame einen falschen Eindruck von ihnen bekam. Immerhin hatten sie kein Gepäck dabei.
Kaum im Zimmer angekommen, fiel Nate aufs Bett. Seine Flucht hatte ihn schrecklich mitgenommen. Jevy fand im Fernsehen die Wiederholung eines Fußballspiels, langweilte sich aber schon nach fünf Minuten. Er ging nach unten, um weiter zu flirten.
Nate versuchte zweimal, die internationale Vermittlung zu bekommen. Er erinnerte sich undeutlich, Joshs Stimme am Telefon gehört zu haben, und vermutete, dass dieser mehr von ihm wissen wollte. Beim zweiten Versuch wurde er mit einem Schwall Portugiesisch überschüttet. Als die Frau es mit Englisch probierte, glaubte er, das Wort >Telefonkarte< verstanden zu haben. Er legte auf und schlief ein.
Der Arzt rief Senhor Ruiz an. Dieser sah den Pickup vor dem Palace Hotel geparkt und suchte nach Jevy. Er fand ihn im Swimmingpool, wo er ein Bier trank.
Der Anwalt hockte sich an den Beckenrand. »Wo ist Mr. O'Riley?« fragte er. Er war sichtlich verärgert.
»Oben in seinem Zimmer«, antwortete Jevy und nahm einen weiteren Schluck.
»Wieso ist er nicht im Krankenhaus?«
»Weil er da rauswollte. Können Sie das nicht verstehen?«
Senhor Ruiz hatte sich einmal einer Operation unterziehen müssen und hatte dazu das vier Flugstunden entfernte Campo Grande aufgesucht. Niemand, der Geld hatte, würde je freiwillig in Corumba ins Krankenhaus gehen.
»Wie geht es ihm?«
»Ich glaube, gut.«
»Bleiben Sie bei ihm.«
»Ich arbeite nicht mehr für Sie, Mr. Ruiz.«
»Schon, aber da ist noch die Sache mit dem Boot.«
»Dafür kann ich nicht aufkommen. Ich habe es nicht versenkt. Das war ein Unwetter. Was soll ich Ihrer Ansicht nach tun?«
»Auf Mr. O'Riley aufpassen.«
»Er braucht Geld. Können Sie für ihn telegrafisch welches besorgen?«
»Ich glaube schon.«
»Und einen Pass. Er hat alles verloren.«
»Passen Sie einfach auf ihn auf. Ich kümmere mich um alles andere.«
Das Fieber kehrte in der Nacht wieder, wärmte sein Gesicht im Schlaf und steigerte sich ganz allmählich zum großen Angriff. Zuerst zeigte sich eine Anzahl winziger Schweißtröpfchen, die wie eine Perlenkette über den Augenbrauen lagen, dann wurden die Haare auf dem Kissen nass. Das Fieber köchelte vor sich hin, während Nate schlief, und machte sich zur Explosion bereit. Es schickte leise Schauer durch seinen Körper, aber er war müde, und es gab darin noch Reste von so vielen Medikamenten, dass er weiterschlief. Es steigerte den Druck hinter seinen Augen, so dass er am liebsten geschrien hätte, als er sie öffnete. Es machte seinen Mund trocken.
Schließlich stöhnte Nate. Er spürte das erbarmungslose Hämmern zwischen den Schläfen. Als er die Augen öffnete, wartete der Tod auf ihn. Er lag in seinem eigenen Schweiß gebadet, sein Gesicht glühte, Knie und Ellbogen waren vor Schmerz gekrümmt. »Jevy«, flüsterte er. »Jevy!«
Jevy schaltete die zwischen ihnen stehende Nachttischlampe ein, und Nate stöhnte noch lauter. »Machen Sie das aus!« sagte er. Jevy rannte ins Bad und schaltete dort die Beleuchtung ein, die für indirektes Licht sorgte. Für den zu erwartenden Anfall hatte er Wasser in Flaschen gekauft, Eis, Aspirin, rezeptfreie Schmerzmittel und ein Thermometer. Er hielt sich für gerüstet.
Eine Stunde verging, und Jevy zählte jede Minute. Das Fieber stieg auf neununddreißig Grad. Der Schüttelfrost kam in so heftigen Wellen, dass das kleine Bett auf dem Fußboden tanzte. Wenn Nate gerade nicht zitterte, stopfte ihm Jevy Tabletten in den Mund und goss Wasser hinterher. Er benetzte ihm das Gesicht mit nassen Handtüchern. Nate litt schweigend, biss tapfer die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerzen schreien zu mü s-sen. Er war entschlossen, die Fieberanfälle im vergleichsweise luxuriösen Hotelzimmer zu ertragen. Jedesmal, wenn er das Bedürfnis hatte zu schreien, erinnerte er sich an die Risse im Putz und die Gerüche im Krankenhaus. Um vier Uhr morgens stieg das Fieber auf neununddreißigeinhalb, und Nate begann das Bewusstsein zu verlieren. Seine Knie berührten fast sein Kinn. Er hatte die Arme um die Waden gelegt und hielt sie fest umkrallt.
Dann lief ein Kälteschauer in Wellen über ihn hinweg, und sein Körper streckte sich.
Nach einer Weile betrug die Temperatur vierzigeinhalb Grad. Jevy begriff, dass Nate irgendwann in einen Schock verfallen würde. Schließlich erfasste ihn Panik, nicht wegen der Temperatur, sondern weil er sah, wie der Schweiß vom Laken auf den Fußboden lief. Nate hatte genug gelitten. Im Krankenhaus gab es bessere Medikamente.
Er fand einen schlafenden Nachtwächter im zweiten Stock, und mit seiner Hilfe schleppte er Nate zum Aufzug, durch die leere Hotelhalle und zu seinem Pickup. Um sechs Uhr morgens weckte er Senhor Ruiz mit seinem Anruf.
Als dieser Jevy genug verflucht hatte, erklärte er sich bereit, den Arzt zu rufen.
SIEBENUNDDREISSIG
Der Arzt gab seine Behandlungsanweisungen vom Bett aus telefonisch durch. Den Infusionsbeutel mit vielen guten Sachen füllen, ihm die Nadel in den Arm stechen, versuchen, ein besseres Zimmer für ihn zu finden. Da alle Zimmer voll waren, ließ man ihn einfach auf dem Gang der Männerabteilung in der Nähe eines unaufgeräumten Tisches stehen, der als Schwesternzimmer fungierte. Zumindest konnte man ihn dort nicht übersehen. Jevy wurde aufgefordert zu gehen. Er konnte nichts tun als warten.
Irgendwann am Vormittag tauchte, als der Betrieb gerade nicht besonders hektisch war, ein Krankenpfleger mit einer Schere auf. Er schnitt die neue Turnhose und das neue rote T-Shirt durch und legte Nate wieder ein gelbes Flügelhemd an. Während dieses Vorgangs lag er volle fünf Minuten lang vor den Augen aller Vorüberkommenden splitternackt auf dem Bett. Niemand sah hin; und er selbst bekam nichts davon mit. Die Laken wurden gewechselt, weil sie völlig durchnässt waren. Nate O'Rileys zerschnittene Kleidungsstücke wurden fortgeworfen, und wieder einmal hatte er nichts anzuziehen.