Die Cambas schienen zunächst gar nicht an die Gefahr, welche ihnen von den Abipones drohte, zu denken.
Sie hatten gehört, daß dieselben noch fern waren, und wußten den Vater Jaguar bei sich. Die Anwesenheit dieses Mannes ließ keine Sorge bei ihnen aufkommen.
Das Fleisch wurde ganz wie bei den Gauchos bereitet und verzehrt. Man trank dazu ein gegorenes Getränk, welches aus den Früchten des Chafiar Prosopis dukis. bereitet wird. Dazu genoß man Kuchen, welchen die Frauen aus Mais- und anderm Mehl in der heißen Asche buken.
Nach diesem Essen wurde eine Beratung gehalten, an welcher alle Weißen und auch der Häuptling teilnahmen. Wohl nur den Lieutenant Verano ausgenommen, hielten alle es für ganz selbstverständlich, daß dem Vater Jaguar die erste Stimme und auch die Entscheidung zustehe. Er wurde aufgefordert und gab seinen Plan bekannt.
Morgen früh sollten die Gewehre verteilt und die Cambas im Gebrauche derselben unterwiesen werden. Zur geeigneten Zeit sollte man nach dem Thale des ausgetrockneten Sees ziehen, hundert Cambas sollten durch den Eingang desselben marschieren, um sich dann seitwärts im Walde zu verstecken. Diese Leute mußten natürlich die Abipones kommen sehen; sie hatten zu warten, bis diese vorüber und im Thale verschwunden sein würden. Dann sollten sie aus ihrem Verstecke hervorkommen und den Eingang besetzen, damit die Abipones nicht zurück könnten.
Die andern Cambas sollten sich im Thale selbst verstecken, und zwar hinter den Bäumen, um im gegebenen Augenblicke aus dieser sichern Deckung heraus den Kampf zu beginnen. Die Einzelnheiten konnten natürlich nicht genau vorherbestimmt werden. Darum sollten die Cambas so nahe beieinander stehen, daß der eine dem andern die von dem Vaterjaguar ausgehenden Befehle leise zurufen könne. Nach diesen sollte dann ganz genau gehandelt werden.
Alle waren mit diesem Plane einverstanden, nur der Lieutenant nicht. Er hatte geschwiegen, bis alle ihre Zustimmung erteilten; dann aber sagte er, gegen den Vater Jaguar gewendet:
»Ihr Plan, Señor, ist ganz gut, nämlich wenn er gelingt. Nur zweifle ich, daß dies der Fall sein wird.«
»Das muß abgewartet werden,« antwortete Hammer in gleichmütigem Tone.
»Warum abwarten! Die Force eines tüchtigen Soldaten besteht im Angriffe, nicht aber im Zaudern. Der Angreifer ist stets im Vorteile, was Sie aber nicht zu wissen scheinen.«
»Ich weiß es wenigstens ebenso gut wie Sie, Señor!«
»Nun, warum wollen Sie denn da nicht angreifen?«
»Ich will es ja; aber freilich erst dann, wenn ich den Feind in der Falle habe.«
»Das ist falsch. Sie dürfen ihn gar nicht so weit heranlassen. Sie müssen ihm entgegengehen, um ihn zu schlagen, wo Sie ihn treffen. Oder getrauen Sie sich das nicht? Dann brauchen Sie nur mir die Führung zu übergeben; ich weiß, wie man solche Siege erkämpft.«
»Mit Blut natürlich, mit sehr viel Blut! Das kann ich auch, Señor, den Abipones entgegengehen und sie schlagen.«
»Auch wenn sie Ihnen an Zahl überlegen sind?«
»Auch dann. Aber es würden ihrer viele untergehen, und auch auf unserer Seite würde viel Blut fließen, und das ist es, was ich vermeiden will.«
»Was! Sie wollen sie schonen?«
»Ja, sie und uns.«
»Das ist falsch, grundfalsch. Das kann ich nicht zugeben; dagegen protestiere ich. Diese Hunde müssen niedergeworfen werden, vom ersten bis zum letzten. Es dürfen ihrer so wenig wie möglich entkommen!«
»Warum, Señor?«
»Das fragen Sie noch? Sind sie nicht gegen uns? Bestehlen sie uns nicht?«
»Was thun denn Sie? Gehört Ihnen ein Fußbreit von dem Lande, in welchem Sie sich befinden? Haben Sie oder Ihre Vorfahren den Indianern ehrlich bezahlt, was Sie ihnen genommen haben? Doch, streiten wir uns nicht darüber! Wollte ich auch die Abipones nicht schonen, so würden bei einem Kampfe, wie Sie ihn wollen, viele von uns zu Grunde gehen. Wenn es aber so kommt, wie ich es wünsche, so fließt kein Tropfen Blutes.«
»Nur auf unsrer Seite natürlich!«
»Wie wäre das möglich? Ein einziger Blick oder auch nur eine kurze Überlegung wird den Feinden sagen, daß sie verloren sind, falls sie zur Gegenwehr greifen. Ich werde zu ihnen sprechen und ihnen menschliche Bedingungen stellen.
Daraufhin werden wir einen ehrlichen Frieden mit ihnen schließen.«
»Einen Frieden? Sie sind des Teufels, geradezu des Teufels, Señor! Es darf kein Friede geschlossen werden.
Man muß diese Kerls niederschießen. Je mehr von ihnen zu Grunde gehen, desto besser ist es für uns.«
»Ich weiß allerdings, daß dies Ihre Meinung ist; ich aber denke anders. Sie machen es gerade so, wie diejenigen es machen, mit denen wir es zu thun haben, nämlich Antonio Perillo und Konsorten. Es ist entsetzlich, den Roten auf den Roten zu hetzen, um dabei im Trüben fischen zu können. Solange ich da bin, wird dies verhütet werden.«
»Werden Sie es verantworten können?«
»Ich möchte den sehen, der es unternehmen wollte, mich darüber zur Verantwortung zu ziehen.«
»Der General, der Präsident!«
»Pah! Wir befinden uns nicht in Buenos Ayres, sondern im Gran Chaco. Die Stelle, an welcher Sie sitzen, gehört dem Volke der Cambas; da hat der Präsident nichts zu sagen. Übrigens können die Cambas aus Ihren Worten ersehen, was sie von den Weißen zu erwarten haben.«
»Sie mögen Frieden halten, dann geschieht ihnen nichts.«
»Wer kann solchen Freunden gegenüber Frieden halten! Ihr wißt es schon so einzurichten, daß es möglichst bald zum Bruche kommt.«
»Sprechen wir nicht darüber. Sagen Sie mir lieber, ob es wirklich Ihr Ernst ist, die Roten zu schonen.«
»Es ist mein vollster Ernst. Warum sollte ich scherzen?«
»Nun, so mögen Sie wissen, daß ich mich dagegen sträuben werde.«
»Versuchen Sie es.«
»Ich werde es nicht nur versuchen, sondern wirklich thun.«
»Das heißt, Sie werden unter Umständen gegen meinen Willen, gegen meine Anordnungen handeln?«
»Ja. Ich kenne hier keinen, dessen Anordnungen ich zu befolgen habe.«
»So vergessen Sie, daß Sie durch uns von dem schmählichen Tode des Ersäufens errettet worden sind, und ich will Ihnen folgendes sagen. Hören Sie wohl darauf! Was ich verspreche oder drohe, das führe ich auch aus. Wenn durch Sie ein einziger Tropfen Blutes gegen meinen Willen vergossen wird, gebe ich Ihnen eine Kugel in den Kopf.«
»Sie sprechen wie toll, Señor!« fuhr der Offizier auf. »Wissen Sie, wer und was ich bin?«
»Ein einfacher Lieutenant sind Sie, weiter nichts, und nebenbei ein gewaltthätiger und blutdürstiger Mensch.
Ich aber bin der Vater Jaguar, dem ein braver Indianer mehr gilt als ein gewissenloser Weißer. Was ich gesagt habe, das gilt. Wollen Sie partout Blut sehen, nun, so wird das Ihrige fließen; das schwöre ich Ihnen zu!«
Er stand von seinem Platze auf und entfernte sich, um den Zorn zu bekämpfen, welcher ihn ergriffen hatte.
Der Lieutenant stieß hinter ihm her noch einige großsprecherische Worte aus; da aber zog Geronimo, der Liebling des Anführers, sein Messer und sagte zu ihm:
»Señor, schweigen Sie! Höre ich noch ein einziges unehrerbietiges Wort gegen unsern Freund, so stoße ich Ihnen diese Klinge in den Leib, daß Ihnen das Reden sofort vergeht! Wenn Sie etwa stolz darauf sind, daß Sie sich Lieutenant nennen dürfen, so gehen Sie in das Vaterland des Vater Jaguar, und lernen Sie dort erkennen, daß allerdings ein dortiger Lieutenant zehnmal mehr wert ist, als bei Ihnen ein General! Mit Ihrer Charge imponieren Sie ihm nicht!«
Damit hatte die Beratung ein ganz andres Ende gefunden, als man hatte vermuten können.
Hammer war zwischen zwei Hütten hindurch und an mehreren Gärtchen entlang gegangen. Er machte diesen Spaziergang nur, um sich zu beruhigen. Der Neumond war seit einigen Tagen vorüber, und am Horizonte stand die dünne Mondsichel, um ein halbes, ungewisses Licht über den Weideplatz zu werfen, den der Vater Jaguar nun erreicht hatte. Er sah die Pferde und die Rinder, und da fiel ihm die Stellung auf, welche diese Tiere einnahmen. Die Pferde standen in Gruppen zusammen, und zwar mit den Hinterbeinen nach außen.