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Einige Zeit später gelangten die drei an eine Stelle, an welcher die Abipones gelagert hatten. Die Pferde waren seitwärts auf die Weide gelassen worden, und nun konnten die einzelnen Eindrücke besser auseinander gehalten werden. Der junge Inka gab sich Mühe, den Platz zu untersuchen. Der Vater Jaguar wollte ihm Gelegenheit bieten, seinen Scharfsinn zu zeigen, und fragte ihn darum:

»Nun, Hauka, wieviele Feinde werden wir vor uns haben?«

»Vielleicht fünfzig Reiter und fünfzehnmal mehr Männer, welche keine Pferde haben,« antwortete der Jüngling mit großer Bestimmtheit.

»Deine Schätzung hat das Richtige getroffen, nicht zu viel und nicht zu wenig. Um einige Männer oder Pferde kann man sich irren; es kommt nicht darauf an.«

»Was thun wir nun?« fragte Anciano. »Reiten wir noch weiter hinter ihnen her?«

»Nein, denn erstens gibt es keinen Grund dazu, und zweitens würde es eine Unvorsichtigkeit von uns sein.

Wir wissen jetzt, woran wir sind; wir haben unsern Zweck erreicht und kehren zu unsern Cambas zurück.«

»Auf welchem Wege?«

»Auf dem wir hierhergekommen sind. Wir halten uns wieder nach Norden und reiten, sobald wir unsre Fährte erreichen, auf derselben zurück.«

Diese Absicht wurde ausgeführt, so daß die drei dann also nördlich von der Linie, und zwar parallel mit derselben, ritten, auf welcher die Abipones marschierten. Stunden vergingen und wieder Stunden. Der Weg hatte fast zwei Tage in Anspruch genommen, denn die drei waren gestern früh ausgeritten, und jetzt war der Mittag längst vorüber.

»Wir kommen noch sehr zu rechter Zeit,« sagte Anciano nach einem längeren Schweigen. »Die Feinde erreichen heute das Thal des ausgetrockneten Sees auf keinen Fall.«

»Nein,« stimmte Hammer bei. »Ich vermute, daß sie am Sumpfe der Knochen Nachtlager machen werden, welcher jetzt zwei Stunden südlich von uns liegt.«

»Darüber wird der Señor Doktor keine Freude haben.«

»Warum?«

»Weil sie ihm wahrscheinlich die Knochen nehmen werden, welche er sich später holen will.«

»Die werden sie ihm gern liegen lassen.«

»Nein, denn sie werden Feuer brennen, und da sind Knochen besser als Schilf, welches schnell verlodert.«

»Es fragt sich, ob sie sie finden. Sie werden wegen der Stechfliegen, von denen sie am Wasser geplagt würden, nicht in der Nähe desselben lagern. Aber halt! Was ist denn das? Sehe ich recht?«

Er hielt sein Pferd an und sah überrascht zur Erde nieder. Die drei befanden sich jetzt an der Stelle, an welcher Morgenstern und sein Diener zu der Einsicht gekommen waren, daß sie falsch geritten seien.

»Sonderbar!« antwortete Anciano. »Da sind Reiter hinter uns hergekommen und nach Süden abgebogen!«

»Vom Thale des ausgetrockneten Sees her,« ergänzte der Vater Jaguar.

»Wer mag das sein?«

»Es sind jedenfalls Freunde von uns, da es dort noch keine Abipones geben kann. Sie sind nach dem Sumpfe der Knochen hinüber. Was hat das zu bedeuten? Ich habe doch ganz genaue Weisungen gegeben, wie man sich verhalten soll. Welch eine Unvorsichtigkeit von diesen Cambas! Wenn sie da drüben von den Abipones bemerkt werden, so ändern diese sehr wahrscheinlich ihren Plan, und dann muß der meinige erfolglos sein.«

Haukaropora war der Spur eine kleine Strecke gefolgt. Indem er zurückkehrte, hörte er diese Worte und sagte:

»Es sind keine Cambas, welche diese Unvorsichtigkeit begangen haben.«

»Wie kommst du zu dieser Behauptung? Sollen es Weiße gewesen sein? Meine Kameraden werden es sich niemals einfallen lassen, einen solchen Fehler zu begehen.«

»Señor, es sind außer ihnen noch andre Weiße da. Ich sollte nicht sprechen, weil ich ein Knabe bin, aber wenn mich nicht alles trügt, so ist der kleine, gelehrte Mann mit seinem Diener hier geritten.«

»Doktor Morgenstern? Das wären nur zwei Personen; ich sehe aber die Spuren von fünf Pferden im Grase.«

»Sie haben die Fährte noch nicht genau betrachtet. Wenn Sie das thun, so werden Sie bemerken, daß zwei Reiter drei ledige Pferde neben sich geführt haben.«

Als der Vater Jaguar hierauf aus dem Sattel stieg, überzeugte er sich sehr leicht, daß der junge Inka sich nicht geirrt hatte.

»Zwei Reiter mit drei ledigen Pferden, also wohl mit Packpferden!« sagte er. »Da möchte ich allerdings auch behaupten, daß es nur diese beiden kleinen Kerle sein können, deren Unerfahrenheit und Ungeschick uns immerfort zu schaffen macht. Es ist dem Doktor wirklich zuzutrauen, daß er nicht an die Gefahr, sondern nur an diese alten Knochen denkt!«

»Ist diese unsre Vermutung richtig, so befindet er sich in großer Gefahr,« sagte Anciano. »Es steht sehr zu befürchten, daß die Abipones ihn überraschen werden. Wir müssen hin, um ihm beizustehen.«

Hammers Stirn legte sich in zornige Falten; er bückte sich, strich mit der Hand über das von den Pferden niedergetretene Gras und zürnte dann:

»Es ist so. Diese Menschen sind vor zwei Stunden hier gewesen. Sie werden jetzt drüben angekommen sein, und wenn wir ihnen zu ihrer Rettung folgen, so kann es sehr leicht geschehen, daß wir zu spät kommen und mit den Abipones zusammengeraten.«

»So meinen Sie, daß wir sie ohne Beistand lassen?«

»Nein. Das mag ich denn doch nicht auf mein Gewissen nehmen. Ist es der Doktor, so muß ihm geholfen werden. Und es kann kein andrer sein. Er hat seinen Diener beschwatzt, mit ihm zu kommen, und dieser Fritze ist im stande, aus Liebe zu seinem Herrn die unmöglichsten Albernheiten zu begehen. Sie haben Packpferde mitgenommen, um ihnen die Knochen aufzuladen.«

»So wundert es mich nur, daß Señor Geronimo ihnen erlaubt hat, sich zu entfernen. Er ist doch sonst ein höchst umsichtiger und auch strenger Mann.«

»Der? Es ihnen erlaubt? Würde ihm nie einfallen! Sie haben sich heimlich entfernt, bei Nacht und Nebel, ohne daß es jemand bemerkt hat. Darum sind sie erst vor so kurzem hier gewesen. Es bleibt uns wirklich nichts andres zu thun, als nach dem Sumpfe zu reiten, um zu sehen, ob wir die Gefahr von den Unvorsichtigen abwenden können. Aber höchst vorsichtig müssen wir sein. Wir dürfen nicht gesehen werden.«

Sie stiegen wieder auf und folgten nun der Spur der beiden Missethäter. Es war notwendig, Galopp zu reiten, denn der Sumpf lag zwei Reitstunden entfernt, und gerade so lange hatte man noch bis zum Anbruch der Finsternis Zeit.

Während sie so über die Ebene flogen, hielten sie die Augen scharf nach der Gegend gerichtet, aus welcher die Feinde zu erwarten waren. Es verging eine Stunde und noch eine halbe; der Sumpf konnte nicht mehr weit entfernt sein. Da deutete der Inka, welcher die jüngsten Augen besaß, nach Osten und sagte:

»Dort kommen Reiter. Sie bilden einen großen Punkt; darum sehe ich sie; sie aber bemerken uns noch nicht, da wir nur drei Personen sind.«

»Wir sind gezwungen, einen Bogen zu schlagen, um ihnen aus der Sehweite zu kommen,« riet Hammer.

»Wenn wir nun den Sumpf zwischen sie und uns bringen, werden sie uns wahrscheinlich nicht entdecken.«

»Aber Ihre beiden Landsleute, Señor?« fragte Anciano. »Wo finden wir diese?«

»Das ist schwer zu sagen. Wir kennen leider die Stelle des Ufers nicht, an welcher sie sich befinden. Sie kann aber unmöglich entfernt von derjenigen liegen, an welcher der Doktor bei unsrer Ankunft hier zurückblieb, um sich die Knochen zeigen zu lassen.«

Nach einigen Sekunden schon war der Punkt, welchen Haukaropora gesehen hatte und für eine Schar von Reitern hielt, verschwunden. Die drei schlugen einen weiten, nach Westen gerichteten Bogen und verlängerten denselben zu einem Halbkreise, welcher sie wieder östlich führte. Da sahen sie in der Ferne Bäume stehen, dann auch die niedrigeren Sträucher, und hielten nach wenigen Minuten am westlichen Ende des Sumpfes, so, daß dieser sich zwischen ihnen und den heranziehenden Abipones befand.