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›Warum läufst du davon, wenn ich dir Halt gebiete?‹ antwortete ich.

»Da richtete er sich hoch auf, schüttelte sein langes, weißes Haar wie der Löwe seine Mähne und entgegnete in einem Tone, als ob er ein König sei: ›Wer hat hier zu gebieten? Sie etwa?‹

»Dabei funkelten mich seine Augen nur so an; aber sie waren es nicht allein, welche funkelten, denn das Paket, welches er auf dem Rücken trug, bestand aus einem Bastnetze, zwischen dessen Maschen es wie reines, pures Gold hervorschimmerte. Und bei der Bewegung, welche er gemacht hatte, gab die glänzende Bürde einen leisen Ton von sich, wie er nur vom Golde hervorgebracht wird. Wie es so schnell kam, das weiß ich auch jetzt selbst noch nicht; kurz und gut, ich richtete mit einer blitzschnellen Bewegung den zweiten Lauf auf ihn und drückte ab. Der Schuß krachte, und der Mann stürzte zu Boden.«

»Vorn durch die Brust geschossen?« fragte der Gambusino.

»Nein, sondern von hinten in das Herz getroffen. Als ich den Lauf auf ihn richtete, machte er nach der Seite hin eine schnelle Drehung um sich selbst, damit ich ihn nicht treffen solle; aber mein Auge war schneller als er; ich folgte seiner Bewegung und schoß ihn von hinten nieder. Das Netz glitt von seinem Rücken und fiel neben ihm hin, wobei es sich öffnete; einige Stücke des Inhaltes rollten heraus. Es waren kleine, goldene Gefäße und andre Gegenstände, deren Zweck ich nicht zu erraten vermochte. Der Indianer war tot, und diese Sachen gehörten mir. Ich wickelte sie in die Decke, welche ich hinter mir an den Sattel zu schnallen pflegte«

»Und bist natürlich nach der Barranca zurückgeritten?« fiel der Gambusino ihm ins Wort.

»Nein. Ich hatte seit fast zwei Tagen kein Wasser gehabt, und mein Maultier mußte trinken, wenn es nicht liegen bleiben sollte. Daher mußte ich zunächst nach der Salina del Condor, in deren Nähe, wie du weißt, einige Quellen sind; dann erst wollte ich wieder nach der Barranca zurück, um den Ort zu suchen, von welchem der Indianer die Kostbarkeiten geholt hatte.«

»Vorher aber nahmst du ihm seinen Skalp?«

»Ja. Wie ich auf den Gedanken kam, dies zu thun, kann ich freilich nicht sagen. Ich hatte daheim eine Sammlung von allerlei Kleinigkeiten, Andenken an meine früheren Reisen und Erlebnisse, und als ich so vor dem Toten stand und sein Haar betrachtete, fielen mir die Indianerskalpe ein, welche man in so vielen Sammlungen findet, und ich dachte, daß dieser Schopf es wohl wert sei, mitgenommen zu werden. Ich schnitt die Kopfhaut also vom Schädel los und wickelte sie mit in die Decke.«

»Hm! Also auf diese Weise bist du zu der Haut gekommen!« sagte der Gambusino langsam und in nachdenklichem Tone. »Ich hätte sie wohl nicht mitgenommen.«

»Warum nicht?«

»Weil sie zur Verräterin an dir werden kann.«

»Möchte wissen, wie!«

»Eben durch ihre Seltenheit. Hast du etwa schon viele Personen gesehen, welche ihr Haar in dieser Weise tragen? Und nun noch dazu eine solche Fülle schönen, langen, grauen Haares! Dieser Indianer hat Verwandte und Bekannte, welche ihn vermißt und nach ihm geforscht haben. Wenn nun einer derselben erfährt, daß du dich im Besitze dieses Skalpes befindest? Vielleicht gibt es Mitwisser des Geheimnisses von dem Schatze. Ich würde zu keinem Menschen von der Kopfhaut sprechen und sie noch viel weniger jemand zeigen.«

»Pah! Es sind seit jenem Ereignisse Jahre vergangen; ich habe nichts mehr zu befürchten.«

»Dennoch fordere ich dich zur Vorsicht auf. Ich denke da an einen alten Indianer, welcher sein Haar ganz ähnlich trägt und einsam droben in den Bergen haust. Diese Ähnlichkeit der Haartracht läßt ganz wohl den Gedanken aufkommen, daß er zu jenem Toten in irgend welcher Beziehung gestanden hat. Dieser Mann zum Beispiel dürfte durch Zufall von deinem Skalpe hören, und dann wäre es, falls er den Toten gekannt hat, um dich geschehen.«

»Wie heißt der Mann?«

»Er ist über hundert Jahre alt und wird darum allgemein der alte Anciano genannt. Er ist trotz dieses Alters noch so rüstig und gewandt wie ein Vierziger und hat sich durch seine Kühnheit und Verschlagenheit berühmt gemacht.«

»Ich kenne ihn nicht, und er geht mich nichts an. Ist er arm oder reich?«

»Arm.«

»So weiß er von dem Schatze nichts, und deine Warnung ist überflüssig.«

»Mag sein. Es war eben nur so ein Gedanke von mir. Erzähle jetzt weiter! Ich bin begierig, zu erfahren, wie dein Abenteuer sich weiter entwickelt hat.«

»Es kam leider ganz anders, als ich erwartet hatte. Ich wollte an der Salina mein Maultier tränken, selbst auch trinken und dann nach der Barranca zurückkehren. Aber als ich bei der Salina anlangte und um die Ecke bog, sah ich einen Menschen dasitzen, welcher mich verwundert anstarrte. Jedenfalls war er von unten gekommen und wollte hinauf in die Berge; dies machte mein ganzes Vorhaben zunichte. Zurück durfte ich nicht, denn er wäre mir gewiß gefolgt und hätte den Toten gesehen. Mich zu ihm setzen, fiel mir noch viel weniger ein, da er mich nicht genau sehen durfte, um mich später nicht verraten zu können. Ich ritt also an ihm vorüber.«

»Dumme Sache! Warum hast du ihn nicht niedergeschossen?«

»Dieser Gedanke kam mir auch; aber er hatte, als er mich sah, schnell zum Gewehre gegriffen, und seine Kugel wäre jedenfalls schneller als die meinige gewesen.«

»Hat er dich deutlich sehen können?«

»Nein; wenigstens denke ich das. Ich stutzte nur einen Augenblick und wendete mein Gesicht dann schnell von ihm ab. Im Galopp durch die Salina jagend, kam ich eine halbe Stunde später unterhalb derselben auf einem Platze an, wo es auch ein Wasser gibt. Da hielt ich für kurze Zeit an und ritt dann weiter. Eine Ahnung sagte mir, daß der Mann mich verfolgen werde.«

»Woher diese Ahnung? Du hattest ja gar nicht mit ihm gesprochen.«

»Eben das mußte ihm auffallen. Wenn er dann die Leiche fand, mußte er mich für den Mörder halten.«

»Wie sah er aus? Du hast ihn natürlich scharf betrachtet?«

»Nein, denn da hätte ich ihm mein Gesicht länger zukehren müssen, was ich aus gutem Grunde vermeiden wollte. Seine Züge konnte ich nicht erkennen, doch sah ich so viel, daß er nicht mehr jung war, denn sein Haar war grau.«

»Und seine Gestalt?«

»Er saß an der Erde; darum konnte ich mir kein Urteil über seine Figur bilden; er schien mir aber nicht klein zu sein.«

»Ha! Du bist unvorsichtig gewesen. Dieser Mann kann in jedem Augenblicke auftauchen und dich zur Rechenschaft ziehen. Du hättest dich zu ihm setzen sollen, um ihn dann in einem geeigneten Augenblicke niederzuschießen.«

»Das habe ich mir später auch gesagt, und heute bereue ich sehr, es nicht gethan zu haben, denn es hat den Anschein, daß der Kerl mich genauer angesehen hat, als ich dachte.«

»Wieso? Bist du ihm etwa später wieder begegnet?«

»Es scheint so. Es wurde mir eine Drohung ins Gesicht geworfen, welche sich nur auf dieses Ereignis beziehen konnte.«

»Von wem?«

»Vom Vater Jaguar.«

»Valgame Dios! Von dem? Hat dieser Mensch etwa seine Hand auch hier im Spiele?«

Perillo erzählte von jenem Zusammentreffen in der Restauration in Buenos Ayres, wo Der Vater Jaguar ihn an die Salina del Condor erinnert hatte, worauf der Gambusino so laut, daß die Schläfer beinahe aufwachten, ausrief:

»Er ist's gewesen; jedenfalls war er's! Nimm dich vor ihm in acht! Wie war der Mann, den du auf der Salina getroffen, gekleidet?«

»Ganz in Leder. Dazu hatte er einen breitrandigen Hut auf dem Kopfe.«

»Es stimmt; es stimmt! Genau so geht der Vater Jaguar, wenn er sich nicht in einer Stadt befindet. Jetzt haben wir einen Grund mehr, ihn baldigst wegzuräumen. Ich bin überzeugt, daß er, nachdem er den Indianer gefunden hat, hinter dir drein geritten ist. Erzähle weiter!«