Выбрать главу

Dies war weit schneller geschehen, als man es beschreiben kann, und während es geschah, hatte der Vater Jaguar auch ein sehr scharfes Auge mit auf das Lager gehabt. Dort fiel es jetzt keinem Menschen ein, sich um die Gefangenen zu bekümmern. Man war mit dem Essen beschäftigt, und erst als dies vorüber war, bemerkte man zufällig, daß das Feuer unter dem Baume nicht mehr brannte. Der Gambusino schickte einen Mann hin, um es von neuem anzuzünden; kaum aber hatte dieser den ihm gewordenen Befehl erfüllt, so kam er eiligst herbeigelaufen und meldete:

»Señores, denken Sie sich, was geschehen ist! Die Krokodile haben unsre Gefangenen gefressen!«

Niemand wollte dieses glauben und als der Mann es wiederholte, sprangen alle auf, um, die Weißen natürlich voran, sich zu überzeugen, ob es wahr sei. An Ort und Stelle angekommen, sah man bei dem Scheine des wieder brennenden Feuers die beide Lassoenden von den Ästen hängen. Darunter lagen die Krokodile und glotzten mit stieren Blicken nach dem Ufer hin.

»Wahrhaftig, sie sind weg, sind fort!« rief Antonio Perillo, der Stierkämpfer. »Wer hätte das gedacht? Wie kann das geschehen sein?«

»Die Krokodile sind doch jedenfalls hoch genug gesprungen, um sie fassen zu können,« antwortete der Kapitän Pellejo.

»Schwerlich!« meinte der Gambusino. »So hoch, wie diese Kerls hingen, kann sich kein Krokodil in die Höhe schnellen. Sollte sich jemand hier befunden haben, der sie abgeschnitten hat?«

»Abschneiden? Wer konnte so weit hinüberlangen?«

»Hm! Das ist wahr. Zieht doch einmal die Lassos von den Ästen herunter! Wir werden gleich sehen, ob es mit dem Messer geschehen ist.«

Man holte die Enden herab und unterwarf sie einer sehr genauen Untersuchung. Der Vater Jaguar hatte seine Sache ausgezeichnet gemacht, denn die Ansicht aller ohne Ausnahme ging dahin, daß die Lassos zerrissen worden seien.

»So sind diese Tiere doch so hoch gesprungen!« meinte der Gambusino. »Sie müssen großen Hunger gehabt haben. Und geschmeckt hat es ihnen jedenfalls ausgezeichnet, denn sie liegen da, als ob sie noch mehr haben wollten. Nun, so oder so, wir sind die Feinde los; sie haben ihren Lohn!«

»Was das betrifft,« sagte Perillo ärgerlich, »so freue ich mich keineswegs darüber, daß das gar so schnell gegangen ist. Sie sollten länger hängen, viel länger! Und ich wollte dabei sein, wenn sie zerrissen wurden!

Wäre das Feuer nicht ausgegangen, so hätten sich die Bestien mehr gescheut und wären nicht so zudringlich geworden. Das hätte ich bedenken sollen!«

Dieser gewissenlose Mensch ging wirklich ganz enttäuscht von dannen, und die andern folgten ihm in der festen Überzeugung, daß die beiden Gefangenen in Wirklichkeit von den Krokodilen zerfleischt und verschlungen worden seien.

Diese letzteren waren indessen von ihren beiden Befreiern nicht durch das Schilf, denn das war jetzt bei der Dunkelheit gar nicht nötig, sondern im Gegenteile sehr gefährlich, sondern um den Sumpf herum nach der Stelle geführt worden, an welcher der Inka auf sie wartete. Als dieser sie kommen sah, sagte er:

»Endlich, Señores! Da ich so lange Zeit warten mußte, befürchtete ich schon, daß es sehr schlimm stehe.

Nun freut es mich doppelt, zu sehen, daß die Rettung gelungen ist.«

Die Befreiten hatten bis jetzt geschwiegen; nun aber meinte der Doktor, indem er tief Atem holte, in deutscher Sprache zu dem Vater Jaguar:

»Sie haben uns vorhin das Sprechen verboten; jetzt werden wir wohl reden können. Das war schrecklich!

Nein, das war mehr als schrecklich; das war ganz unbeschreiblich entsetzlich! Mir zittert jedes Glied meines Leibes noch im gegenwärtigen Augenblicke!«

»Und mich auch!« stimmte Fritze bei. »Erst war ik ziemlich juten Mutes; aber als ik am Baume hing und unter mich die Krokodilers so schadenfroh lächeln sah, da jab ik mir verloren.«

»Hatten Sie mich gesehen?« fragte der Vater Jaguar.

»Ja,« entgegnete Fritze, »ik sah Sie einen Augenblick; dann waren Sie wieder verschwunden; aber ik hatte Ihnen doch erkannt und dachte bei mich selbst, daß Sie uns nicht verlassen würden.«

»Sie sehen, daß Ihr Vertrauen gerechtfertigt worden ist. Jetzt sagen Sie mir vor allen Dingen, ob Sie darüber, wie Sie an den Sumpf gekommen sind, ausgefragt wurden!«

»Natürlich hat man uns kriminalisiert; ik habe aber nichts jestanden.«

»Fragte man nach mir?«

»Janz besonders. Man wollte partout wissen, wo Sie Ihnen befinden; ik habe die hochgeehrten Herren so irre jeführt, daß sie denken müssen, Sie kommen erst noch hinterdrein.«

Er berichtete über das Verhör, welches man mit ihm angestellt hatte. Darauf sagte Hammer, welcher bisher in zornigem Ton gesprochen hatte, in etwas milderer Weise:

»So haben Sie glücklicherweise doch nicht lauter Fehler gemacht. Wie aber sind Sie denn auf die unglückselige Idee gekommen, nach dem Sumpfe zurückzukehren?«

»Daran bin ich schuld,« antwortete der kleine Gelehrte. »Ich konnte die Knochen nicht vergessen. Sie lagen mir im Kopfe; ich wollte und mußte sie haben, und so ruhte ich nicht eher, als bis Fritze einwilligte, mit nach dem Sumpfe, lateinisch Palus genannt, zurückzukehren.«

»Dachten Sie denn nicht an die Gefahr? Sie wußten doch, daß die Abipones kommen würden.«

»Wir glaubten, noch vor ihrer Ankunft fertig zu sein.«

»Welche Unvorsichtigkeit! Sie werden mir unterwegs erzählen, wie das alles geschehen ist. Jetzt habe ich zunächst an noch andres zu denken. Wir müssen aufbrechen. Sie haben keine Pferde mehr. Da Sie jedenfalls sehr angegriffen sind, werden Sie reiten müssen. Ich gehe mit Anciano zu Fuße nebenher.«

»Nein, ich laufe, Señor,« bemerkte der Inka. »Ich bin jung und nur ein Knabe; Sie aber und mein Anciano haben«

»Laß es gut sein!« unterbrach ihn Hammer. »Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe. Ich habe meine Gründe dazu.«

Erst jetzt band er dem Doktor und dessen Diener die Lassoenden unter den Armen los. Er warf sie nicht weg, sondern steckte sie ein, damit sie nicht etwa von den Abipones gefunden würden, denn dann hätten diese erkannt, daß ihre Gefangenen nicht zerrissen, sondern befreit worden seien.

Es war anzunehmen, daß die Feinde in gerader Linie nach dem Thale des ausgetrockneten Sees reiten würden. Damit sie nicht seine Spur bemerken möchten, hielt der Vater Jaguar es für geraten, sich in gehöriger Entfernung, aber doch immer parallel mit dieser Linie zu halten. Es wurde aufgebrochen, die beiden Deutschen und der Inka zu Pferde; der Vater Jaguar ging mit Anciano mit langen, ausgiebigen Schritten voran, um den andern den Weg anzugeben.

Als nach einiger Zeit die Mondessichel erschien, wurde es heller, als es vorher gewesen war, und so bemerkte der alte Anciano, in welch gebückter und nachdenklicher Haltung der Vater Jaguar jetzt an seiner Seite dahinschritt. Den sonst so rüstigen, kräftigen Mann schien irgend etwas schwer und tief niederzudrücken. Viertelstunde um Viertelstunde verging, ohne daß er ein Wort sagte, und nur zuweilen war ein eigentümlicher, knirschender Ton zu vernehmen, als ob seine Zähne hart aufeinander getroffen hätten.

Darum unterbrach der Alte endlich das Schweigen, indem er in mildem Tone fragte:

»Sie haben einen Gedanken, der Ihnen viel zu schaffen macht. Wollen Sie ihn mir mitteilen, Señor?«

»Ja, du sollst ihn erfahren, Anciano,« antwortete der Deutsche. »Ich denke, daß er morgen so öffentlich sein wird, daß alle ihn wissen werden. Ich habe diesen Gambusino während einer ganzen Reihe von Jahren mit Schmerzen gesucht, ohne ihn ein einziges Mal getroffen zu haben.«

»Das ist sonderbar! Hätten Sie mir diesen Wunsch mitgeteilt, so wäre er Ihnen schon längst in Erfüllung gegangen.«

»Eine solche Mitteilung hätte nichts gefruchtet, denn ich wußte nicht, daß der Gambusino derjenige ist, den ich suche.«