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»Auch wenn ich darum bitte?«

»Bitte? Herr Doktor, wenn Sie mich befehlen, so jehorche ich; wenn Sie mir aber bitten, so muß ik Ihnen erst recht den Willen thun. Es würde mich jeradezu unmöglich sein, Ihnen eine Bitte abzuschlagen.«

»So ist's recht! Das nenne ich Treue, lateinisch Fidelitas geheißen! Also ich kann mich auf dich verlassen?«

»Ja. lk jehöre zu Sie und weiche nicht von Ihre Seite. Aber ist's denn wirklich jewiß, daß Sie zurück wollen?«

»Noch nicht ganz. Ich muß erst abwarten, ob die Verhältnisse meinem Vorhaben günstig sind.«

»So sagen Sie mich wenigstens, wie wir die Knochens fortbringen wollen?«

»Wie soll ich das wissen? Ich möchte mich da auf deinen Scharfsinn verlassen.«

»Ja, wenn mein Scharfsinn ein Roll- oder Frachtwagen wäre, so könnten wir sie darauf verladen. Hier jibt's überhaupt keine Wagens. Man kann sich höchstens der Lastpferde bedienen.«

»Und da haben wir leider keine!«

»Nicht? Wat, wir hätten keine? Haben wir nicht über achtzig Pferde erbeutet?«

»Aber die gehören uns doch nicht!«

»Nicht? Wer hat dat behauptet? Wir waren dabei, als sie erbeutet worden sind. Sie sind eijentlich Jemeingut und müssen verteilt werden. Da kämen wenigstens vier Stück auf uns beide. Ik mache mich jar kein Jewissen, einige Pferde wegzunehmen. Dat ist kein Diebstahl, denn wir bringen sie doch wieder. Und Packsattels sind auch vorhanden. Wir haben also allens, wat wir brauchen.«

»Und würdest du den richtigen Weg finden, damit wir uns nicht etwa verirren?«

»Glauben Sie nicht, daß ich mir verirren würde. Wo ik einmal jewesen bin, da bin ik zu Hause wie in meine Tasche. Dat ist der jeringste Kummer, den Sie Ihnen zu machen brauchen, Wenn ik ein Bedenken habe, so ist's ein janz andres.«

»Welches?«

»Von wejen die Krokodilers. Wenn es sich um Knochen handelt, so jehen Sie zu forsch ins Zeug, und da können Sie leicht wieder an sonne Bestie jeraten, ohne daß ik Ihnen dann so schnell helfen kann.«

»Ich nehme mich in acht. Ich verspreche es dir.«

»Jut! Dann ist die Sache abjemacht. Sagen Sie es mir nur, wenn es losjehen soll! lk bin dabei.«

Während dieses Gespräches war man eine tüchtige Strecke weiter gekommen. Der Campo wurde zuweilen von kleinen Wäldchen unterbrochen, denen man es ansah, daß sie von Menschenhänden angelegt worden seien. In der Ferne bemerkte man Ackerland, hinter dem einzelne Hütten erschienen. Man ritt zwischen kleineren Ansiedelungen der Cambas hindurch. Gegen Abend kam man dann durch einen lichten Wald, welcher nicht sehr groß war. Als man ihn zurückgelegt hatte, sah man eine Lagune glänzen, an welcher mehrere langgestreckte Reihen von Hütten lagen. Sie waren zu beiden Seiten eines Baches erbaut, welcher aus dem Walde kam. Dieser Bach war der Arroyo claro, und man befand sich dem Ziele, dem Hauptdorfe der Cambas gegenüber.

Auf der Lagune bewegten sich einige Boote, deren Insassen mit Fischen beschäftigt waren. Hinter den Hütten sah man Gärten und Felder, in denen Frauen, Männer und auch Kinder arbeiteten. Vor den Hütten saßen oder standen andre, welche ihre Arbeit gethan hatten. Dieses friedliche Bild aber veränderte sich sofort, als das erste Auge die Ankömmlinge erblickte. Kaum war dies geschehen, so stieß der Betreffende einen schrillen Ruf aus, welcher von Mund zu Mund ging, und von allen wiederholt wurde. Die Fischer schossen mit ihren Booten an das Ufer. Die auf den Feldern und in den Gärten Beschäftigten flogen nach dem Dorfe, wo alle in den Hütten verschwanden, um nach wenigen Augenblicken bewaffnet wieder zu erscheinen.

Da stieß der Häuptling einen ähnlichen Ruf aus. Sie kannten denselben und wußten nun, wer der Ankömmling war, noch ehe sie seine Züge deutlich erkennen konnten. Sie jubelten laut und kamen, ihre Waffen schwingend, dem Zuge entgegengesprungen und entgegengetanzt, um die Gäste zu begrüßen.

Diese mußten, der dortigen Sitte gehorchend, anhalten, um die Ceremonie des Bewillkommnens über sich ergehen zu lassen. Diese konnte nicht sofort beginnen, denn es waren noch nicht alle Bewohner des Dorfes versammelt. Viele derselben befanden sich im Walde und mußten herbeigerufen werden. Dies geschah mit Hilfe eines Signalinstrumentes, das aus einem starken Bambusstücke bestand, in welches als Mundstück ein dünnerer hohler Zweig befestigt war. Der Mann, der in dieses Instrument blies, brachte einen grauenhaften, dumpfen Ton hervor, der aber in große Ferne zu dringen schien, denn man hörte viele Schreie, welche die Antwort bildeten, in einer Weise erschallen, der man es anhörte, daß sich die Betreffenden nicht in der Nähe befanden. Bald sah man sie aus dem Walde kommen, einzeln oder in kleinen Gruppen. Sie liefen so schnell wie nur möglich, woraus zu schließen war, daß dieses Signal nur dann gegeben wurde, wenn große Eile nötig erschien.

Nach einiger Zeit waren wohl an dreihundert Männer versammelt, welche vor den Ankömmlingen eine Doppelreihe bildeten. Hinter dieser stellten sich die Frauen auf, während die Kinder im Hintergrunde die Zuschauer bildeten.

Nun begann zunächst ein Tanz der Männer, welcher in Bewegungen der Hände und Köpfe bestand, ohne daß die Füße sich von der Stelle bewegten. Der zweite Teil bestand in einem Vor- und Rückwärtsschreiten, an welchem sich auch die Frauen beteiligten. Im dritten Teile wurden die Lanzen, Blasrohre und Messer geschwungen, wozu die Frauen ein unbeschreibliches Geschrei in der Fistellage anstimmten. Dann schien der Tanz zu Ende zu sein. Da aber deutete der Häuptling auf Hammer und rief nur den einen Namen: »Der Vater Jaguar!« laut aus. Einen kurzen Augenblick war alles still, jedenfalls vor Überraschung, diesen berühmten Mann hier zu haben. Dann aber brach ein Jubilieren los, daß man sich hätte die Ohren verstopfen mögen. Die Männer und Frauen sprangen wie besessen hin und her, und die Kinder folgten diesem Beispiele.

Viele kamen herbei, um dem Genannten die Hand zu geben, oder ihn auch nur zu betasten. Er war noch nie hier am »klaren Bache« gewesen, doch wußte man recht wohl, daß er andern Cambasstämmen gegen die Abipones siegreich beigestanden hatte. Als die Aufregung vorüber war, ordneten sich die Indianer, um mit ihren Gästen im Dorfe einzuziehen. Die Männer gingen zu dreien voran; dann kamen die Kinder, und darauf folgten die Ankömmlinge. Der Häuptling hatte sich an die Spitze gestellt.

Das Dorf bestand aus vielleicht achtzig Hütten, welche durchweg aus gestampfter Erde bestanden und mit Schilfdächern versehen waren. In den Gärten gab es Blumen, und auf den Feldern wuchsen neben Getreide allerlei Gemüse, von denen sich diese Leute, welche wenig Fleisch essen, meist ernähren. Hinter den Feldern gab es bis nach dem Walde hin einen ziemlich großen Plan, auf welchem Rinder und Pferde weideten. Von den ersteren konnte man vielleicht sechzig Stück, von den letzteren kaum dreißig, den ganzen Reichtum des Dorfes, zählen.

Man stieg von den Pferden. Dann hielt der Häuptling eine Rede, in welcher er seinen Untergebenen erzählte, was er erlebt hatte und daß die feindlichen Abipones im Anzuge seien. Als er geendet hatte, erhob der Vater Jaguar seine Stimme, um zu sagen, daß er beabsichtige, die mitgebrachten Pferde und Gewehre als Geschenke unter sie zu verteilen. Natürlich rief das einen allgemeinen Jubel hervor. Der Lieutenant Verano machte dann zwar eine Bemerkung darüber, daß niemand ein Recht besitze, die erbeuteten Pferde, an denen er eigentlich auch einen Anteil habe, oder gar die Gewehre zu verteilen; Hammer achtete aber gar nicht darauf.

jetzt begann es dunkel zu werden. Man entlastete die Pferde, ließ sie im »klaren Bache« trinken und trieb sie dann nach dem Weideplane, wo sie sich erholen sollten. Von dort brachte man einige Rinder mit, welche den Gästen zu Ehren geschlachtet und verschmaust werden sollten. Feuer wurden angezündet, und beim Scheine derselben entwickelte sich ein eigenartiges Leben, welches selbst denen, die dergleichen schon oft erlebt hatten, von großem Interesse war.