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»Um mit dir zu reden«, sagte Ennart. »Deine Fragen zu beantworten. Dir die Wahrheit zu sagen. Dir zu erzählen, wer du wirklich bist. Vielleicht ist es danach gar nicht mehr nötig, dich überzeugen zu wollen.«

»Dann tu es«, sagte Skar. »Fang an.«

Ennart wiederholte seine einladende Handbewegung. Skar ignorierte sie auch dieses Mal. Der Goldene blickte ihn einen Moment lang stirnrunzelnd an, eher amüsiert über seinen Stolz als wirklich zornig, dann ging er an ihm vorbei zum Tisch und setzte sich behutsam auf einen der hölzernen Stühle. Obgleich Skar stehenblieb, befanden sich ihre Gesichter jetzt auf gleicher Höhe.

»Den größten Teil der Wahrheit kennst du bereits«, sagte Ennart. »Du weißt mehr über die Geschichte dieser Welt als irgendein anderer Mensch, Ian und ein paar seiner Brüder vielleicht ausgenommen. Es ist einfacher, wenn du fragst und ich antworte.«

»Was habt ihr mit Kiina gemacht?« fragte Skar.

»Nichts. Sie lebt und ist unverletzt. Du kannst sie sehen, wann immer du willst.«

»Das meine ich nicht. Ihr habt sie...« Er suchte vergeblich nach Worten. »Ihr habt sie verzaubert«, stieß er schließlich hervor. »Ihr habt sie zu einer Puppe gemacht, genau wie die Errish.« Ennart lächelte. »Wenn du es so nennen willst... ja. Wir haben sie für eine Weile ihres freien Willens beraubt, so wie Anschi und ihre Schwestern. Aber es geschah zu ihrem eigenen Schutz.« Die Freimütigkeit, mit der Ennart dies zugab, machte Skar rasend, aber wieder war es ihm unmöglich, seinem Zorn Ausdruck zu verleihen. Er brodelte irgendwo dicht unterhalb der Ebene seines Bewußtseins, auf der er ihm zugänglich gewesen wäre. »Wer bist du?« fragte er. »Was bist du?«

»Wofür hältst du mich?« fragte Ennart anstelle einer direkten Antwort. »Wer willst du, daß ich für dich bin?«

»Wie wäre es mit jemandem, der Fragen einfach beantwortet, statt den Geheimnisvollen zu spielen und in Rätseln zu sprechen?« gab Skar mühsam beherrscht zurück.

Ennart lächelte auf eine Art, die Skar verriet, daß er sehr zufrieden mit seiner Antwort war. Er fühlte sich mehr und mehr wie ein Spielzeug, das der Goldene nach Belieben hin und her schob; auf einem Spielbrett, das nichts weniger als eine ganze Welt war. Aber der Zorn, den dieser Gedanke hervorrufen sollte, kam nicht. Er fühlte sich mehr und mehr hilflos; verloren auf eine Art, die dem Wort eine völlig neue Bedeutung gab. Aber bevor er seinen Gefühlen Ausdruck verleihen konnte, hob Ennart die Hand und fuhr fort: »Du weißt es, Skar. Unser Volk nannte sich Ssirhaa; lange, bevor ihr kamt. Aber das ist nur ein Name. Er ist längst in Vergessenheit geraten. Niemand erinnert sich mehr daran. In euren Legenden nennt ihr uns die Alten, so wie wir euch die Sternengeborenen. Auch wir haben überlebt, nicht nur ihr.«

Ssirhaa... Skar versuchte vergeblich etwas Vertrautes in diesem Wort zu entdecken. Es mußte wohl so sein, wie Ennart behauptete: der Name seines Volkes war untergegangen wie die Welt, in der es gelebt hatte. Vielleicht hatte er ihn sich auch erst in dem Moment ausgedacht, in dem er ihn aussprach - welche Rolle spielte das schon?

»Überlebt? Wo?«

Ennart beantwortete auch diese Frage, aber er tat es erst nach geraumer Zeit und mit einem neuerlichen, fast spöttischen Lächeln. »Du kannst nicht aus deiner Haut, wie? Wäre ich dein Feind und du mein Gefangener, wäre es ziemlich töricht, diese Frage zu beantworten, denn immerhin bestünde die Möglichkeit, daß du mir entkommst und unserem Volk Schaden zufügst. Aber du bist nicht mein Feind. Unser Volk lebt, ja. Wir sind nur wenige, aber wir waren niemals viele. Die die Ewigkeit überstanden haben, leben in einem Land, das kein Mensch jemals betreten hat.«

»Im Land der Toten«, vermutete Skar.

»Titch nennt es so, ja. Es liegt weit im Norden, noch jenseits der Länder, die die Quorrl bewohnen.«

»Im Norden?«

»Was du denkst, ist richtig«, sagte Ennart. »Du warst ihm einmal sehr nahe. Vielleicht näher als je ein anderer vor dir. Es ist die Heimat der Dronte. Und anderer, noch erstaunlicherer Lebewesen.« Er lächelte flüchtig. »Du siehst, ich gehe kein Risiko ein, dir diese Information zu geben. Selbst wenn es dir gelänge, das Land zu erreichen, würde es dich töten. Kein menschliches Wesen kann dort überleben und kein Quorrl.«

»Und ihr?«

»Es tötet selbst uns«, sagte Ennart. »Nur in unserer Festung sind wir sicher. Ein Ort, den du dir nicht einmal vorzustellen vermagst. Er hat uns beschützt, all die endlosen Jahre lang. Aber er war auch unser Gefängnis. Wir haben gewartet.«

»Ich weiß«, sagte Skar bitter. »Auf einen Narren wie mich.«

»Auf einen Mann wie dich«, verbesserte ihn Ennart ruhig. »Warum bist du so bitter, Skar? Wir sind nicht deine Feinde. Und die, auf deren Seite du zu stehen glaubst, sind nicht deine Freunde.«

»Das hast du jetzt schon ein paarmal gesagt«, antwortete Skar. »Aber dadurch wird es nicht überzeugender, weißt du?« Ennart reagierte nicht auf seinen scharfen Ton, und Skar fügte noch zorniger hinzu: »Was erwartest du? Daß ich mich auf eure Seite stelle und gegen sie kämpfe?«

»Gegen wen?« fragte Ennart lauernd. »Sprich das Wort aus. Tu es!«

Skar starrte ihn an. Er spürte, daß ihre Unterhaltung längst keine pure Konversation mehr war. Was er für eine geschickte Einleitung Ennarts gehalten hatte, harmloses Geplauder, um die Spannung zwischen ihnen abzubauen, war eine Falle gewesen, in die er längst hineingetappt war. »Gegen die Menschen«, sagte er.

»Aber du bist keiner.«

Skar schloß für Sekunden die Augen. Ennart hatte recht. Er wußte es seit Wochen, und gespürt hatte er es vielleicht schon seit Jahren, vielleicht von dem Moment seiner Geburt an. Aber es aus dem Munde des Ssirhaa zu hören, tat weh. Mehr, als er geglaubt hatte.

»Du glaubst, du gehörst zu ihnen«, fuhr Ennart fort, mit einer Stimme, die leise und fast sanft und trotzdem so erbarmungslos wie schneidender Stahl war. »Du siehst aus wie sie, du bist als einer von ihnen geboren und erzogen worden, und du fühlst wie sie. Aber du bist es nicht, Skar. Du warst es niemals. Und tief in deinem Innern hast du es immer gewußt. Du bist so wenig Mensch wie Titch oder ich.«

»Und was... bin ich dann?« flüsterte Skar. Seine Stimme zitterte. Er wollte schreien, aber nicht einmal diese Erleichterung blieb ihm. Er wußte, daß Ennart die Wahrheit sprach. »Zu welchem Volk gehöre ich, Ennart? Zu euch?«

»Nein.« Der Ssirhaa stand auf, trat ans Fenster und blickte über die Mauer hinweg nach Norden. Er sah Skar nicht an, als er weitersprach. »Es wäre verlockend, dir das zu erzählen«, gestand er. »Ich gebe zu, mit dem Gedanken gespielt zu haben, für eine kurze Weile. Aber ich glaube nicht, daß man einen Mann wie dich lange belügen kann.« Er drehte sich wieder herum, sah Skar an und wartete sichtlich auf eine Reaktion. Als sie nicht kam, ging er zu seinem Stuhl zurück und ließ sich wieder darauf niedersinken.

»Vela hat dir die Geschichte der Alten erzählt, und die deine«, sagte er. »Sie hat dir die Wahrheit gesagt oder das, was sie dafür hielt. Aber sie wußte nicht alles.«

»Sie hat in eurem Auftrag gehandelt«, vermutete Skar.

»Ohne es zu wissen, ja«, gestand Ennart. »Und sie war nicht die erste. So wenig, wie du der erste warst, der nach Combat ging, um das Siegel zu brechen. Aber du warst der erste, dem es gelang. Oh, wir haben es oft versucht, immer und immer wieder. Wir schickten die Besten der Besten, aber keinem gelang es, den Stein der Macht von seinem Platz zu entfernen.«

»Wieso mir?« fragte Skar. Er schrie fast. Wieso hatte ausgerechnet er es sein müssen, der die Dämonen aus ihrem jahrhunderttausendelangen Schlaf erweckte?