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»Weil du du bist«, antwortete Ennart. »Weil du bist, was du bist. Nicht irgendein Abenteurer. Nicht irgendein Krieger oder nur ein tapferer Mann. Du bist der Wächter, Skar. Der einzige, den es gibt. Nicht du hast das Siegel gebrochen, sondern die Macht, die du trägst.«

Die Macht... Skar hätte am liebsten aufgeschrieen. Für ihn war es keine Macht, für ihn war es ein Fluch, der sein ganzes Leben bestimmt und am Ende zerstört hatte. Ob Ennart wußte, daß er einen Körper bekommen hatte?

»Es war deine Hand, die den Stein von seinem Platz entfernte«, fuhr Ennart fort. »Aber sie wäre verbrannt, wie alle anderen zuvor, hättest du nicht das Recht dazu gehabt, es zu tun.«

»Was bin ich?« murmelte Skar.

»Ich weiß es nicht«, gestand Ennart. »Nicht wirklich. Vielleicht halb Mensch, halb Ssirhaa, vielleicht auch etwas völlig anderes. Es hat lange gedauert, bis wir überhaupt begriffen, daß es jemanden wie dich gab, Skar. Und noch länger, dich zu finden, denn sie waren klug. Sie haben dafür gesorgt, daß auch der Wächter selbst nichts von seiner wahren Natur ahnte. Tausende von Generationen mögen vergangen sein, in denen es Männer wie dich gab. Männer, die ihr Leben lang nicht einmal ahnten, wer sie waren, und vor allem was.«

»Der Wächter.« Skar seufzte. »Wenn ich das wirklich bin, Ennart, dann habe ich versagt.«

»Nein«, widersprach der Goldene. »Das hast du nicht. Vela hat dir erzählt, daß sie versuchten, ein Wesen zu schaffen, das Teil beider Welten war, und das war die Wahrheit. Aber es war nie seine Aufgabe, zwischen beiden Völkern zu vermitteln.«

»Sondern?«

»Den Gegner kennenzulernen«, sagte Ennart. »Seine Stärken und Schwächen zu ergründen und einen Weg zu finden, ihn zu schlagen. Es ist gelungen. Unser Volk wurde geschlagen.«

»Dann verstehe ich um so weniger, warum du dir die Mühe machst, mit mir zu reden«, sagte Skar. »Denn wenn es so ist, dann muß ich dein Todfeind sein.«

»Weil Zeit vergangen ist«, antwortete Ennart. »Unendlich viel Zeit. Enwor hat sich weiterentwickelt, Skar, denn auch eine Welt altert, wie die Wesen, die auf ihr leben. Wie sie trägt sie Narben davon, und wie sie kann man sie verwunden und töten. Aber wie sie kann sie lernen. Die Sternengeborenen obsiegten am Schluß, aber um einen Preis, den sie sich nicht einmal vorzustellen vermochten. Wir wurden geschlagen, aber auch sie gingen unter. Es waren nicht unsere Waffen, die sie vernichteten, sondern ihre eigene Kreatur. Das Wesen, das du kennengelernt hast. Es zerstörte unsere Länder, es vernichtete unsere Armeen und verheerte unsere Städte, eine nach der anderen. Aber es gelang ihnen nicht mehr, es zu bändigen. Als keine Ssirhaa mehr da waren, die es töten konnte, da wandte es sich gegen seine Schöpfer und vernichtete auch sie. Als letztes Mittel schließlich, als schon alles zerstört war und Enwor die Hölle, in der wir heute leben, da schritt der Wächter selbst ein und bannte das Ungeheuer, das er erschaffen hatte. Nur er konnte es, denn er war ein Teil von ihm.« Es dauerte Sekunden, bis Skar wirklich begriff, was Ennart da gerade gesagt hatte. »Und ihr habt es... ihr habt es wieder erweckt?« murmelte er fassungslos. »Ihr habt all das gewußt und es trotzdem erweckt?«

»Nur einen kleinen Teil«, sagte Ennart mit einer beschwichtigenden Handbewegung. »Es steht in unserer Macht, es zu vernichten, sobald es seinen Dienst getan hat.«

»Das haben die, die es erschufen, mit ziemlicher Sicherheit auch gedacht«, sagte Skar zornig.

»Aber sie wußten nicht, was wir wissen«, widersprach Ennart. »Sie erschufen eine Waffe, aber ihnen blieb keine Zeit, sie zu studieren, ehe sie sie einsetzten. Sie waren in der Situation des ersten Menschen, der das Feuer entdeckte, ohne sich über die Gefahr im klaren zu sein, die es mit sich bringt.«

»Aber ihr kennt sie«, sagte Skar höhnisch.

Ennart nickte. »Wir sind keine Narren«, sagte er sanft. »Oh, ich weiß, unser Wissen ist nichts gegen das ihre, und doch hatten wir etwas, was ihnen fehlte: Zeit. Wir haben die Kreatur, die ihr die Sternenbestie nennt, gründlich studiert. Jahrhundertelang. Wir kennen ihre wahre Natur, und wir wissen, was sie falsch machten, damals. Wir werden die Fehler der Sternengeborenen nicht wiederholen.«

»Da bin ich sicher«, schnappte Skar. »Ihr werdet eigene machen.«

Seine Worte amüsierten Ennart, aber der Blick des Ssirhaa blieb ernst. »Vielleicht«, räumte er ein. »Doch selbst wenn es so ist... ich sagte bereits, es ist Zeit vergangen. Unendlich viel Zeit. Mehr, als wir alle uns vorzustellen vermögen. Mehr als eine Million Jahre, Skar.«

Er schwieg einen Moment, um der Zahl das Gewicht zu verleihen, das ihr gebührte, aber Skar war nicht einmal mehr beeindruckt. Vielleicht war er einfach über das Stadium hinaus, in dem ihn noch irgend etwas erschüttern konnte.

»Auch die Kreatur hat sich verändert in dieser Zeit«, fuhr Ennart schließlich fort. »Sie ist nicht mehr, was sie war. Sie ist noch immer wild und furchtbar, aber sie ist sterblich geworden. Du selbst hast einen Teil von ihr getötet, erinnere dich.«

»Du bist wahnsinnig, Ennart«, flüsterte Skar.

»Warum?« fragte Ennart lauernd. »Weil ich Augen habe, zu sehen? Weil ich die Wahrheit ausspreche?«

»Welche Wahrheit?«

»Es gibt nur eine! Und die lautet, daß Enwor eine Hölle ist, für Menschen und für Quorrl. Wie viele Kriege habt ihr geführt, allein in der kurzen Spanne deines Lebens? An wie vielen Feldzügen hast du teilgenommen? Wie viele Sommer hast du erlebt, in denen die Menschen verhungerten, weil die Dürre ihre Felder verbrannte? Wie viele Winter, in denen sie erfroren, weil sie nichts hatten, sich gegen die Kälte zu schützen? Wie viele Städte hast du gesehen, die geschleift wurden, nur weil irgendein König mehr Macht wollte, oder ein wenig mehr Land?«

»Und ihr wollt das alles ändern?« fragte Skar höhnisch. »Ihr führt diesen Krieg also nur aus reiner Menschenfreundlichkeit? Verzeih, daß ich mich so in euch getäuscht habe.« Er deutete eine spöttische Verbeugung an.

In Ennarts Augen blitzte es zornig auf. Zum ersten Mal schien es Skar gelungen zu sein, seinen Gleichmut zu erschüttern. »Ich weiß nicht, was dieses Wort bedeutet«, sagte er kalt, »denn ich bin kein Mensch, vergiß das niemals. Was wir wollen?« Er sprang auf und deutete zum Fenster. »Das da, Satai. Wir wollen wiederhaben, was uns gehörte, ehe ihr kamt. Unsere Welt, die ihr uns gestohlen habt!«

»So, wie ich es sehe, seid ihr auf dem besten Wege dazu, sie euch zu nehmen«, sagte Skar.

»Aber wir wollen sie so wiederhaben, wie sie war«, fuhr Ennart erregt fort. »Keine Hölle, in der sich das Leben nicht mehr lohnt. Wir werden uns Enwor nehmen, das ist wahr, aber nicht nur aus Eroberungslust. Wir werden Enwor wieder zu dem machen, was es war.«

»Oh«, sagte Skar spöttisch. »Mehr nicht?«

»Mehr nicht«, bestätigte Ennart ungerührt. »Keiner von uns wird den Tag erleben, das weiß ich. Es wird lange dauern, unendlich lange. Doch der Tag wird kommen, an dem Enwor wieder ein Paradies ist, keine verbrannte Wüste.«

»Dann gib mir eine Schaufel«, sagte Skar. »Ich fange an zu graben.«

»Ich meine, was ich sage, Skar«, widersprach Ennart, plötzlich wieder ruhig. »Die Macht der Sternengeborenen war unvorstellbar. Sie haben mehr getan, als Städte zu bauen. Sie haben diese ganze Welt verändert. Sie schufen Enwors Gesicht neu, vielleicht nach dem Vorbild ihrer Heimat, die irgendwo jenseits der Sterne liegt. Dieser Kontinent hier wurde von ihnen gebaut. Und wir werden ihr Wissen wiederentdecken und dazu nutzen, die Wunden zu heilen, die unsere beiden Völker der Welt schlugen.«

»Und warum stürzt ihr eine ganze Welt ins Chaos, wenn ihr so mächtig seid?« fragte Skar. »Ich glaube dir kein Wort, Ennart.« Er hob die Stimme, als Ennart ihn unterbrechen wollte. »Und selbst wenn du die Wahrheit sprichst, dann ist es nur das, was du glauben willst, nicht was ihr wirklich tut. Niemand kann die Vergangenheit verändern. Was geschehen ist, ist geschehen. Nicht einmal eure Macht reicht aus, die Zeit zurückzudrehen.«