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»Vorüber!« sagte der Vater Jaguar indem er sich aufrichtete. »Er war ein Empörer, ein Verräter und hat hier den gerechten Lohn gefunden. Seine letzten Worte sind von der größten Wichtigkeit für uns.«

»Ja,« nickte Anciano ernst. »Sie bestätigen, daß Antonio Perillo der Mörder meines Herrschers ist. Wäre bisher ein Irrtum möglich gewesen, so könnte nun jetzt keine Rede mehr von einem solchen sein. Der Thäter ist mir heute entkommen; aber ich werde mich wie ein Hund auf seine Fährte legen und weder am Tage noch des Nachtsruhen, bis ich ihn ergriffen habe.«

»Was seine Fährte betrifft, so werden wir dieselbe nicht berücksichtigen. Es würde vielmehr ein großer Fehler von uns sein, wenn wir uns auf eine so langwierige und mühsame Suche begeben wollten, während wir doch nun ganz genau wissen, wohin sich die beiden wenden werden. Da wir erfahren haben, daß die Barranca del Homicidio das Ziel ihrer Wanderung ist, brauchen wir ja nur dorthin zu reiten, um sie dort zu erwarten.«

»Aber wenn sie eher dort ankommen als wir?«

»Das steht nicht zu erwarten, weil sie keine Pferde haben.«

»Sie können aber durch irgend einen Zufall zu zwei Tieren kommen!«

»Wenn wir uns mit allen möglichen Zufällen abgeben wollten, so wäre es am besten, wir ließen sie gleich laufen und bekümmerten uns gar nicht mehr um sie. Unter hundert ist auf neunundneunzig zu wetten, daß wir eher dort ankommen als sie, und danach handeln wir. Sollte aber keiner der neunundneunzig Fälle, sondern nur gerade der hundertste eintreten, so trifft uns keine Schuld, wir haben unsre Pflicht gethan und es ist selbst dann noch immer die Möglichkeit vorhanden, daß wir dennoch unsern Zweck erreichen. Brechen wir also nach dem Thale auf!«

»Was thun wir mit dieser Leiche?«

»Unter andern Umständen würde ich sie hier an Ort und Stelle begraben; jetzt aber habe ich keine Zeit dazu.

Wir wissen nicht, was während unsrer Abwesenheit geschehen ist, und haben also keine Zeit zu verlieren.

Das Pferd nehmen wir natürlich mit.«

Das Pferd, welches der Gambusino geritten und dann aufgegeben hatte, war vor Überanstrengung gestürzt und eine Weile wie tot hegen geblieben. Nun aber hatte es sich wieder aufgerafft und fraß von dem Grase, welches hier ziemlich üppig stand. Der Vater Jaguar fing es leicht ein und untersuchte es. Er erkannte, daß es sich bei einiger Ruhe und Schonung sehr wahrscheinlich wieder erholen würde, und band daher die Zügel desselben mit denen des seinigen zusammen.

Indessen hatte der alte Anciano sich an der Leiche des Hauptmannes zu schaffen gemacht. Dieser hatte Waffen und verschiedene andre brauchbare Gegenstände bei sich getragen, von denen vorauszusetzen war, daß der Gambusino und Perillo sich ihrer bemächtigen würden. Darum nahm der Alte sie lieber zu sich.

Darauf bestiegen sie ihre Pferde wieder und kehrten nach dem Thale des ausgetrockneten Sees zurück.

Als sie dort ankamen, wurden sie von einer Cambasschar empfangen, welche den Eingang des Thales zu beaufsichtigen hatte. Der »harte Schädel« befehligte sie. Von dem Vater Jaguar befragt, wie es im Thale stehe, antwortete dieser:

»Es steht gerade so, wie wir erwartet haben, Señor Wir sind Sieger geblieben.«

»Das versteht sich ganz von selbst, denn uns zu besiegen, war für die Abipones gar keine Möglichkeit vorhanden. Wenn ich fragte, so geschah es um dieser letzteren willen. Ihr habt nach meiner Entfernung doch nicht wieder geschossen?«

»Noch einigemal, Señor.«

»Warum?« fuhr Hammer auf. »Das ist der reine Mord!«

»Sie waren und sind unsere Feinde und hätten uns, wenn sie Sieger geblieben wären, bis auf den letzten Mann getötet.«

»So müßt ihr sie ja fast alle erschossen haben! Ich befahl doch Geronimo, dem Morden Einhalt zu thun.

Komm, Anciano, wir wollen sehen!«

Die beiden ritten durch den Eingang in das Thal. Was sie da sahen, war für einen christlichen Sinn weit mehr als nur betrübend. Die Cambas, welche vorher unter den Bäumen verborgen gewesen waren, hatten ihre Verstecke verlassen, um ihren Gegnern sich und ihre Übermacht zu zeigen. Sie hatten, jetzt vor den Bäumen sitzend und ihre Waffen noch immer bereit haltend, den ganzen Rand des Thales rundum eingenommen.

Rechts, wo vorher der Vater Jaguar postiert gewesen war, befand sich jetzt Geronimo mit seinen weißen Gefährten. Doktor Morgenstern und sein Fritze waren auch dabei.

Die Abipones befanden sich noch am Ufer des kleinen Sees; sie wagten es nicht, einen Vorstoß zu unternehmen, und hatten ihre Toten und Verwundeten zusammengetragen. Der Augenschein lehrte, daß wohl mehr als die Hälfte von ihnen gefallen waren. Das erregte den Zorn des Vaterjaguar. Er galoppierte zu Geronimo hin, schwang sich aus dem Sattel und fragte in scharfem Tone:

»Wie kommt es, daß ich so viele Leichen sehe, von den Verwundeten gar nicht zu sprechen? Ich hatte dir doch gesagt, daß bis zu meiner Rückkehr nicht mehr geschossen werden sollte!«

»Ich trage nicht die Schuld, daß es anders gekommen ist,« antwortete Geronimo. »Man gehorchte mir nicht, und ich habe geradezu drohen müssen, ehe man Einhalt that.«

»Dann wollen wir den Übriggebliebenen wenigstens nicht die härtesten Bedingungen stellen. Leider hat Lieutenant Verano den Oberhäuptling der Abipones erschossen; wir werden also mit den Unterhäuptlingen zu verhandeln haben. Sende einen Boten an sie! Sie mögen zu mir kommen. Ich sichere ihnen freies Geleit zu. Aber ohne Waffen müssen sie sein.«

Während der Bote abging, wendete sich Hammer, natürlich in deutscher Sprache, an Morgenstern:

»Ich hatte Ihnen doch angedeutet, draußen vor dem Thale bei den Pferden zu bleiben. Wie sind Sie denn eigentlich auf die entgegengesetzte Seite des Thales und noch dazu in die Hände der Feinde gekommen?«

Der Kleine antwortete:

»Infolge unsrer Tapferkeit, lateinisch Fortitudo oder auch Strenuitas genannt.«

»Also Ungehorsam! Es ist doch sonderbar, daß Ihre Tapferkeit stets Ihre Gefangennahme zur Folge hat! Es muß sich also bei Ihnen beiden um eine ganz unglückliche Art von Fortitudo oder Strenuitas handeln.«

»Janz jewißlich nicht, « fiel da Fritze schnell ein. »Es ist die richtige Tapferkeit jewesen. Erinnern Sie Ihnen doch einmal jenau! Sind wir heut jefangen jewesen?«

»Allerdings.«

»Ja, wo denn?«

»Der Gambusino brachte Sie getrieben!«

»Wie? Er hätte uns jetrieben jebracht? Dat is falsch! Wir haben ihn vielmehr anjelockt und hinter uns herjebracht. Wir haben ihm in die Falle jeführt.«

»Verteidigen Sie sich nicht auf eine so lächerliche Weise! Er ist ja wieder aus der Falle entkommen, und daran sind nur Sie beide schuld. Ich werde aber in Zukunft dafür sorgen, daß Sie uns einen solchen Schaden nicht wieder bereiten können.«

Er wäre vielleicht noch schärfer mit ihnen verfahren, aber es kamen jetzt die Unterhäuptlinge der Abipones herbei, und vom Eingange her näherte sich der »harte Schädel«, und so war es Zeit, die Verhandlung zu beginnen, zumal der Nachmittag sich zur Rüste zu neigen begann.

An dieser Verhandlung nahmen nur die Weißen und die Häuptlinge teil. Der Vaterjaguar hielt einige begütigende Reden, in denen er die Forderungen der Cambas zu mäßigen suchte und den Abipones bewies, daß ihre Freundschaft mit dem Gambusino und seinem Anhange ihnen nur Unglück gebracht habe und daß es für sie am geratensten sei, mit ihren roten Brüdern in Eintracht und Frieden zu leben. Seine Worte brachten nach beiden Seiten den beabsichtigten Eindruck hervor und dann begann eine Art Handel in Beziehung der Kriegsentschädigung, welche die Abipones den Cambas zu zahlen hatten. Es ging dabei sehr erregt her, doch brachte der Vater Jaguar nach einiger Zeit die beabsichtigte Einigung zu stande.