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Titch lächelte flüchtig. »Cron hat viele Bedienstete«, antwortete er. Er machte eine hastige Geste auf das Bett und wandte sich zur Tür. »Ruht euch aus. Ich werde dafür sorgen, daß ihr nicht gestört werdet. Versucht zu schlafen, das tut euch gut. Wir brechen auf, sobald die Krieger betrunken genug sind, um unaufmerksam zu werden.«

Er wollte gehen, aber Skar vertrat ihm mit einer raschen Bewegung den Weg. »Was soll das?« fragte er mißtrauisch. »Wieso brechen wir auf, und wohin? Gestern warst du noch der Meinung, daß wir hier in Sicherheit sind.«

»Das stimmte auch«, sagte Titch ungeduldig. Er versuchte an Skar vorbei zu gehen, aber es gelang ihm nicht. Und aus irgendeinem Grund verzichtete er darauf, ihn einfach aus dem Weg zu schieben, wie er es gekonnt hätte.

»Und jetzt stimmt es nicht mehr?« beharrte Skar. »Was ist passiert?«

»Nichts«, sagte Titch. »Nichts, was dich beunruhigen müßte.«

»Oh, ich verstehe«, sagte Skar zornig. »So, wie eure geheimen Eßgewohnheiten, wie? Sie haben mich auch nicht beunruhigt, so lange ich sie nicht kannte.«

Titch seufzte. »Bitte, Skar«, sagte er. »Mach es nicht schlimmer, als es ist. Es war schwer genug, Cron dazu zu überreden, uns zu verbergen. Wenn sie euch morgen früh noch hier finden, dann stirbt er genau wie wir. Und wir sind nicht so gut befreundet, daß er sein Leben für mich riskieren würde.« Er schnitt Skar mit einer wütenden Bewegung der Faust das Wort ab, als der abermals widersprechen wollte, und schob ihn jetzt doch aus dem Weg. »Ich bin in ein paar Stunden zurück«, sagte er. »Dann erkläre ich euch alles. Versucht zu schlafen oder tut, was ihr wollt, aber macht um Gottes willen keinen Lärm.«

Skar starrte die geschlossene Tür hinter dem Quorrl wütend an. Für einen Moment war er nahe daran, ihm einfach nachzulaufen; ganz gleich, was dann geschah. Und vielleicht hätte er es sogar getan, hätte Kiina ihn nicht in diesem Augenblick sanft an der Schulter berührt und wortlos den Kopf geschüttelt, als würde sie seine Gedanken lesen. So verließ er seinen Platz an der Tür und begann vorsichtig das Zimmer zu inspizieren; soweit dies in der herrschenden Dunkelheit möglich war.

Crons Schlafraum erwies sich als Enttäuschung. Es gab eine zweite Tür, die aber verriegelt war, und ein schmales Fenster, vor dem ein hölzerner Laden hing, den Skar nicht zu öffnen wagte. Er fand weder Essen noch Wasser, noch etwas, das er als Waffe hätte benutzen können. Der Schrank und die beiden eisenbeschlagenen Truhen, die es gab, waren voller Kleider, grober Röcke und Hemden, aber auch überraschend kunstvoll bestickter Roben und Blusen, die Skar eher in einem Königshaus erwartet hätte als in der Kammer eines Quorrl.

Als er seine Inspektion beendet hatte, trat er ans Fenster. Durch die Ritzen in den Läden konnte er gut genug hinaussehen, um einen großen Teil des Hofes zu überblicken. Und diesmal nahm er sich mehr Zeit dazu als vorhin, auf dem Weg hierher. Er sah jetzt, daß längst nicht alle Quorrl, die neu angekommen waren, die Rüstungen der Tempelgarde trugen. Viele von ihnen waren in schwarze, mit dünnen Silberstickereien verzierte Gewänder gehüllt, die ihnen mehr von einem Priester als einem Krieger gaben und ihn auf bedrückende Weise an Anschi und ihre Drachenreiterinnen erinnerten.

Gerade, als er sich wieder umdrehen und zu Kiina zurückgehen wollte, fiel ihm eine Bewegung am Tor auf. Zwei der schwarzgekleideten Quorrl hatten ein Pferd aus der Koppel geholt, auf dessen Rücken sich ein sonderbares Gebilde aus Stangen und großen, goldbeschlagenen Kisten befand; Kopf und Hals des Pferdes waren unter einem dünnen Zierpanzer aus ziseliertem Goldblech verborgen, und an seinen Fesseln befanden sich lange, gebogene Metalldornen. Die Männer führten das Tier quer über den Hof direkt auf das Haupthaus zu, wobei ihnen die Quorrl-Krieger respektvoll Platz machten. Sie gerieten außer Sicht, ehe Skar erkennen konnte, was es wirklich mit diesem Tier auf sich hatte, aber er spürte, daß er etwas ungemein Wichtiges beobachtet hatte.

Kiina hatte Titchs Rat befolgt und sich auf das gewaltige Bett gelegt, als er vom Fenster zurücktrat. Im ersten Moment glaubte er, sie schliefe, denn sie lag völlig ruhig auf der Seite, den Arm angewinkelt und als Kissen unter den Kopf geschoben, und mit geschlossenen Augen. Wie schon ein paarmal überkam Skar ein warmes, sehr tiefes Gefühl von Zärtlichkeit, als er sie betrachtete. Aber es verging rasch. Er war zu müde und zu zornig, um irgend etwas anderes zu fühlen als Unruhe und Haß.

»Glaubst du, daß wir es schaffen?« fragte Kiina plötzlich. Skar fuhr leicht zusammen. Er hatte nicht einmal bemerkt, daß sie die Augen geöffnet hatte und ihn ansah. »Ich weiß es nicht«, gestand er. »Es sind viele Krieger draußen.«

»Die Männer unten im Haus«, sagte Kiina nach einer Weile. »Die, die mit uns hergebracht worden sind. Sie... sie werden sie töten, nicht?«

»Ich fürchte, das haben sie schon«, murmelte Skar.

»Um sie zu essen.« Kiina richtete sich auf, zögerte einen Moment und stand dann mit einer überraschend energischen Bewegung ganz auf. Aber sie kam nicht auf ihn zu, sondern ging an Skar vorbei zum Fenster, um auf den Hof hinabzusehen. »Das ist entsetzlich«, flüsterte sie. »Sie sind ... Titch ist ein Ungeheuer, aber ich dachte, er wäre trotzdem dein Freund.«

»Das ist er auch.«

Kiina drehte sich um und starrte ihn an. »Aber sie essen Menschen!«.

»Ich weiß«, sagte Skar. »Du selbst hast einen Drachen geritten. Wie viele deiner Schwestern sind von Drachen gefressen worden?«

»Das ist etwas anderes!« behauptete Kiina erregt.

Skar widersprach ihr nicht, aber er stimmte auch nicht zu, sondern trat wortlos neben sie ans Fenster und blickte wieder auf den Hof hinaus. Er fragte sich, warum er die Quorrl plötzlich verteidigte, aber es war, als könne er nicht mehr zurück, jetzt, wo er diese Rolle einmal übernommen hatte.

»Es ist nicht ihre Schuld«, sagte er leise. »Sie sind nicht von selbst so geworden, Kiina. Dieses Volk ist...« Er stockte. Kiina wußte längst nicht alles, was er wußte. Sie hatte den größten Teil der Zeit, die sie im Turm gewesen waren, schlafend verbracht, und es hatte weder für Ennart noch für Anschi irgendeinen Grund gegeben, ihr die Geschichte der Quorrl zu erzählen, so wie ihm oder Titch.

»Was sind sie?« fragte Kiina, als er nicht weitersprach.

»Ich glaube, das wissen sie selbst nicht«, flüsterte Skar. »Ein Heer. Eine Waffe.« Er zitierte Ennarts Worte aus dem Gedächtnis, so gut er konnte: »Die Antwort der Ssirhaa auf die Kreatur der Sternengeborenen.« Er hob die Hand und deutete auf die Ansammlung von Zelten und großen schuppigen Gestalten unten auf dem Hof. »Die Ssirhaa haben sie erschaffen, verstehst du? Sie sind Krieger. Die perfektesten Kämpfer, die du dir vorstellen kannst. Zu nichts anderem erschaffen als zum Töten. Dieses ganze Volk ist nichts als ein gewaltiges, vergessenes Heer.« Das nur darauf wartet, loszuschlagen und ganz Enwor niederzurennen, wisperte eine Stimme hinter seiner Stirn. Er wußte, daß das nicht wahr war, aber die Stimme seines Dunklen Bruders war verlockend, seine Lüge von einer Art, die sie selbst dann noch gefährlich sein ließ, wenn man sie erkannt hatte.

»Titch ist anders«, widersprach Kiina überzeugt.

Skar nickte. »Und nicht nur er. Sie haben sich verändert. Es ist viel Zeit vergangen.«

»Das klingt, als wolltest du sie verteidigen.«

»Vielleicht will ich es.« Er verbesserte sich: »Nein, nicht vielleicht. Es gibt noch immer Quorrl wie Cron oder diese Krieger da unten. Aber die meisten wollen keinen Krieg mehr. Wir werden Frieden mit ihnen schließen.«

»Frieden? Mit den Quorrl?«

»Hast du nicht selbst Titch gerade verteidigt?«

»Titch ist kein normaler Quorrl!« antwortete Kiina. »Er ist...« Sie suchte nach Worten und hob nach ein paar Sekunden hilflos die Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber er ist nicht wie die anderen Quorrl.«