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Dort trafen sie den Vater Jaguar bereits ihrer wartend und berichteten ihm das Ergebnis ihres Kundschafterganges. Das war viel und doch nicht viel. Sie wußten, daß drei Männer erschossen worden und drei leben geblieben waren. Sie wußten auch, daß sich bei den letzteren die zwei kleinen, rot gekleideten Deutschen befanden, was Hammer sehr in Harnisch brachte; aber wer der dritte war, das wußten sie nicht.

Da sie vor allen Dingen sehen sollten, ob die heranziehenden Indianer mit ihnen befreundet seien oder nicht, so mußten sie sich hinter einem nahen, felsigen Hügel postieren, um dieselben bei ihrer Ankunft zu beobachten, während Hammer zurückritt, um die Gefährten näher heranzuholen und ihnen die ganz unerwartete Mitteilung zu machen, daß der unvermeidliche deutsche Gelehrte mit seinem Diener ihnen wieder nachgefolgt und dabei abermals in die Hände des Gambusino gefallen sei.

Dieser letztere kam am frühen Vormittage mit Antonio Perillo, den acht Indianern und seinen drei Gefangenen angeritten und machte an dem Rande der Schlucht Halt. Er führte, sobald die Maultiere entlastet waren, sofort die Arrangements aus, welche er für nötig hielt. Die Habgier trieb ihn, sofort eine Untersuchung der Schlucht vorzunehmen, und da die Gefangenen doch auch Wert für ihn hatten und er sie den Indianern nicht anvertrauen wollte, so mußten sie mit in die Schlucht genommen werden. Man gab ihnen also die Füße frei, daß sie hinabklettern konnten. Unten aber, und zwar im Hintergrunde angekommen, wurden ihnen die Füße wieder gefesselt; man band sie an Steine, damit sie sich auch nicht einmal durch Wälzen von der Stelle bewegen konnten. Dann entfernten sich der Gambusino und Perillo, allerdings nicht weit, um ihre Nachforschung zu beginnen. Die Indianer waren oben zurückgeblieben, da ihnen verboten worden war, die Schlucht zu betreten.

Zufälligerweise waren die Gefangenen gerade nach der vorspringenden Felsenspitze, in deren hinterem Winkel der Eingang zum Stollen lag, gebracht und an drei von den vier erwähnten großen Steinen gebunden worden. Sie lagen natürlich an der Erde, Doktor Morgenstern genau auf dem Steingries, welcher die verborgene Maultierhaut bedeckte. Als sie ihre Peiniger so weit entfernt sahen, daß sie von ihnen nicht gehört werden konnten, sagte Fritze Kiesewetter:

»Da sind wir nun bei unsrem Ziele anjelangt, aber als Jefangene. Wenn der Vater Jaguar schon da ist, werden wir uns bald wieder auf unsre freien Füße befinden.«

»Das gebe Gott!« seufzte Engelhardt. »Es handelt sich um unser Leben, denn ich bin überzeugt, daß diese Schufte uns ermorden werden, sobald sie das Lösegeld empfangen haben.«

Er riß vor Grimm an seinen Fesseln und zerrte an dem Steine, an welchem er hing. Dabei zog er denselben nach und nach von der Stelle, an welcher er lag.

»Das glaube ich nicht,« antwortete der Doktor. »Sie haben uns schon einigemal gefangen genommen, ohne einen Mord, lateinisch Homicidium genannt, an uns zu begehen.«

»Weil uns der Vater Jaguar immer rasch herausjeholt hat,« erklärte Fritze. »Läßt er uns diesmal sitzen, so ist's oft und manchmal um uns jeschehen.«

»Gefangen zu sein, während ich meinen Sohn in der Nähe weiß!« knirschte der Bankier. »An Händen und Füßen gefesselt und an einen Stein gebunden, wie ein wildes Tier!«

Er zog wieder an dem Steine, welcher auf einer Ecke der Haut lag, und jetzt weiter verrückt wurde, so daß dieselbe nachgab. Sie begann sich langsam unter Doktor Morgenstern zu senken. Darum meinte dieser:

& »Ich scheine weich zu liegen, obgleich meine Unterlage aus Steinen besteht, denn sie gibt nach. Ich sinke tiefer.«

»Und, ich wollte, ich könnte auch sinken, tief in die Erde hinein!« fuhr Engelhardt grimmig fort. »Hätte ich nur eine Hand frei, ich wollte mich bald meiner Fesseln entledigen, und dann wehe den Halunken!«

Er zog, zerrte und riß, daß der Stein immer weiter rutschte.

»Jeben Sie sich keine Hoffnung hin!« antwortete Fritze. »Wen dieser Jambusino fesselt, der kommt nicht los; ik kenne das. Nicht wahr, Herr Doktor, wir haben das erlebt?«

»Leider ja,« antwortete der Gefragte. »Wir sind sogar noch schlimmer daran gewesen als jetzt. Wir haben schon am Baume gehangen und --- Herr-Himmel-Jemineh --- !«

Er schrie vor Schreck laut auf, denn Engelhardts Stein war jetzt vom Felle heruntergerutscht; dieses gab nach, und der kleine Gelehrte fuhr mit den Beinen und dem Oberleibe in das Loch.

»Wat ist denn los? Wohin wollen Sie verreisen?« fragte Fritze. »Soll dat etwa eine Abfahrt in die Unter- oder Urwelt sein?«

»Scherze nicht!« jammerte der Kleine. »Ich stecke in einem fürchterlichen Loche, lateinisch Puteus genannt; ich schwebe über einer entsetzlichen Tiefe, lateinisch Vorago oder Barathrum geheißen, und wenn der Strick zerreißt, so bin ich verloren!«

Der kleine Gelehrte wog wohl nicht mehr als neunzig Pfund, und da der Stein, an welchem er mit dem Stricke befestigt war, weit über die Schwere eines Zentners hatte, so wurde er von diesem festgehalten.

Dennoch zeterte er so laut, daß der Gambusino und Perillo es hörten. Sie kamen herbei und waren nicht wenig erstaunt, ihren Gefangenen halb in der Erde verschwunden zu sehen. Sie zogen ihn heraus, und dabei kam ein Teil der Haut zum Vorscheine.

»Was ist das?« fragte Perillo. »Ein Leder, mit welchem dieses Loch bedeckt ist! Am Ende haben wir - - -«

»Schweig!« raunte ihm der Gambusino zu. »Wir sind am Ziele. Das haben wir dem Zufalle zu verdanken.

Die Gefangenen brauchen nicht zu sehen, was wir hier treiben. Schaffen wir sie fort!«

Sie schleppten die drei Gefesselten eine genügende Strecke fort, um unbeobachtet zu sein, und kehrten dann wieder nach dem Loche zurück, um seine und desselben Umgebung zu untersuchen. Sie fanden das ganze Fell und entfernten es. Sie warfen Steine in das Loch und hörten, daß dasselbe nicht tief war. Darum ließ sich der Gambusino hinab. Schon nach einigen Augenblicken rief er herauf:

»Wir sind am rechten Orte! Es ist gelungen! Hier liegen Talglichte. Komm schnell herab, während ich eins anbrenne.«

Als Perillo unten ankam, war das Licht schon in Brand gesteckt. Sie achteten des Umstandes nicht, daß auch ein halbes dalag, welchem man es leicht ansehen konnte, daß es erst vor kurzem im Gebrauch gewesen war, und drangen langsam in den horizontalen Stollen ein. Indem sie vorsichtig weiterschritten, teilten sie sich ihre Bemerkungen und Hoffnungen mit. Sie befanden sich in einer fieberhaften Aufregung, welche sich fast bis zum Wahnsinn steigerte, als sie endlich die hintere Kammer erreichten und den Inhalt derselben erblickten. Sie standen zunächst wie sprachlos da und ließen ihre wonneglänzenden Augen über alle diese Gegenstände schweifen. Dann rief der Gambusino:

»Entdeckt, entdeckt! Hier liegen Millionen. Das hast du mir zu danken.«

»Nein, sondern du mir, mir, mir!« entgegnete Perillo. »Laß uns abschätzen. Hier stecken viele Lichter in diesen Rinnen, jedenfalls, damit man bei ihrem Glanze diese ungeahnten Reichtümer besser funkeln sehen kann. Soll ich sie anbrennen?«

»Ja, denn bei diesem einen Talgstummel ist gar nichts, gar nichts zu sehen.«

Perillo riß dem Gambusino das Licht aus der Hand und hielt es an einen der bereits beschriebenen Dochte, welcher zunächst wie ein ganz gewöhnlicher Docht anbrannte. Das kleine Flämmchen hatte zunächst einen ruhigen, hellen Schein; dann begann es zu flackern, wobei es eine blaue Farbe annahm; hierauf sprühte es plötzlich nach allen Seiten Funken, an denen sich die andern Dochte entzündeten, und schoß alsdann gar zu einer bis an die Decke reichenden Feuergarbe auf. Ein scharfer, unausstehlicher Geruch oder vielmehr Gestank verbreitete sich in dem Raume. Schon brannten zehn, fünfzehn, zwanzig und noch mehr Lichter in den Rinnen. Sie flackerten, glühten, sprühten, pufften und lärmten.