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»Gegen das, was diese Klinge bedeutet«, sagte der Sumpfmann geduldig. »Del.«

Skar zuckte beim Klang des Namens sichtlich zusammen. Für einen winzigen Moment erschien das Bild des hünenhaften, dunkelhaarigen Satai vor seinen Augen, aber nur, um sofort von einer anderen, schrecklicheren Vision abgelöst zu werden. Del mit einem scharzen Visier, gepanzert von schwarzem Leder und an dünnen, unsichtbaren Fäden hängend, deren Bewegungen ein graues Gespenst bestimmte.

Natürlich war Del der schwarze Satai. Er hatte es sofort gewußt, im allerersten Moment, in dem sie sich gegenüberstanden, aber etwas in ihm hatte sich geweigert, dieses Wissen als Wahrheit anzuerkennen. Er hatte den Gedanken von sich geschoben, ihn irgendwo tief in sich vergraben, aber jetzt, als die unmittelbare Gefahr vorüber war, kam er mit Macht zurück.

»Warum wehrt ihr euch gegen das Wissen, betrogen worden zu sein?« gab er statt einer direkten Antwort zurück.

»Wir wurden nicht betrogen, Satai«, antwortete El-tra. »Wir dienen Gowenna, doch wir sind nicht mehr als Werkzeuge. Kannst du dein Schwert betrügen?«

Skar schüttelte den Kopf und griff wieder nach einem Stück Fleisch, diesmal jedoch nicht aus Hunger, sondern allein, um seine Hände zu beschäftigen. »Eine seltsame Philosophie«, murmelte er.

»Nicht seltsamer als die deine, Satai. Versuche nicht, uns zu verstehen. Wir sind hier. Das genügt.«

Skar seufzte. Vielleicht sollte er wirklich nicht versuchen, diese beiden Wesen, die nicht einmal Menschen waren, zu verstehen, aber es irritierte ihn, in Begleitung zweier Männer zu sein, deren Reaktionen er noch nicht einmal zu erraten vermochte.

»Erzähl mir von Gowenna«, bat er nach einer Weile.

El-tra sah auf und blickte an ihm vorbei dorthin, wo Gowenna in der Dunkelheit lag, als müsse er erst mit einem stummen Blick um Erlaubnis fragen. »Es gibt nichts, was du wissen müßtest und nicht bereits weißt«, sagte er schließlich. »Wir sind hier, wir dienen ihr, das ist alles.«

»Und Vela?«

»Sie ist eine Fremde für uns, wie du es warst und wie Del es noch ist.«

Skar entging die Einschränkung in El-tras Worten keineswegs, aber er fragte nicht, was sie zu bedeuten hatte. El-tra würde sowieso - wenn überhaupt - nur mit einem neuen Rätsel antworten. Das kurze Gespräch, das Skar am Vorabend des Kampfes mit ihm - oder seinem Bruder - geführt hatte, war das einzige Zeichen von Vertrauen gewesen, das ihm die Sumpfmänner entgegengebracht hatten, und er spürte, daß der nächste Schritt von ihm ausgehen mußte. Aber er wußte nicht einmal, wie er auszusehen hatte. Schließlich stand er auf und ging - eigentlich ziellos - ein paar Schritte. Die Kälte griff mit dünnen, klammen Fingern nach ihm. Er ging zu der Stelle unter der Felswand zurück, an der er gelegen hatte, hob seinen Mantel auf und schlug ihn sich um die Schultern, aber der Stoff war feucht und atmete selbst Kälte aus. Er sah in dem Himmel, doch der brodelnde Feuerteppich Combats und die Schneewirbel, die der Sturm vor sich her peitschte, machten es ihm unmöglich, die Zeit zu schätzen, die bis zum Sonnenaufgang noch vergehen würde.

Nahe der Stelle, an der der Kampf stattgefunden hatte, gewahrte Skar eine Anzahl flacher länglicher Erhebungen. Die Gräber von Gowennas Kriegern, die hier so sinnlos gestorben waren. Unter einem dieser flachen Hügel lag Arsan, aber Skar konnte nicht erkennen, unter welchem. Nicht, daß es eine Rolle gespielt hätte - Arsans Tod war so überflüssig und grausam gewesen wie der der neun Krieger; nur eine weitere Szene in dem brutalen Spiel, das die Errish mit ihnen spielte. So überflüssig wie der Kampf zwischen Del und ihm.

Skar versuchte vergeblich, sich Klarheit über seine eigenen Gefühle zu verschaffen. Es war nicht das erste Mal, daß er auf einem Schlachtfeld erwachte, aber diesmal verspürte er weder Triumph noch die Resignation, die sich nach Sieg oder Niederlage einstellten. Es war noch nicht vorbei. Sie hatten eine Schlacht verloren, aber das bedeutete nichts. Gar nichts.

»Wann brechen wir auf?« fragte er El-tra. Der Schattenmann war ihm gefolgt, ein dunkler Doppelgänger, der immer einen Schritt hinter und neben ihm blieb.

»Das liegt bei dir, Satai.«

»Bei mir?« Skar sah den Sumpfmann einen Herzschlag lang überrascht an und lachte dann. Doch es klang bitter. »Vielen Dank, daß du mich wieder zum Anführer ernannt hast, El-tra, aber die Frage ist wohl weniger, was ich will, sondern was Gowenna zuzumuten ist.«

El-tra winkte ab. »Sie ist stärker, als du glaubst, Skar«, sagte er. »Und ich schwächer, als ich glaube, ich weiß«, knurrte Skar übellaunig. Seine Unsicherheit machte sich schlagartig in Zorn und Mißmut Luft. »Aber ich kann auch mit Fieber reiten.«

»Es geht nicht darum, was Gowenna kann, Skar«, sagte El-tra. Er sprach leise, wohl, damit Gowenna, deren Lager kaum zehn Meter entfernt war, seine Worte nicht verstand. Skar trat deshalb einen Schritt näher. »Sie ist schwerverletzt, das stimmt. Aber wenn wir warten wollen, bis sie sich wirklich erholt hat, müssen wir eine Woche hierbleiben, wenn nicht noch länger. Und das können wir nicht.«

Skar sah nach Westen. Die schneegekrönten Gipfel der Schattenberge hoben sich wie die Zinnen einer meilenhohen Festungsmauer über den Horizont: weiße Giganten mit glitzernden eisigen Diademen, deren Flanken im Widerschein der brennenden Stadt rot und orange loderten, als glühten sie unter einem unseligen inneren Feuer. Der Gedanke, daß sie selbst vor wenigen Tagen erst diese Berge überstiegen haben sollten, erschien ihm mit einem Male lächerlich.

»Vielleicht finden wir irgendwo dort oben eine Höhle oder eine Schlucht, in der wir so lange warten können«, murmelte er. Extra schüttelte erneut den Kopf. »Wir werden nicht durch die Berge ziehen, Skar. Gowenna ist nicht in der Lage, den Rückweg dort entlang durchzustehen. Und du auch nicht«, fügte er nach einer kaum merklichen Pause hinzu. »Ihr habt den Weg hierher kaum geschafft, und da wart ihr ausgeruht und im Vollbesitz eurer Kräfte. Außerdem ist der Winter dort oben bereits hereingebrochen. Es wird jeden Tag kälter.«

Skar schwieg. El-tra war kein Mann, mit dem man reden konnte, nur um des Redens willen, und es gab nicht viel Sachliches, was Skar gegen seine Argumentation hätte vorbringen können. Es gab nur eine einzige Alternative - aber allein der Gedanke daran ließ Skar frösteln.

»Die Ebenen«, sagte er leise.

El-tra nickte. »Wir wissen nicht, welche Gefahren auf uns warten«, sagte er. »Aber wir wissen, welche Gefahren uns in den Bergen erwarten würden. Keine, mit denen wir fertig werden könnten. Es sind zehn Tagesmärsche bis über den Paß, vielleicht fünfzehn.«

»Und« - Skar deutete mit einer Kopfbewegung nach Süden - »dort entlang?«

El-tra überlegte einen Moment. »Zwei Wochen, vielleicht drei«, antwortete er. »Vielleicht mehr, vielleicht weniger - es hat nicht viel Sinn, Vermutungen anzustellen, wenn wir nicht wissen, was hinter der nächsten Erhebung auf uns wartet.«

Skar sah den Sumpfmann scharf an. »Weißt du es wirklich nicht?« fragte er. »Oder willst du es nicht sagen? Dein Volk lebt seit Jahrtausenden am Rand der Ebenen - ihr müßt mehr darüber wissen.«

Der Sumpfmann gab ein leises, glucksendes Lachen von sich, es war ein Geräusch, das Skar an platzende Gasblasen und brodelnden Sumpf erinnerte und Bilder in ihm aufsteigen ließ, die er nie selbst gesehen hatte. Irgend etwas, dachte er bestürzt, ist im Inneren des Tempels in Combat mit mir geschehen.

Er hatte nicht nur gegeben, sondern auch empfangen. Vielleicht mehr, als er jetzt schon zu begreifen imstande war.

»Wir wissen ein wenig über die Ebenen«, gestand El-tra schließlich. Sein Umhang bewegte sich raschelnd, als er mit dem Arm eine weit ausholende und doch knappe Geste nach Süden machte, und die Schatten unter seiner Kapuze schienen für einen Atemzug zu selbständigem huschendem Leben zu erwachen. »Sicher mehr als ihr«, fuhr er fort, »doch nicht soviel, wie du glaubst.«