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zu beordern. Die fernliegenden Dörfer hatten von den Feinden nichts zu befürchten; anders aber stand es mit denjenigen Orten, welche in der Nähe der voraussichtlichen Marschroute der Abipones lagen. Diese mußten verlassen werden, und die Bewohner zogen sich mit den Kriegern nach dem »klaren Bache« hin, wobei sie selbstverständlich nicht versäumten, ihr ganzes Eigentum mitzunehmen, was freilich nicht viel sagen will.

Am Vormittage dieses dritten Tages gelangte der Reiterzug an ein großes, aber seichtes Wasser, dessen Ufer sehr morastig waren. Wo es eine festere Stelle gab, hatten sich Bäume und Sträucher entwickelt, sonst aber sah man nur dichtes Schilf und Rohr, welches eine Höhe von fünf Meter erreichte. Der Häuptling wendete sich an Doktor Morgenstern und sagte, indem er nach dem Wasser deutete:

»Das ist El Pantano de los Huesos, der Sumpf der Knochen, von dem ich Ihnen gesagt habe, Señor!«

»Das ist er?« antwortete der Kleine, von den Worten des Roten wie elektrisiert. »Kann man die Knochen sehen?«

»Viele sind vermodert; diejenigen aber, welche zuletzt gefunden worden sind, werden noch daliegen.«

»So muß ich hin, sie zu betrachten. Wir müssen halten. Hören Sie, Señores, halten, halten!«

Er hielt sein Pferd an und rief die letzten Worte so laut, daß sie vom Anfang bis zum Ende des Zuges zu hören waren.

»Das geht nicht,«antwortete der Vater Jaguar.»Wir können Ihrer alten Knochen wegen nicht unsre kostbare Zeit verlieren.«

»O, die Knochen sind weit kostbarer als die Zeit, von der Sie sprechen. Wenn Sie nicht warten wollen, so komme ich nach; aber sehen muß ich die Knochen; eher zieht mich kein Elefant von hier fort!«

Hammer sah ein, daß es besser sei, eine kleine Rücksicht zu hegen, und antwortete darum.

»Gut, so bleiben Sie, aber ja nicht länger als höchstens eine halbe Stunde; dann müssen Sie doppelt schnell reiten, um uns einzuholen. Der Häuptling mag Ihnen einen seiner Leute als Führer geben.«

jetzt gab sich der Kleine zufrieden. Er bekam einen der vier Cambas, welcher den Sumpf kannte und den Ort wußte, an welchem die Knochen zu sehen waren. Selbstverständlich blieb Fritze auch mit zurück; er wäre ohne seinen lieben Herrn keinen einzigen Schritt weitergeritten. Der Zug entfernte sich und die drei waren nun allein.

Der Camba ritt auf das Wasser zu und wußte dabei alle trügerischen Stellen wohl zu vermeiden. Dort stieg er ab und band sein Pferd an einen Strauch. Dabei sagte er etwas, was jedenfalls eine Aufforderung an die beiden andern sein sollte, das gleiche zu thun, doch verstanden sie ihn nicht, da er sich seiner Sprache bediente, deren sie nicht mächtig waren. Es stellte sich nun heraus, daß dieser Mann zwar den »Sumpf der Knochen« genau kannte, dafür aber nur sehr wenige Worte spanisch verstand.

»Dat kann jut werden,« meinte Fritze, indem er sich vom Pferde schwang, um es anzubinden und dann seinem Herrn zu helfen, auch aus dem Sattel zu kommen. »Jetzt verstehen wir kein Chinesisch, und dieser Herr Jevatter ist nicht aufs Türkische einjeübt. lk bin bejierig, wat dat for ein inniges Verständnis ergeben wird.«

»Wir werden uns durch Pantomimen verständigen,« tröstete ihn der Doktor. »Mit Pantomimen kommt man durch die ganze Welt. Diese Erfahrung, lateinisch Peritia geheißen, habe ich schon oft gemacht.«

»Aber wenn ik nun die richtige Pantomime am falschen Orte, oder die falsche Pantomime am richtigen Orte anwende?«

»Du scheinst in Beziehung auf Zeichen und Gestikulationen freilich noch ziemlich unerfahren zu sein. Achte nur auf mich, dann braucht dieser gute Mann nicht unsre und wir brauchen nicht seine Sprache zu verstehen.«

Als der Rote sah, daß die beiden ihre Pferde angebunden hatten, winkte er ihnen, ihm zu folgen, und schritt in das Schilf hinein, wo, wie man deutlich sah, vor ihm schon andre gegangen waren. Dabei deutete er nach rechts und links in die Schilfdichtung und sagte:

»Precaucion - Cocodrilos - Vorsicht - Krokodile!«

»Wat? Hier sollen Krokodile sind?« meinte Fritze. »Da müßte man doch wat von sie sehen. Mir soll er nicht bange machen.«

Aber kaum hatte er diese Worte gesagt, so sprang er mit einem Schreckensrufe zur Seite, denn ganz nahe neben ihm kam der Kopf eines solchen Tieres aus dem Schilfe zum Vorscheine. Es glotzte ihn aus den kleinen Augen an, und schlug die offenen Kiefer zusammen, daß es einen Ton gab, als ob zwei Bretter zusammengeklappt wurden.

»Er hat wirklich recht,« fuhr er fort, als er sich in Sicherheit befand. »Wenn wir nur nicht für die vorsündflutlichen Knochen unsre eijenen herjeben müssen!«

»Fürchte dich nicht,« meinte sein Herr, welcher, sobald es sich um sein Lieblingsobjekt handelte, allerdings keine Furcht kannte. »Diese Tiere sind viel zu träge, als daß sie uns belästigen könnten. Sie riechen schlecht; das ist das einzige an ihnen, was unangenehm ist.«

»Na, der Rachen mit die Zähne ist auch nicht anjenehm. lk meinesteils will sonne Kreatur lieber riechen, als von ihr jefressen werden.«

Sie gelangten durch das Schilf auf eine Art spitze Halbinsel, welche in das Wasser hineinragte. Sie schien aus festem Lande zu bestehen, denn sie trug Bäume und Sträucher, und bildete ein scharf geschnittenes und nicht sumpfiges Ufer. Unter den Bäumen war die Erde an einigen Stellen aufgewühlt, und da lagen sie denn, die der kleine Gelehrte suchte - Knochen von allen Gestalten und Größen, teils ganz, teils zerbrochen, teilweise noch hart und fest, teilweise auch schon angefault und vom Moder angegriffen.

»Heureka!« schrie der Kleine auf, indem er sich förmlich auf die Knochen stürzte. »Da sind sie; da liegen sie! Fritze, komm und sieh die Zeugen und Überreste einer Periode, in welcher an dich noch nicht zu denken war!«

»Dat finde ik sehr vernünftig,« antwortete der Stralauer gelassen; »denn wenn damals an mir zu denken jewesen wäre, so könnten Sie mir heutigen Tags nun auch einsammeln und als verflossene Gigantochelonia aus die einzelnen Gliedmaßen ins Janze zusammensetzen.«

»Sei kein Thor und schwätze nicht solchen Unsinn!« sagte Morgenstern, indem er ganz entzückt einen Knochen nach dem andern aufnahm, um ihn zu betrachten und zu betasten. »Hier öffnet sich ein großartiger Blick auf die Entwickelungsstufen der bis jetzt bestandenen und noch bestehenden Daseinsformen. Schau einmal diesen Schädelteil! Ich wette, es ist das Os occipitis eines Megatheriums. Wir werden alle diese Knochen einpacken und mitnehmen, damit ich sie, wenn wir am ›klaren Bache‹ angekommen sind, noch heute untersuchen und bestimmen kann. Lieber Freund, hat man diese Knochen hier an dieser Stelle gefunden oder sind sie von einem andern Orte hergeschafft worden?«

Diese Frage war an den Indianer gerichtet, welcher aber nicht mehr zu sehen war; dafür hörte man seine rufende Stimme.

»Er will uns bei sich haben. Kommen Sie!« meinte Fritze.

»Nein, noch nicht,« antwortete sein Herr. »Ich habe hier noch nicht alles gesehen.«

»So werde ik mal zu ihm jehen, um zu sehen, wat er zu rufen hat. Verstehen kann man ihm ja nicht.«

Er entfernte sich in der Richtung, aus welcher die Rufe des Camba zu hören waren. Der Doktor sah sich gar nicht nach ihm um. Er war mit seinen Schätzen so beschäftigt, daß er für gar nichts andres Augen hatte. Er wühlte in den Überresten und sortierte herüber und hinüber, bis er hinter sich die Stimme Fritzens hörte:

»Lassen Sie die Knöchelchens hier liejen! Da drüben jibt's eine janz andre Sorte. Dat sind die richtigen Eisbeine mit Meerrettich und Sauerkohl. Da habe ik eine Probe mitjebracht; schauen Sie sich die mal an!«

Als Morgenstern zu ihm aufblickte, sah er in seinen Händen ein wirklich riesiges und sehr gut erhaltenes Schenkelbein. Er sprang mit einem Jubelrufe auf, riß es an sich, betrachtete es mit weit geöffneten Augen erst sprachlos und schrie dann entzückt: