Выбрать главу

»Es ist so, wie ich dachte. Kein Mensch steht Wache. Wir können hinein, ohne bemerkt zu werden. Komm!«

Er nahm den andern bei der Hand und zog ihn mit sich fort. Als sie das Felsenthor des Thales erreichten, glänzte ihnen der Schein von vielen Feuern entgegen, so daß sie sich ganz zur Seite im Schatten des Felsens halten mußten. Der Gambusino deutete auf den letzteren und sagte:

»Hier war es, wo uns die beiden kleinen roten Kerls von oben herab vor die Füße flogen. Ich ließ sie leider laufen, weil ich glaubte, daß sie uns sicher seien. Nun sind sie uns wieder entkommen!«

»Schadet nichts. Ich freue mich jetzt, daß wir sie nicht getötet haben.«

»Warum?«

»Weil sie doch vielleicht das sind, wofür sie sich ausgeben. So oft wir sie trafen, haben sie sich so kindisch albern benommen, daß es mir heute unmöglich ist, noch zu glauben, daß der eine Oberst Glotino sein soll.«

»Je länger ich mir den Kerl und seine Streiche vergegenwärtige, desto mehr kommt es auch mir so vor, als ob wir uns geirrt hätten. Wir haben uns durch eine Ähnlichkeit täuschen lassen. Glotino würde niemals und aus keinem Grunde selbst nach dem Chaco gehen, sondern einen tüchtigen Offizier schicken. Wenn mir diese beiden Roten wieder über den Weg laufen sollten, so wird es mir gar nicht einfallen, sie als voll zu behandeln. Ich bedrohe keineswegs mehr ihr Leben. Was sie von mir zu befürchten haben, das sind einige derbe Ohrfeigen, die ich ihnen dafür geben werde, daß sie es wagen, mir wieder und immer wieder wie Ungeziefer über den Weg zu laufen. Dann werden sie sich wohl fern von mir halten. Jetzt aber haben wir keine Zeit, von diesen Knirpsen zu sprechen. Da schau einmal, wie gut wir es getroffen haben!«

Er deutete nach dem Innern des Thales, wo beim Scheine der Feuer alle dort befindlichen Personen leidlich zu erkennen waren.

»Schau da nach links hinüber! Kennst du ihn?« fuhr er fort.

»Der Vater Jaguar!«

»Ja. Wenn ich diesem Hunde eine Kugel geben könnte!«

Er hob sein Gewehr empor, als ob er es anlegen wolle. Der andre fiel ihm in den Arm und warnte heftig:

»Schieße nicht, schieße nicht; du würdest uns verraten!«

Der Gambusino ließ das Gewehr wieder sinken und antwortete:

»Hattest du wirklich Angst, daß ich schießen würde? Fällt mir nicht ein! Meine Kugel würde ihn nicht einmal erreichen, und wir müßten augenblicklich fliehen, während wir uns doch zwei Pferde holen wollen.

Sie laufen ja in Masse hier herum.«

Dieses letztere war allerdings richtig. Wie bereits erwähnt hatten die Cambas ihre Pferde unter der Aufsicht einiger Männer am Bache draußen vor dem Thale gelassen. Jetzt war es da draußen dunkel, und da der Kampf vorüber war, hatte man die Pferde in das Thal gelassen, wo sie sich nach allen Richtungen frei herumtrieben. Der Vater Jaguar hatte das gestattet, weil er überzeugt war, daß vorn am Eingange ein Doppelposten stehe. Hätte er geahnt, wer an Stelle desselben jetzt dort anwesend war!

Während die beiden Lauscher ihre Augen auf die Pferde richteten, welche in ihrer Nähe weideten, meinte Antonio Perillo:

»Wir haben doch schießen hören, und doch hat es allen Anschein, als ob gar kein Kampf stattgefunden habe.«

»Wieso? Es ist sogar ein furchtbares Feuer gewesen, welches man auf die Abipones eröffnet hat. Siehst du denn nicht die Menge von Leichen, welche dort am See liegen?«

»Aber wo sind die andern Abipones hin?«

»Entflohen natürlich.«

»Unmöglich! Der Vater Jaguar hatte doch da draußen einen Hinterhalt gestellt, welcher wohl an die hundert Mann zählte. Es gelang uns nur mit Not, diesen Leuten zu entgehen. Sie haben den Eingang besetzt. Wie konnten da die Abipones entkommen?«

»Hm! Was du da vorbringst, hat guten Grund. Sollten sie wirklich alle aufgerieben worden sein? Dann müßte man doch viel mehr Leichen sehen.«

»Man wird sie in das Wasser geworfen haben.«

»Denke das ja nicht! Es wird den Cambas nicht im Traume einfallen, sich dadurch dieses kostbare Wasser zu verderben, denn«

Er hielt inne, beschattete seine Augen mit der Hand, blickte scharf nach einem der Feuer und fuhr dann in heftigem Tone fort:

»Demonio! Ich habe mir bis jetzt noch keine Mühe gegeben, die Gesichtszüge zu erkennen. Jetzt aber sehe ich, daß Abipones mit den Cambas zusammen an den Feuern sitzen.«

»Ist das möglich?«

»Nicht möglich, sondern wirklich. Sieh nur scharf hin.«

Antonio Perillo überzeugte sich, daß der Gambusino recht hatte, und fragte:

»Wie kann so etwas geschehen? Man sollte es nicht glauben!«

»Es ist leicht zu begreifen. Die Abipones waren umzingelt. Sie hätten selbst den letzten Mann verloren. Um ihr Leben zu retten, haben sie um Gnade flehen müssen.«

» Gnade? Das sieht keinesweges so aus. Sie sind ja nicht gefesselt; sie essen mit und bewegen sich wie freie Leute.«

»Tempesta! Das ist wahr! Daran ist dieser Schurke, der Vater Jaguar, schuld. Er hat Frieden zwischen den Abipones und den Cambas geschlossen.«

»Den aber die Abipones jedenfalls teuer bezahlen müssen!«

»Glaube dies ja nicht! Dieser Mensch ist klug. Durch eine schwere Kontribution würde er die Rachgier erwecken und die Feindschaft vergrößern. Ich wette, daß den Abipones alles geschenkt und vergeben worden ist. Man wird ihnen gesagt haben, daß sie durch ihre Verluste hart genug gestraft worden seien.«

»Eine solche Milde kann ich mir nicht als möglich denken.«

»Aber ich, da ich die Schlauheit dieses Vater Jaguar kenne. Er will dadurch die Todfeinde zu Verbündeten machen, und ich glaube es nicht nur, sondern ich sehe es hier mit diesen meinen eigenen Augen, daß ihm dies gelungen ist. Die Abipones sind gewonnen und werden als Freunde behandelt. Wir können von heute an nicht mehr im Trüben fischen. Mit dem geplanten Pronunciamiento ist's vorüber, und es ist nur gut, daß wir beide ein neues Ziel und einen neuen Zweck haben. Wir wollen auch sofort darauf hin arbeiten, indem wir uns mit Pferden versorgen und dann die Gegend verlassen, welche für mich so unglückbringend geworden ist, wie kaum eine zweite. Da haben wir zwei Tiere ganz nahe; sie scheinen nicht schlecht zu sein. Nehmen wir sie, ich das rechts und du das links; aber vorsichtig! Bücke dich zum Boden nieder!«

Sie legten sich in das Gras und krochen auf die beiden Pferde zu, welche zwar keine Sättel, aber doch die Zäume trugen. Bei ihnen angekommen, richteten sie sich auf, zogen die festgeknüpften Zügel aus den Backenriemen, nahmen die Enden derselben in die Hände, bückten sich wieder nieder und krochen zurück, die Pferde langsam hinter sich herziehend. Draußen vor dem Felsenthore angekommen, sagte der Gambusino, indem er froh aufatmete:

»Siehst du nun, daß es sehr leicht gegangen ist! Dadurch, daß wir uns beritten gemacht haben, ersparen wir eine Fußwanderung von vielen Tagen. Jetzt holen wir uns die Sättel; dann umreiten wir diesen undurchdringlichen Wald, der uns so außerordentlich unbequem liegt, und hernach, wenn wir ihn hinter uns haben, geht's hinüber nach Tucuman, wo wir mit der Diligence bis Salta fahren. Das geht schneller als im Sattel, weil an jeder Station die Pferde gewechselt werden.«

»Und von Salta aus?«

»Nehmen wir Maultiere, da in den Bergen wegen der dünnen Luft nicht mit Pferden auszukommen ist.«

»Das weiß ich gar wohl; aber woher nehmen wir das Geld für die Maultiere? Bei dem Zwecke, welchen wir verfolgen, können wir uns keine mieten, sondern müssen welche kaufen, und ich sage dir, daß ich nicht genug bei mir habe, einen alten Ziegenbock, geschweige denn ein gutes Maultier zu kaufen.«

»Da laß dir ja nicht bange sein. Ich bin zwar auch nicht bei vollen Taschen, aber ich habe in Salta einen Freund, welcher mich sehr gern mit allem Nötigen versehen wird.«

»Wer ist das? Vielleicht kenne ich ihn auch.«

»Er heißt Rodrigo Sereno.«

»Meinst du etwa den Spediteur draußen vor der Stadt, an der Straße, welche nach Injuy führt?«