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»Du bist längst kein Quorrl mehr, Titch«, sagte Skar. »Du ...«

»Doch, das bin ich!« Titch schrie plötzlich. »Ich war es immer, und ich werde es immer sein, Satai! Du machst es dir leicht. Du machst mich zum Menschen, damit du nicht zugeben mußt, daß wir nicht die primitiven Bestien sind, als die ihr uns so gerne bezeichnet. Für dich bin ich kein Quorrl, das stimmt. Aber nur, damit du die Wahrheit nicht eingestehen mußt.«

Skar starrte ihn an. Er war... erschüttert. Er begriff plötzlich, daß Titch mit jedem Wort recht hatte.

»Vielleicht ist es so, wie Ennart gesagt hat«, fuhr Titch fort. »Ja, wir sind Tiere! Dinge, die man benutzen kann, wie man will. Und? Sie haben uns erschaffen, Skar!«

»Aber das gibt ihnen nicht das Recht -«

»Es gibt ihnen jedes Recht«, fauchte Titch. »Sie sind unsere Schöpfer, begreifst du das nicht? Unsere Götter! Habt ihr Götter, Satai?«

»Natürlich«, antwortete Skar automatisch.

»Nein«, widersprach Titch. »Das habt ihr nicht. Ihr glaubt, sie zu haben. Ihr blickt in den Himmel und bevölkert ihn mit Wesen, die eurer Einbildung entspringen. Ihr habt euch eure Götter erdacht, Mensch. Unsere Götter sind wirklich. Ennart ist einer von ihnen.«

»Aber er ist wahnsinnig!« sagte Skar. »Er wird Enwor vernichten!«

»Er wird die Welt vernichten, die ihr erschaffen habt, ja«, antwortete Titch ungerührt. »Er hat das Recht dazu. Sie gehört ihm.«

»Das Recht? Das Recht, unsere beiden Völker auszulöschen?«

»Wenn er will, ja«, sagte Titch hart. »Aber er wird es nicht tun. Warum sollte er? Um über eine Welt der Toten zu herrschen? Über einen leeren Planeten? Du hast mich gefragt, ob ich zugehört habe, und das habe ich. Ich habe gehört, und ich habe verstanden. Jedes Wort, Skar. Die Zukunft gehört uns. Eure Zeit ist abgelaufen, auch wenn du es nicht wahrhaben willst. Vielleicht waren wir Tiere, und vielleicht sind wir es noch. Aber irgendwann einmal werden wir es sein, die das Schicksal dieser Welt bestimmen.«

Skar sagte nichts mehr. Aber er glaubte plötzlich noch einmal Trashs letzte Worte zu hören, so deutlich, als stünde der Quorrl hinter ihm und wiederholte sie. Sie sind wieder da!

Aber das war nicht alles, was er gesagt hatte. Er hatte noch etwas hinzugefügt, etwas, das er auch Titch nicht gesagt hatte, vielleicht nie mehr sagen würde, denn er spürte, daß es bereits zu spät dazu war. Sie sind wieder da, Satai. Und sie werden uns alle töten, erst uns und dann euch.

4.

Sie hatten sich gefragt, wo die Drachen waren, die diesem Tal seinen Namen und dem ganzen östlichen Teil dieses Kontinents seinen Ruf verliehen hatten. Jetzt sah er sie: nördlich des Turmes, vielleicht hundert Fuß tief, eine Meile breit und sich in schwer zu schätzender Entfernung zu einem unregelmäßigen Oval verbreiternd, erstreckte sich eine offensichtlich künstlich angelegte Felsenschlucht, und da waren sie. Hunderte. Hunderte und Hunderte und Hunderte der riesigen geschuppten Bestien, eingepfercht in einer Koppel. Manchmal, vor allem nachts und wenn der Wind günstig stand, konnte Skar sie hören: ein dumpfes, unruhiges Grollen und Knurren, das niemals ganz aufhörte, manchmal aber fast so etwas wie eine Melodie zu bilden schien, wie ein fremder, schwermütiger Rhythmus, den er mit seinen groben menschlichen Sinnen nicht zu erfassen vermochte, der aber auch in ihm eine Saite zum Klingen brachte.

Skar stand oft hier oben und sah zu den Drachen hinab.

Abgesehen vom Flüstern des Windes, der sich an den stählernen Flanken des Turmes brach, war ihr Grollen der einzige Laut, der in sein Gefängnis drang. Obgleich der Turm gar kein Turm war, sondern ein gewaltiges Geviert aus schwarzen stählernen Wänden, hatte Skar für sich beschlossen, ihn weiter als Turm zu sehen; obgleich dieser Turm also von Menschen und Quorrl (und auch einigen anderen Lebewesen, die er nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte) schier überzuquellen schien, war es hier oben absolut still. Hatte er noch während seines Gespräches mit Ennart geglaubt, es wären einfach die Fenster aus unsichtbarem Glas, die jedes Geräusch verschluckten, so hatte er bald danach begriffen, daß es mehr war. Ein weiteres Wunder dieses Turmes, das von der ungeheuren Macht seiner Erbauer kündete.

Zwei Tage waren seit dem ersten und bis zum Moment auch einzigen Gespräch mit Ennart verstrichen, und der dritte neigte sich seinem Ende entgegen. Er hatte den Ssirhaa nicht wiedergesehen, so wenig wie Titch, und er hatte den allergrößten Teil dieser Zeit hier draußen verbracht, auf einem kleinen, von einem nur hüfthohen schmiedeeisernen Gitter umschlossenen Balkon vor einem der drei Fenster. Obwohl es hier draußen merklich kühler als in seinem Quartier war, ging er fast nur hinein, wenn er es mußte. Drinnen hatte er das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können. Hier draußen ...

Nun, hier konnte er sich wenigstens einreden, frei zu sein. Und in gewissem Sinne war er es auch. Jenseits des Balkongitters war nichts mehr, nur fünfhundert Fuß Tiefe und ein sekundenlanger, rasend schneller Fall, dem die Erlösung folgen würde, wenn er das wollte. Manchmal fragte er sich, ob Ennart ihm diesen Ausweg absichtlich offengelassen hatte, und wenn ja, warum: ob aus Grausamkeit oder Achtung.

Dabei war er keineswegs in seinem Zimmer eingesperrt. Er war ein Gefangener, aber er wurde behandelt wie ein Fürst. Vor der Tür seines Zimmers - die kein Schloß hatte! - standen Tag und Nacht zwei Männer, die ihm jeden Wunsch erfüllten. Wenn er um etwas bat und es nicht bekam, dann höchstens, weil es in der Stahlfestung nicht existierte. Der einzige Wunsch, den Ian ihm abgeschlagen hatte, war der nach einem Pferd und achtundvierzig Stunden Vorsprung gewesen. Im Turm durfte er sich frei bewegen, so lange und wohin er wollte. Aber es war eine Freiheit, die an den schwarzen Stahlwänden des Turmes endete, denn anders als bei Ennart oder Titch glitten sie nicht von selbst auseinander, wenn er sich einer der verborgenen Türen näherte. Ein paarmal war er zu Kiina gegangen, aber ihr Anblick hatte ihn jedesmal aufs Neue erschreckt, obwohl Ian die Wahrheit gesagt zu haben schien: ihr Zustand besserte sich sichtlich. Ihr Gesicht war noch immer von Krankheit und Siechtum gezeichnet, aber es war keine Totenfratze mehr, die ihm entgegengrinste, wenn er sich über ihr Lager beugte. Was ihn viel mehr erschreckte war, was sie mit ihr taten, denn er verstand es nicht. Und der Gedanke daran, daß nach Kiina auch er auf diesem Bett liegen sollte, gefangen im Netz einer stählernen Spinne, die sein Blut trank.

Aber sein eigenes Schicksal war nicht der Grund für seine Sorge. Skar hatte längst mit dem Leben abgeschlossen, und irgendwoher nahm er die zwar unbegründete, aber unerschütterliche Gewißheit, daß dieser Kampf so oder so mit seinem Tod enden würde. Was ihn beschäftigte, war vielmehr das, was außerhalb dieses Tales geschah. Wenn die Rechnung stimmte, die er für sich angestellt hatte, dann stand Del mit seinem Heer jetzt am Besh, noch zweihundert Meilen und mithin mindestens fünf Tagesmärsche von Ikne entfernt. Aber vielleicht war auch schon alles zu spät; die Schlacht, die er mit allen Mitteln hatte verhindern wollen, längst entschieden. Del mochte schneller vorangekommen sein, als sie angenommen hatten. Das Wetter mochte ihn begünstigt haben, der Widerstand geringer gewesen sein als erwartet... es gab tausend Wenn und Aber, die zwischen einem Plan und seiner Ausführung lagen. Er hatte Ian auch danach gefragt, aber der Zauberpriester hatte nur mit den Schultern gezuckt, und die Männer vor der Tür wechselten fast täglich und schienen wirklich nicht zu wissen, was außerhalb dieses Tales vorging. Manchmal glaubte er zu spüren, daß es schon zu spät war. Vielleicht war es schon zu spät gewesen, als es begonnen hatte.