»Ich halte es nicht für notwendig, sich jetzt über den Skalp zu ereifern. Noch wißt Ihr nicht, ob es wirklich die Kopfhaut Eures Bekannten ist. Wir werden es erst später genau erfahren.«
»Nein, ich weiß es sicher,« antwortete Anciano; »die Spange ist der Beweis, daß ich mich nicht irre.«
»Dennoch haben wir jetzt Notwendigeres zu besprechen,« entgegnete Hammer, indem er dem Alten einen verstohlenen Wink gab, zu schweigen. »Es gilt, zu beraten, wohin wir uns von hier aus wenden sollen.«
»Doch jedenfalls nach dem Palmensee,« antwortete der Lieutenant Verano. »Das war ja schon vorher Ihr Ziel und muß es nun erst recht bleiben, da die Verschwörer dort zusammen kommen wollen.«
»Ich glaube zwar nicht, daß schon jemand von ihnen dort ist, möchte diesen See aber dennoch vermeiden.
Man könnte später durch einen Zufall entdecken, daß wir dort gewesen sind, und das könnte zum Mißlingen meines Planes führen.«
»Hast du denn schon einen Plan?« fragte Geronimo.
»Beinahe. Wir wissen, daß die Abipones gegen die Cambas wollen, und könnten dieses Vorhaben vielleicht schon im Keime zunichte machen. Ich sage mit Absicht: vielleicht, denn ich befürchte, daß wir zu schwach dazu sind. Die Abipones können sich schon jetzt auf dem Kriegsfuße befinden, und in diesem Falle dürfen wir bei unsrer Minderheit nicht wagen, es mit ihnen aufzunehmen.«
»Das meine ich auch. Die Burschen sind zwar furchtsam und scheuen einen offenen Angriff; zu einem nächtlichen Überfalle aber sind sie stets bereit, und da habe ich vor ihren vergifteten Pfeilen den größten Respekt. Wir müssen uns verstärken, und das kann nur mit Hilfe der Cambas geschehen.«
»Allerdings. Es fragt sich, ob sie ahnen, was ihnen bevorsteht.«
Da antwortete der »harte Kopf«:
»Unsre Leute wissen nichts davon, daß sie überfallen werden sollen. Wir leben in Feindschaft mit den Abipones, aber daß sie jetzt einen Kriegszug gegen uns vorhaben, das war uns ganz unbekannt. Wir müssen sobald wie möglich aufbrechen, um ihnen die Nachricht zu bringen und sie vorzubereiten. Der Zug wird gegen unser größtes und reichstes Dorf gerichtet sein.«
»Woher weißt du das?«
»Die Abipones, welche uns gestern fingen, sprachen ganz offen davon. Da wir heute früh ersäuft werden sollten, so glaubten sie, ganz sicher zu sein, daß wir nichts verraten könnten.«
»Wo liegt dieses Dorf und wie weit ist es von hier entfernt?«
»Es liegt an dem Wasser, welches die Weißen den Arroyo claro Der klare Bach. nennen, und wenn wir gut reiten, können wir nach drei Tagemärschen dort sein.«
»Wie ist die Gegend beschaffen, durch welche wir müssen? Ist sie unbewohnt?«
»ES gibt Wald, offenes Feld und auch mehrere Dörfer der Abipones, welche wir aber vermeiden können, wenn wir den Ritt von hier aus unternehmen. Wollten wir aber erst den Palmensee aufsuchen, so würden wir von dort aus längere Zeit durch feindliches Gebiet zu reiten haben.«
»Hm!« brummte der Vater Jaguar nachdenklich in den Bart. Er blickte eine Weile vor sich nieder und fuhr dann fort: »Und dennoch halte ich es für besser, erst nach dem Palmensee zu gehen. Vorhin wollte ich das vermeiden; nun ich aber genau erfahren, wohin die Gegner wollen, muß mir daran hegen, den Weg, welchen sie einzuschlagen haben, kennen zu lernen. Hältst du es denn gar nicht für möglich, vom Palmensee aus nach dem ›klaren Bache‹ zu gelangen, ohne von den Abipones gesehen zu werden?«
»Ihre Dörfer könnten wir umreiten, Señor, aber daß wir einzelnen von ihnen begegneten, das wäre wohl nicht zu vermeiden.«
»Einzelne sind nicht zu scheuen. Wir würden sie ergreifen und gefangen mit uns nehmen, so daß sie den Ihrigen keine Nachricht von uns gehen können. Ich habe auch noch einen andern Grund. Unser Fleischvorrat geht zu Ende, und uns drei Tage lang vom Ertrage der Jagd zu ernähren, dazu haben wir keine Zeit. Durch den dabei entstehenden Aufenthalt könnten aus den drei leicht fünf oder sechs Tage werden. Die Abipones aber besitzen, wie ich weiß, Rinder, von denen wir eins oder gar einige heimlich wegfangen können. Da kommen wir ohne Mühe und Zeitverlust zu Fleisch. Wie weit ist es von hier bis zu dem Palmensee?«
»Einen halben Tagesritt.«
»Gut, dann brechen wir um die Mittagszeit von hier auf, so daß wir am Abend dort ankommen. Es ist ja nicht notwendig, daß wir ganz bis zum See reiten. Meine Absicht geht ja nur dahin, in die Gegend desselben zu kommen. Kennst du denn den geraden Weg nach dem klaren Bache?«
»Ich kenne jeden Baum und Strauch, an dem wir vorüberkommen werden.«
»So können wir uns also auf dich verlassen. Es bleibt dabei: zu Mittag geht's von hier fort.«
Es hatte keiner etwas dagegen einzuwenden, doch meinte Doktor Morgenstern Grund zu der Bemerkung zu haben:
»Ihre Absicht und Ihren Plan in allen Ehren, aber ich habe doch auch Absichten und Pläne, an die ich Sie erinnern muß. In welcher Richtung liegt denn der klare Bach, zu welchem Sie wollen?«
»Nach Nordwesten,« antwortete der Häuptling.
»Ist die dortige Gegend eben oder bergig?«
»Es gibt Berge.«
»Dann erhebe ich Einspruch, Señores! Sie wissen, daß ich nicht wegen der Cambas, sondern um Ausgrabungen vorzunehmen, in dieses Land gekommen bin. Die Tiere, deren Überreste ich suche, haben nicht auf den Bergen, sondern in der Ebene gelebt. Je weiter ich mich von der letzteren entferne, desto mehr schwindet mir die Hoffnung, etwas zu finden. Ich erhebe also Widerspruch, lateinisch Contradktio oder auch Repugnantia genannt.«
»Ihr Widerspruch wird leider ohne Erfolg sein,« antwortete der Vater Jaguar. »Wir können doch nicht Ihrer Ausgrabungen wegen die Cambas berauben oder gar ermorden lassen!«
»Ebensowenig kann ich dieser Leute wegen auf mein Mastodon oder Megatherium verzichten, welches ich finden möchte. Ich beantrage, daß die Wissenschaft berücksichtigt werde. Ist dies nicht der Fall, so thue ich«
Er hielt inne.
»Nun, was wollen Sie thun?« fragte Hammer.
»Hm! Ich bleibe zurück, um meine Nachforschungen auf eigene Faust vorzunehmen.«
»Ich rate Ihnen, davon abzusehen. Sie würden sehr bald in die Hände der Indianer fallen. Oder haben Sie vergessen, daß Sie sich schon einmal in Gefangenschaft befanden?«
»Ja, das ist freilich wahr; aber wenn ich nichts wage, so gewinne ich nichts. Ich habe mir nun einmal vorgenommen, ein vorweltliches Tier nach Hause zu bringen. Die Reise, lateinisch Profectio oder auch Peregyinatio genannt, hat Geld gekostet, und das will ich doch nicht umsonst ausgegeben haben.«
Der »harte Kopf« hatte aufmerksam zugehört. Es war ihm nicht klar, was der kleine Mann meinte, aber er ahnte es und erkundigte sich jetzt:
»Dieser Señor spricht von Tieren und vom Ausgraben. Gehört er vielleicht zu den sonderbaren weißen Leuten, welche in der Pampa nach Knochen graben, um dieselben in die großen Städte zu bringen und dort zusammenzustellen?«
»Ja, er gehört zu ihnen,« antwortete Hammer lächelnd.
»So braucht er nicht hier zu bleiben und sich in die Gefahr zu bringen, von den Abipones gefangen genommen oder gar getötet zu werden. Ich weiß, wo solche Knochen zu finden sind.«
»Wo denn, wo?« fragte der kleine Gelehrte schnell.
»Ich kenne mehrere Orte. An einem derselben werden wir vorüberkommen. Es ist der Pantano de los Huesos Sumpf der Knochen.. Dieser Name sagt Ihnen, daß das Gewünschte dort zu finden ist.«