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Dieser Regen ergoß sich mit dem Getöse eines großen Wasserfalles, wurde aber dennoch von der Stärke der Donnerschläge übertönt. Blitze zuckten durch die tiefdunkle Nacht oder vielmehr durch den Regensee, und auch das Wort Blitze ist nicht der richtige Ausdruck, denn es waren Feuerflammen, welche aus der Erde aufzuckten, und Feuerklumpen, welche aus den Wolken niederfielen. So ging es Schlag auf Schlag, Krach auf Krach, Feuerball auf Feuerball, eine ganze Stunde lang und auch noch eine zweite. Es war ganz unmöglich, sich zu unterhalten, denn niemand konnte sein eigenes Wort verstehen. Die Männer saßen still am Boden, welcher aus festgestampfter Erde bestand, und konnten sich nur durch Pantomimen die nötigen Mitteilungen machen.

Noch schlimmer aber waren diejenigen daran, welche sich bei den Pferden befanden. Die Tiere hatten natürlich nicht angebunden werden können; soweit die vorhandenen Riemen, Stricke und Schnuren zureichten, hatte man ihnen die Beine gefesselt; aber dies war nicht bei allen geschehen, und so gab es außer dem Schnauben und Wiehern ein Stampfen, Schütteln und Umsichschlagen, welches ganz wohl lebensgefährlich genannt werden konnte.

Jetzt gab es noch einen entsetzlichen Donnerschlag, den stärksten von allen, aber auch den letzten; Himmel und Erde schienen nicht nur in Flammen zu stehen, sondern ein einziges Feuermeer zu bilden; dann trat eine Stille ein, welche so plötzlich kam, daß sie geradezu unheimlich wirkte. Keiner wagte ein Wort zu sagen; die meisten glaubten, daß der Aufruhr der Elemente nur einen Augenblick ausgesetzt habe, um sofort wieder zu beginnen; dem war aber nicht so. Der Vater Jaguar stand von dem Platze auf, an welchem er gesessen hatte, ging an dem Feuer vorüber nach der Thür, sah hinaus, wo die Wasser wie ein einziger, thalbreiter Fluß vorüberrauschten, und meldete dann:

»Es ist vorüber. Der Himmel steht voller Sterne. Gott sei Dank!«

»Ja, Gott sei Lob und Dank!« seufzte Doktor Morgenstern erleichtert auf, indem er sich mit beiden Händen über das todesbleiche Gesicht wischte. »So etwas habe ich doch noch nicht erlebt. Ich habe eine Angst ausgestanden, welche gar nicht zu beschreiben ist. Da war doch jeder Donnerschlag ein Gebrüll, lateinisch Rugitus oder auch Mugitus geheißen, und jeder Blitz eine Feuersbrunst, Incendium, welche alles zu verzehren drohte!«

»Ja, dat ist wahr,« stimmte Fritze bei. »Mir wundert es nur, daß wir nicht erschlagen worden sind, da wir bei dat Wetterleuchten und die vielen Blitze auch noch sechs Feuer jebrannt haben!«

»Allerdings! Die Wissenschaft hat bewiesen, daß der Blitz vom Feuer angezogen wird. Es ist ein wahres Wunder, daß es hier nicht eingeschlagen hat.«

»Das war nicht wohl zu befürchten, da der Wald da droben ein sehr guter Blitzableiter war,« bemerkte der Vater Jaguar. »Nun aber will ich sogleich einmal nach den Pferden sehen, ob sie sich beschädigt haben.«

Er ging hinaus und hatte bis an die Knie im Wasser zu waten, wo es vorher ganz trocken gewesen war. Die Tiere ließen zwar noch Zeichen von Unruhe sehen, standen aber still an ihren Plätzen. Nennenswerte Beschädigungen waren nicht zu bemerken. Einen so guten Ausgang hatte man kaum erhoffen dürfen.

Als er von dieser Besichtigung zurückkehrte, stand Lieutenant Verano gerade im Begriff, sein Abenteuer zu erzählen. Als dieser Hammer kommen sah, wendete er sich ihm mit den Worten zu:

»Sie kommen gerade recht, Señor, um zu hören, welche Ansprüche ich an die Gewehre habe, welche Sie sich angeeignet haben.«

»Angeeignet? Daß ich nicht wüßte! Ich habe sie in einstweilige Verwahrung genommen,« antwortete der Deutsche in sehr zurückhaltender Weise.

»Mit welchem Rechte, wenn ich fragen darf?«

»Sie sagen ganz richtig: wenn ich fragen darf. Welches Recht haben Sie, mich zu fragen?«

»Ich bin der Beauftragte des Generals Mitre.«

»Das würde ich gelten lassen, falls Sie es beweisen könnten.«

»Welche Beweise verlangen Sie?«

»Eine schriftliche Vollmacht.«

»Welche Zumutung! Meinen Sie, daß man solche Schriftstücke mit sich im Gran Chaco herumschleppt?«

»Das ist allerdings notwendig, wenn man als Bevollmächtigter anerkannt werden will.«

»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Señor. Das wird doch hoffentlich genügen,« fuhr Verano zornig auf. »Oder etwa nicht, dann - - -«

Er machte mit der Hand eine drohende Bewegung nach dem Messer.

»Lassen Sie das Ding stecken! Wer mir die Klinge zeigt, bekommt meine Faust zu fühlen. Ich erkläre Ihnen ganz gern, daß mir Ihr Ehrenwort genügt, denn Sie sind zwar ein höchst gewaltthätiger Mann, aber daß Sie sich einer ehrenrührigen Handlung schuldig gemacht hätten, das habe ich noch nicht gehört.«

»So sind wir also einig?«

»Ja und auch nein. Verstehen Sie mich nur richtig. Zu glauben, daß Sie der Bevollmächtigte des Generals sind, dazu genügt mir Ihr Ehrenwort allerdings. Welche Vollmacht aber haben Sie erhalten?«

»Nach den abhanden gekommenen Gewehren zu forschen.«

»Sind sie gestohlen worden?«

»Ja.«

»Nun, und wenn Sie den Dieb entdecken?«

»So habe ich Bericht zu erstatten.«

»Und dann?«

»Dann - -? Nun, dann wird der General das weitere verfügen.«

»Schön! jetzt sind wir freilich einig. Sie haben nach gestohlenen Gewehren zu forschen, im Entdeckungsfalle Bericht zu erstatten, und dann das weitere abzuwarten. Ich habe Gewehre gefunden; ob diese aber diejenigen sind, welche - -«

»Bitte, Señor!", unterbrach ihn der Lieutenant, »sie sind es. Während Sie jetzt fort waren, habe ich mir eine Anzahl derselben angesehen. Es sind dieselben, welche heimlich aus dem Zeughause fortgeschafft worden sind. Der General hat selbst den Verlust entdeckt und sofort, ohne daß jemand davon erfuhr, die eingehendsten Nachforschungen anstellen lassen. Was sich ergab, mußte überraschen. Höchst wahrscheinlich hat der Zeugmeister sich bestechen lassen. Er gab mehrere hundert Gewehre nebst reichlicher Munition in die Hände von Leuten, welche einen Aufruhr planen. Wer an ihrer Spitze steht, war noch nicht zu erfahren; gewiß aber ist, daß der Stierfechter Antonio Perillo dabei die Hand im Spiele hat. Dieser Mann ist kurz nach dem Diebstahle, also vor einigen Monaten, mit Arbeitern und Werkzeugen und Waffen nebst Schießbedarf über den Rio Salado gegangen und später nur mit den Arbeitern und Werkzeugen zurückgekehrt. Er hat die Waffen nicht verkauft oder verteilt, sondern vergraben. Wozu hätte er sonst Spaten und Schaufeln mitgenommen? Man wollte und mußte erfahren, wo dies geschehen ist.

Und da ich den Chaco kenne und zugleich Offizier bin, wurde mir der Auftrag, auch über den Salado zu gehen, um nachzuforschen. Die Abipones sind gegenwärtig regierungsfeindlich gesinnt; an sie durfte ich mich also nicht wenden; ich suchte also die Cambas auf und traf den Häuptling mit vier Kriegern, von denen der eine zur angegebenen Zeit weiße Männer an der Zwillingsquelle gesehen hatte. EI Craneo duro war sofort bereit, mit mir nach diesem Orte zu reiten. Unterwegs trafen wir auf eine Schar von über achtzig Abipones, welche, wie mir der Häuptling sagte, vom Palmensee zu kommen schienen. Sie behandelten uns feindlich; ich wehrte mich und schoß einige von ihnen tot, wurde aber mit meinen Begleitern überwältigt, entwaffnet, ausgeraubt und nach der Quelle geschafft, wo wir heute früh ertränkt werden sollten. Diese beiden Knaben hier haben uns gerettet. Ich hörte, wo Sie die Waffen gefunden haben, und da dieselben unbedingt die gesuchten sind, bin ich überzeugt, daß Sie mir dieselben ausliefern werden.«